Der Preis des Erfolgs

In der wagemutigen englischen Übersetzung von Deborah Smith wurde Han Kangs "The Vegetarian" mit dem begehrten Man Booker International Prize ausgezeichnet. Diese umstrittene Entscheidung setzte eine heftige Debatte über die Übersetzung selbst und das Übersetzen aus dem Koreanischen allgemein in Gang. Von

An Gyeon: Mongyu Dowondo (1447). Achtung: Das Betrachten dieses Bildes kann den Wunsch auslösen, sich in einen Baum zu verwandeln. Quelle: Wikimedia Commons
Anm. d. Red.: Die­ser Bei­trag wur­de ohne Berück­sich­ti­gung des Ori­gi­nal­tex­tes ver­fasst. Mehr zum The­ma hier.

Seit 2016 rollt eine Debat­te durch die eng­lisch- und korea­nisch­spra­chi­ge Lite­ra­tur­sze­ne, die an zen­tra­le Pro­ble­me des Schrei­bens und Über­set­zens rührt, aber in Deutsch­land erstaun­lich wenig Wider­hall gefun­den hat. In ihrem Zen­trum steht eine gera­de 28-jäh­ri­ge, uner­fah­re­ne, aber preis­ge­krön­te Über­set­ze­rin und die Fra­ge: Wel­che Macht darf der Markt auf eine lite­ra­ri­sche Über­set­zung entfalten?

Die Geschich­te des Erfolgs­ro­mans 채식주의자 (Die Vege­ta­rie­rin) und sei­ner eng­li­schen Über­set­zung (The Vege­ta­ri­an) han­delt von dem unbän­di­gen Ehr­geiz der jun­gen Über­set­ze­rin Debo­rah Smith und der Por­ti­on Glück, die es zum Erfolg auch immer braucht. Denn Smith war erst 28 Jah­re alt und steck­te mit­ten in der Pro­mo­ti­on an der Uni­ver­si­ty of Lon­don, als sie mit ihrem ers­ten über­setz­ten Roman den wich­tigs­ten Preis der eng­lisch­spra­chi­gen Lite­ra­tur gewann. Nach eige­nen Anga­ben hat­te sie gezielt Korea­nisch gelernt, um neben­bei als Über­set­ze­rin arbei­ten zu kön­nen. Auf dem Markt habe es weni­ger Kon­kur­renz gege­ben, so Smith in einem Inter­view, und vie­le gro­ße korea­ni­sche Autoren und Autorin­nen waren noch unübersetzt.

So auch die süd­ko­rea­ni­sche Autorin Han Kang, die Smith bei einem Work­shop in Lon­don ken­nen­lern­te. Smith begann, Hans drei­tei­li­ge Erzäh­lung 채식주의자 zu über­set­zen und schick­te Aus­zü­ge ihrer Arbeit an das klei­ne Lon­do­ner Ver­lags­haus Por­to­bel­lo Books. Der Ver­lag ver­öf­fent­lich­te die Über­set­zung unter dem Titel The Vege­ta­ri­an und reich­te den Roman beim Wett­be­werb um den Man Boo­ker Inter­na­tio­nal Pri­ze ein.

Hans Roman han­delt von der unschein­ba­ren Durch­schnitts­frau Yeong-Hye, die über Nacht beschließt, kein Fleisch mehr zu essen. Auf Nach­fra­ge ant­wor­tet sie nur, dass sie einen Traum gehabt habe. Immer stär­ker ver­spürt sie im Lau­fe des Romans den Wunsch, sich in einen Baum zu ver­wan­deln. Sie isst nur noch Pflan­zen, läuft mit frei­em Ober­kör­per her­um, um mög­lichst viel Son­nen­ein­strah­lung auf­zu­neh­men, und ver­lässt ihren Ehe­mann. Die­ser muss genau wie ihre Fami­lie hilf­los dabei zuschau­en, wie Yeong-Hye sich schritt­wei­se von den Zwän­gen der patri­ar­cha­len Gesell­schaft befreit.

The Vege­ta­ri­an galt im Kreis der Nomi­nier­ten Ele­na Ferran­te, Orhan Pamuk und Robert See­tha­ler als abso­lu­ter Außen­sei­ter. Bereits 2007 war der Roman in Süd­ko­rea erschie­nen und hat­te nur lang­sam über die Lan­des­gren­zen hin­weg Auf­merk­sam­keit gewon­nen. Nach der Aus­zeich­nung mit dem Man Boo­ker Inter­na­tio­nal Pri­ze wur­de das schma­le Buch zum Über­ra­schungs­er­folg. Der begehr­te Preis ist mit 50.000 Pfund dotiert und wür­digt als einer der weni­gen gro­ßen Lite­ra­tur­prei­se der eng­lisch­spra­chi­gen Lite­ra­tur nicht nur die Autoren und Autorin­nen, son­dern auch deren Über­set­zer. Smith erhielt die Hälf­te des Preis­gel­des. Als sie den Preis gewann, hat­te sie drei Jah­re Stu­di­um der korea­ni­schen Spra­che hin­ter sich.

Die eng­lisch­spra­chi­gen Feuil­le­tons über­schüt­te­ten das Buch und sei­ne Über­set­zung zunächst mit Lobes­hym­nen – bis sich im Som­mer 2016 die ers­te kri­ti­sche Stim­me mel­de­te. In der New York Review of Books äußer­te Tim Parks Zwei­fel an der Qua­li­tät der Über­set­zung. „Wie kann ich eine Über­set­zung beur­tei­len, wenn ich die Spra­che des Ori­gi­nals nicht ken­ne?“, fragt Parks, der des Korea­ni­schen selbst nicht mäch­tig ist. In sei­ner Ant­wort holt er zum Rund­um­schlag gegen die sprach­li­chen und sti­lis­ti­schen Unstim­mig­kei­ten des eng­li­schen Tex­tes aus. Smit­hs Wort­wahl sei aus­ge­spro­chen anti­quiert, der Ton unausgeglichen.

Rich­tig in Fahrt kam die Debat­te jedoch erst, als der korea­nisch-ame­ri­ka­ni­sche Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor Char­se Yun eben­falls Kri­tik äußer­te. In der Los Ange­les Times schrieb er, dass die Zahl der Über­set­zungs­feh­ler höher sei, als man das von einer pro­fes­sio­nel­len Über­set­ze­rin erwar­te, und dass in Süd­ko­rea über die Qua­li­tät der Über­set­zung Unmut herr­sche. Smith habe Adjek­ti­ve, Super­la­ti­ve und empha­ti­sche Aus­drü­cke ver­wen­det, die die Vor­la­ge nicht her­ge­be, und Strei­chun­gen vor­ge­nom­men. 5,7 Pro­zent des Tex­tes sei­en gar nicht erst über­setzt wor­den. Wie stark Smit­hs Über­set­zung von Hans Schreib­stil im Ori­gi­nal abwei­che, sei für den nor­ma­len Leser kaum vor­stell­bar, sagt Yun:

I can’t empha­si­ze enough how dif­fe­rent Han Kang’s wri­ting style is in Kore­an. Han’s sen­ten­ces are spa­re and quiet, some­ti­mes ending in frag­ments. In con­trast, Smith uses a high, for­mal style with lyri­cal flou­ris­hes.
Ich kann nicht genug beto­nen, wie groß der Unter­schied zu Han Kangs korea­ni­schem Schreib­stil ist. Hans Sät­ze sind spar­sam und ruhig, manch­mal enden sie als Frag­men­te. Smith hin­ge­gen ver­wen­det einen hoch arti­fi­zi­el­len Stil mit lyri­schem Ein­schlag. (Ü Julia Rosche)

Als Bei­spiel wählt Yun den Anfangs­satz des Romans, in dem beschrie­ben wird, dass der Ehe­mann der Prot­ago­nis­tin die­se nie als etwas Beson­de­res („any­thing spe­cial“) wahr­ge­nom­men hat. Smit­hs Über­set­zung hin­ge­gen lau­tet „I’d always thought of her as com­ple­te­ly unre­mar­kab­le in every way“ – laut Yun deut­lich empha­ti­scher als das Original.

In der Trans­la­ti­on Review bestä­tig­te Anfang die­ses Jah­res ein wei­te­rer Über­set­zer aus dem Korea­ni­schen, Wook-Dong Kim, die tech­ni­schen Feh­ler der Über­set­zung. Aller­dings wird schnell deut­lich, dass Wook-Dong Kim, anders als Yun, nicht nur Anstoß an der Über­set­zung, son­dern vor allem auch an Smith als Per­son nimmt. Immer wie­der ver­weist Kim auf Smit­hs begrenz­tes Voka­bu­lar. Er wirft ihr man­geln­de Kennt­nis der korea­ni­schen Satz­struk­tu­ren und gene­rel­le Unfä­hig­keit im Über­set­zen vor. Im Janu­ar berich­te­ten alle wich­ti­gen Lite­ra­tur­sei­ten  – vom Guar­di­an bis zum New Yor­ker.

An den deut­schen Feuil­le­tons ist die Debat­te um die eng­li­sche Über­set­zung klang­los vor­bei­ge­zo­gen. Die deut­sche Über­set­ze­rin, Ki-Hyang Lee, stammt aus Süd­ko­rea, hat in Deutsch­land Ger­ma­nis­tik stu­diert und ist auch als Lek­to­rin und Ver­le­ge­rin tätig. Man­geln­de Korea­nisch­kennt­nis­se oder unzu­rei­chen­de Erfah­rung kann man ihr anders als Smith kaum vor­wer­fen. Seit Erschei­nen des Buches auf dem deut­schen Markt wird die Über­set­zung dem­entspre­chend für bare Mün­ze genom­men. Ob die „schlich­te, poe­ti­sche Spra­che“, die bei­spiels­wei­se Karin Jan­ker in ihrer Bespre­chung für die SZ lobt, tat­säch­lich Han Kang oder aber ihrer Über­set­ze­rin zuzu­schrei­ben ist, wird von Jan­ker nicht wei­ter hinterfragt.

Wie unter­schied­lich jedoch der Stil einer Autorin in der jewei­li­gen Über­set­zung sein kann, zeigt ein ver­glei­chen­der Blick auf die eng­li­sche und deut­sche Über­set­zung. Allein der ers­te Absatz des Romans weist star­ke Unter­schie­de auf:

Befo­re my wife tur­ned vege­ta­ri­an, I’d always thought of her as com­ple­te­ly unre­mar­kab­le in every way. To be frank, the first time I met her I wasn’t even attrac­ted to her. Middling height; bob­bed hair neither long nor short; jaun­di­ced, sick­ly-loo­king skin; some­what pro­mi­nent cheekbones.
Bevor mei­ne Frau zur Vege­ta­rie­rin wur­de, hielt ich sie in jeder Hin­sicht für völ­lig unschein­bar. Um ehr­lich zu sein, fand ich sie bei unse­rer ers­ten Begeg­nung nicht ein­mal attrak­tiv. Mit­tel­groß, ein Topf­schnitt, irgend­wo zwi­schen kurz und lang, gelb­li­che unrei­ne Haut, Schlupf­li­der und domi­nan­te Wangenknochen.

In Smit­hs Über­set­zung fällt eine mar­kan­te Aus­las­sung auf– die „Schup­fli­der“ sind in ihrer Über­set­zung nir­gend­wo zu fin­den. Und auch die „jaun­di­ced, sick­ly-loo­king skin“ betont weni­ger die Haut­far­be der Prot­ago­nis­tin, son­dern eher die Krank­haf­tig­keit ihres Äuße­ren. Im Ver­gleich dazu liest sich die deut­sche Über­set­zung wie eine sehr ste­reo­ty­pe, fast schon ras­sis­ti­sche Beschrei­bung. In Zei­ten der Poli­ti­cal Cor­rect­ness  – vor allem im eng­lisch­spra­chi­gen Raum – scheint es nahe­lie­gend, dass Smith hier bewusst Aus­las­sun­gen vor­ge­nom­men hat, um sich nicht den Vor­wurf einer Ste­reo­ty­pi­sie­rung ein­zu­han­deln. Erstaun­lich ist auch, dass Ki-Hyang Lees Über­set­zung des ers­ten Sat­zes viel näher an Smit­hs eng­li­scher Ver­si­on ist als an Yuns ver­meint­lich kor­rek­ter, wört­li­cher Über­set­zung „any­thing spe­cial“. Darf man der deut­schen Über­set­ze­rin nun auch vor­wer­fen, das Ori­gi­nal zu sehr auszuschmücken?

An ande­ren Stel­len funk­tio­niert Smit­hs Über­set­zung weni­ger gut. Der Ver­gleich mit der deut­schen Über­set­zung zeigt zum Teil sehr deut­lich eben jene tech­ni­schen Feh­ler auf, über die sich Char­se Yun und Kim Wook-Dong in ihren Kri­ti­ken der Über­set­zung echauf­fiert haben:

“Haven’t you iro­ned my white shirt?” The­re was no ans­wer. I splas­hed water on mys­elf and rum­ma­ged in the laun­dry bas­ket, sear­ching for yesterday’s shirt. Lucki­ly it wasn’t too creased.
„Gibt es kein gebü­gel­tes Hemd mehr?“ Kei­ne Ant­wort. Wütend wand­te ich mich dem Wäsche­korb zu und such­te nach dem getra­ge­nen Hemd vom Vor­tag. Glück­li­cher­wei­se war es nicht all­zu verknittert.

Es gibt kei­nen ersicht­li­chen Grund, war­um Smith hier das Adjek­tiv „white“ ein­ge­fügt oder Lee das Wort aus­ge­las­sen hat – es scha­det den Über­set­zun­gen jedoch auch nicht. Anders ver­hält es sich mit dem nächs­ten Teil­satz, den Smith offen­sicht­lich falsch über­setzt haben muss. War­um der Ehe­mann der Prot­ago­nis­tin sich selbst mit Was­ser bespritzt, scheint zusam­men­hang­los und unlo­gisch, tut aber dem Lese­fluss kei­nen Abbruch.

Am gra­vie­rends­ten zei­gen sich die Unter­schie­de zwi­schen den Über­set­zun­gen bei den „Traum­se­quen­zen“, die die ansons­ten linea­re Erzähl­wei­se durch­bre­chen und Ein­bli­cke in das See­len­le­ben der Prot­ago­nis­tin geben:

Dreams of mur­der. Mur­de­rer or mur­de­red… hazy distinc­tions, boun­da­ries wea­ring thin. Fami­lia­ri­ty bleeds into stran­gen­ess, cer­tain­ty beco­mes impos­si­ble. Only the vio­lence is vivid enough to stick. A sound, the ela­s­ti­ci­ty of the instant when the metal struck the victim’s head… the shadow that crumpled and fell gleams cold in the darkness.
Wie­der hat­te ich einen Traum. Dies­mal beging jemand einen Mord. Ein ande­rer ver­such­te, die Spu­ren die­ses Ver­bre­chens zu besei­ti­gen, aber dann wach­te ich auf und konn­te mich nicht mehr an den Rest erin­nern. War ich der Mör­der oder das Opfer? Wenn ich der Mör­der war, wer war dann das Opfer? Du vielleicht?

An die­ser Stel­le weicht die eng­li­sche Über­set­zung so stark von der deut­schen ab, dass man sich fragt, ob die bei­den Über­set­ze­rin­nen tat­säch­lich mit dem­sel­ben Ori­gi­nal­text gear­bei­tet haben. Neben deut­li­chen inhalt­li­chen Abwei­chun­gen sind auch die sprach­li­chen Unter­schie­de frap­pie­rend. Das in der deut­schen Über­set­zung so pro­mi­nen­te „ich“ taucht in der eng­li­schen Über­set­zung erst im nächs­ten Absatz auf. Der Ver­zicht auf ein Sub­jekt lässt Smit­hs Über­set­zung mys­te­riö­ser wir­ken, ihre Aus­las­sungs­zei­chen beto­nen das Frag­men­ta­ri­sche. Sti­lis­tisch ist dies über­aus pas­send für eine Traum­be­schrei­bung. Smit­hs Über­set­zung wirkt frei­er, aber auch spie­le­ri­scher und klan­g­ori­en­tier­ter. Das Gan­ze liest sich poe­ti­scher als die deut­sche Übersetzung.

Die Feh­ler, Aus­las­sun­gen oder sprach­li­chen Aus­bes­se­run­gen schei­nen schwer­wie­gend und sogar über­ra­schend – sofern man sich als Lese­rin immer damit begnügt, den Text, den man in der Über­set­zung vor­ge­legt bekommt, wie einen Ori­gi­nal­text zu behandeln.

Die Kon­tro­ver­se um Smit­hs Über­set­zung zeigt vor allem zwei­er­lei Män­gel auf: den Man­gel an Über­set­zungs­kri­tik in der inter­na­tio­na­len Lite­ra­tur­land­schaft und die man­geln­de Auf­merk­sam­keit, die den unter­schied­li­chen Her­an­ge­hens­wei­sen der Lite­ra­tur­über­set­zer und Über­set­ze­rin­nen ent­ge­gen­ge­bracht wird. Denn Form­treue und Nähe zum Ori­gi­nal­text sind rela­ti­ve Grö­ßen – dies zei­gen die Dis­kre­pan­zen zwi­schen der eng­li­schen und deut­schen Übersetzung.

Smith erläu­tert ihre Arbeits­wei­se in dem Essay „What we talk about when we talk about trans­la­ti­on“, das als Reak­ti­on auf die Kon­tro­ver­se in der Los Ange­les Review of Books ver­öf­fent­licht wur­de. Die Behaup­tung, dass die eng­li­sche Über­set­zung des Romans ein voll­kom­men ande­res Buch sei, sei auf gewis­se Wei­se durch­aus kor­rekt, schreibt Smith dar­in ent­waff­nend. Kei­ne zwei Spra­chen sei­en gleich, eine lite­ra­ri­sche Über­set­zung müs­se daher zwangs­läu­fig „krea­tiv“ sein, heißt es wei­ter. Die Über­set­ze­rin befürch­te­te, durch eine zu wort­ge­naue Über­set­zung poten­zi­el­le Leser zu verlieren:

I was mindful that stray­ing too far from the con­ven­ti­ons of Eng­lish lite­ra­ry lan­guage would dimi­nish and dis­tract from the force of the wri­ting as a whole.
Mir war bewusst, dass eine zu gro­ße Abwei­chung von den Kon­ven­tio­nen der eng­li­schen Lite­ra­tur­spra­che von der Kraft des Romans ablen­ken und die­se sogar schwä­chen wür­de. (Ü Julia Rosche)

Im Kern geht es bei der Debat­te – das macht Smit­hs Essay deut­lich – nicht nur um die tech­ni­schen Feh­ler und man­geln­den Voka­bel­kennt­nis­se der eng­li­schen Über­set­ze­rin, son­dern um den Vor­wurf der sprach­li­chen Anpas­sung eines Tex­tes an den west­li­chen Markt. Smith hat lek­to­rie­ren­de Ein­grif­fe vor­ge­nom­men, die den Erfolg des Buches nicht zwangs­läu­fig bedingt, aber geför­dert haben.

Sicher­lich fin­det die rege Lite­ra­tur­sze­ne Süd­ko­re­as außer­halb der Lan­des­gren­zen wenig Beach­tung. Dies ist para­do­xer­wei­se sogar den Über­set­zun­gen korea­ni­scher Wer­ke ins Eng­li­sche vor­ge­wor­fen wor­den. Clai­re Armis­tead las­te­te in einem Kom­men­tar für den Guar­di­an das man­geln­de inter­na­tio­na­le Inter­es­se den „zu“ ori­gi­nal­ge­treu­en Über­set­zun­gen an, die selbst die größ­ten Meis­ter­wer­ke der korea­ni­schen Kul­tur­ge­schich­te „unles­bar“ machen. Hin­zu kom­me ein gewis­ses Unver­ständ­nis für die korea­ni­sche Kultur.

Char­se Yun zufol­ge ist nicht nur der Schreib­stil, son­dern auch die Figu­ren­zeich­nung in korea­ni­schen Roma­nen für eine west­li­che Leser­schaft oft nur schwer ertragbar:

Most of the time, short sto­ries and novels fea­ture dazed and detached prot­ago­nists who are over­whel­med and buf­feted by life. But tho­se pas­si­ve ‘vic­tim’ qua­li­ties are pre­cis­e­ly why many Wes­tern rea­ders find so much con­tem­po­ra­ry Kore­an fic­tion to be unpa­lata­ble.
Oft zei­gen die Kurz­ge­schich­ten und Roma­ne benom­me­ne und ent­rück­te Prot­ago­nis­ten, die vom Leben gezeich­net und über­wäl­tigt sind. Aber die­se pas­si­ven „Opf­er­ei­gen­schaf­ten“ sind genau der Grund, war­um vie­le west­li­che Leser korea­ni­sche Gegen­warts­li­te­ra­tur für schlecht befin­den. (Ü Julia Rosche)

Der Erfolg von The Vege­ta­ri­an – inso­weit sind sich auch die schärfs­ten Kri­ti­ken einig – las­se sich nicht nur auf sei­ne Ori­gi­na­li­tät, son­dern eben auch auf Smit­hs sprach­li­che Aus­schmü­ckun­gen, Ein­schü­be und Umschrei­bun­gen zurück­füh­ren, die dem Roman Leben­dig­keit geben und ihn so für die eng­lisch­spra­chi­ge Leser­schaft erst „acces­si­ble“, also zugäng­lich, machen.

Für wie aus­schlag­ge­bend selbst die Autorin Smit­hs Rol­le für den Erfolg ihres Romans hält, deu­tet die­se in einem Inter­view mit der NZZ an: „Ent­schei­dend ist natür­lich, dass die Autoren gute Wer­ke schaf­fen. Inzwi­schen hat man in Korea zudem bemerkt, wie wich­tig Über­set­zung ist, um über die Lan­des­gren­ze zu gelan­gen und Leser anders­wo zu fin­den […] gute Über­set­zer sind also abso­lut notwendig.“

Inzwi­schen hat Debo­rah Smith zwei wei­te­re Bücher von Han Kang erfolg­reich aus dem Korea­ni­schen über­setzt. Gemein­sam stan­den sie auch in die­sem Jahr wie­der auf der Short­list für den Man Boo­ker Inter­na­tio­nal Pri­ze. Im Herbst wird zudem ein wei­te­rer Essay von Smith über ihre Über­set­zun­gen ver­öf­fent­licht, der Titel: „Fide­li­ty“ – Treue.


Han Kang/Deborah Smith: The Vege­ta­ri­an (im korea­ni­schen Ori­gi­nal: 채식주의자)

Gran­ta Books 2015 ⋅ 160 Sei­ten ⋅ 7,99 Euro

www.portobellobooks.com/the-vegetarian‑2


Han Kan­g/Ki-Hyang Lee: Die Vege­ta­rie­rin (im korea­ni­schen Ori­gi­nal: 채식주의자)

Auf­bau 2016 ⋅ 190 Sei­ten ⋅ 18,95 Euro

www.aufbau-verlag.de/index.php/die-vegetarierin.html

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