Svein Jarvoll (geboren 1946 in Lurøy) hat unter anderem mehrere Essaybände, einen Gedichtband und Übersetzungen von Adam Thorpe, Peer Hultberg oder Sappho veröffentlicht. Neben dem auch hierzulande bekannten Jan Kjærstad gilt er als wichtiger Vertreter der postmodernen norwegischen Literatur, ist aber auch in seiner Heimat recht unterrezipiert. Seit September diesen Jahres liegt im Verlag von Urs Engeler meine Übersetzung seines einzigen Romans vor: En Australiareise (Eine Australienreise, 1988) – ein Buch, das gleich von zwei Seiten aus lesbar ist: Der erste Teil, Den gule boka (Das gelbe Buch) endet im Original auf S. 257; darunter befindet sich der zweite Teil, Lonaquemor (valencianisch für: „die Welle, die stirbt“), für dessen Lektüre das Buch umgedreht und auf der letzten Seite aufgeschlagen werden muss.
Zwar laufen beide Teile aufeinander zu, aber sie erzählen vollkommen unterschiedliche Geschichten. Der erste widmet sich den Reisen des Norwegers Mark Stoller, der in Spanien die Dänin Lone Øgaardmose trifft und mit ihr eine Beziehung beginnt. Gemeinsam reisen sie weiter nach Irland und Italien, ehe sie sich bei Florenz trennen. Der zweite handelt von der Australierin Emmi, die sich mit ihrer Freundin Alice auf den Weg in den australischen Wald macht, wo ihr Vater als Eremit in einer Hütte haust. Dort findet Emmi ein Buch über den (fiktiven) Ethnographen und Entdeckungsreisenden Magnus C. Ztlohmul und liest dessen Vorwort, das der Roman komplett wiedergibt. Beide Teile referieren immer wieder auf andere Texte, seien es Dantes Commedia, deren Struktur mit Mark Stollers eigener Jenseitsfahrt durch das Diesseits verknüpft ist, oder andere Texte, die nur in kurzen Zitaten auftauchen, etwa Gedichte des Katalanen Ausiàs March oder des Griechen Archilochos, den Jarvoll auch selbst auf Norwegisch herausgegeben hat. In Vorwort zu dieser Übersetzung steht Folgendes:
Jeg har i den tiden gjendiktningen av Archilochos beskjeftiget meg flere ganger opplevd at flyktige forbindelser oppsto mellom fragmenter, og jeg kalte disse forbindelsene tiksotropiske (tiksotropi er den egenskap ved en væske at den blir tynnere ved røring og tykner igjen når røringen stanser).Zu der Zeit, als mich die Archilochos-Nachdichtung beschäftigte, erlebte ich mehrmals, dass zwischen den Fragmenten flüchtige Verbindungen entstanden, und ich bezeichnete diese Verbindungen als thixotrop (Thixotropie ist die Eigenschaft einer Flüssigkeit, dass sie sich beim Verrühren dünner wird und wieder zähflüssiger wird, wenn das Verrühren endet).
Besonders interessant hieran ist die Etymologie des Fachbegriffs, der aus der Chemie stammt: ἡ θίξις bedeutet „das Berühren“, τροπή „Wendung“. Etwas verändert sich also durch Berührung.1 Dies trifft nicht nur auf die altgriechischen Texte zu, die ja nur noch als Fragmente vorliegen, sondern auch auf meine Übersetzung der Australienreise: Ich berühre den Text, taste ihn ab, um zu klären, wie er sich zusammenfügt. Ist er klar durchschaubar? Oder muss ich umrühren, damit der Bodensatz aufwirbelt und ich seinen Grund erkennen kann? Aber wenn sich der Text wieder um sich selbst schließt und seine Geheimnisse in der Tiefe birgt, muss ich andere Hilfsmittel verwenden, die die Rätsel auflösen, sie in Schwingung bringen. Mein Ziel ist es ja, erst einmal die Komposition der Australienreise zu verstehen und dann etwas Eigenes zu produzieren, das dem Publikum des Buches eine ähnliche Leseerfahrung bereitet wie mir. Offensichtlich ist schon jetzt, dass nicht alles ins Deutsche unformbar sein wird.
Was das bedeutet, möchte ich an drei Beispielen zeigen, denen alle eine Sache gemeinsam ist: Sie strapazieren die Grenzen der Übersetzbarkeit so sehr, dass sie eine originalgetreue Übertragung fast unmöglich machen. Aber vielleicht liegt gerade hierin ihr sonderbares Potenzial.
Grammatikalische und rhythmische Eigenheiten
Im dritten Kapitel des ersten Teils begegnet Mark Stoller dem Altphilologen Istmir Derandre Schmied, mit dem er ein langes Gespräch über das Erlernen des Altgriechischen führt. Von Istmir erhält Mark dann auch den Auftrag, ein Gedicht zu schreiben, in dem die Form des Dualis verwendet wird:
– Lag et dikt på norsk der dualis tas i bruk.(Kallipyger, steatopyger,Må jeg få kysse er hvor kjødet blomstrerLik tvende pæreLik tvende dråpe.At denne ene, den underskjønne,Bestemt er to og tillike énForstår min munn som er én i kyssetOg to i prisen til hendiadysset.)
Die aus dem altdänischen twinnæ, twænnæ sowie dem altnordischen tvennir, tvinnir (Plural) und tvennr, tvinnr (Adjektiv) abgeleitete Form tvende bedeutet in etwa „aus zwei Teilen bestehend, zweigeteilt, doppelt“; der Dualis wird verwendet, wenn genau zwei Dinge oder Personen gemeint sind, ist im heutigen Norwegischen aber unüblich und im Grunde nur noch in älteren Texten (z. B. von Ibsen) zu finden. Im Deutschen existiert dieses sprachliche Phänomen nicht. Was nun? Die einfachste Lösung sieht so aus: eine Form wählen, die der gewünschten zumindest ähnlich sieht. Eine denkbare Übersetzung der Dualisform „tvende“ wäre: „doppelt“, „zweifach“, „zwiefach“ oder auch „genau zwei“. Das Deutsche soll aber zumindest ein bisschen antiquiert klingen, das Publikum über eine Formulierung stolpern, die genauso ungewohnt ist wie die norwegische. Deshalb habe ich einen etwas gestelzten Genitiv gewählt, der sich zwar nicht als Dualis ausgeben kann, jedoch extra hervorhebt, dass es sich um genau zwei Birnen und zwei Tropfen handelt:
– Schreib ein Gedicht auf Deutsch, das den Dualis in Gebrauch nimmt.(Kallipygen, Steatopygen,Darf ich euch küssen, wo das Fleisch heranreiftWie der Birnen zweiWie der Tropfen zwei.Dass dieses Eine und Wunderschönebestimmt gleich zwei ist und genauso eins,versteht mein Mund, der eins im Küss-en ist und zwei im Hendiadys.)
Dieses Gedicht, dessen wesentliches Merkmal darin besteht, eine Sache durch exakt zwei Wörter gleicher oder ähnlicher Bedeutung auszudrücken, schwingt in einem abwechslungsreichen Rhythmus dahin (die betonten Silben sind von mir hervorgehoben): Daktylen und Jamben tauchen in der ersten Strophe auf, in der zweiten gibt es nur noch Jamben und dazu einen Gleichklang in den letzten beiden Versen. Der „Kuss“ („kysset“) reimt sich auf das „Hendiadys“ („hendiadysset“); diese Eigenheit lässt sich vorläufig nur durch eine Nominalisierung nachahmen, die auch noch unsachgemäß getrennt wird („Küss-en“ statt „Küs-sen“, auch wenn natürlich beides möglich gewesen wäre) und dann ein schrofferes Versende produziert als das norwegische Gegenstück.
Bei der Übersetzung dieses Gedichtes konnte ich mich also nicht darauf verlassen, es in Gänze wiedergeben zu können; wegen der im Deutschen nicht gebräuchlichen Dualisform und des eher freien, aber durchgetakteten Rhythmus musste ich Zugeständnisse machen.
Akronyme
Eine weitere Besonderheit der Australienreise sind Buchstabenkombinationen: „MS“ steht für „Mark Stoller“, aber auch für „Merkur Sendebote“, „Morte Sicura“ o. Ä. Solche Akronyme erscheinen in allen denk- und undenkbaren Varianten, ganz besonders in einer Passage, die möglicherweise folgendermaßen angelegt ist: Mark ist mit seiner Geliebten Lone in Irland angekommen; dort begegnet er einem Nebenbuhler, der seine Freundin kidnappt. Das Ganze ist jedoch nicht als Kriminalfall oder als Thriller erzählt, sondern als burlesk-erotische Fabel, in der Mark „Nautmark“ heißt („Narrenmark“), Lone „Fipelone“ („Fipselone“) und der Übeltäter „Rulpp“. Daraus ergibt sich das Akronym NRF, das für „Norsk Rødt Fe“ steht („Norwegisches Rotvieh“, ein norwegisches Hausrind). Auf einem eben solchen entführt Rulpp Lone. Nach einer Weile fährt er mit ihr auf einem improvisierten Boot in eine Welt, in der nicht nur Milch und Honig fließen. Das „NRF“ grundiert die ganze Textstelle:
Fipelone rodde over de brede flatene utenfor Skummamelkbukta, hun rodde gjennom lapskausbårer og over Mjølkeringsfluene og mellom de fire Kefirhausene, hun rodde forbi elvemunninger med mjød […], til tina var på høyde med Surnapesset ved inngangen til passet som fører til Åbitsens land, der Fløyteåi renner ut (Nesten Ren Fløte, sa Rulpp, som nøt utsikten). Det gikk så skyret sto om årebladene […] og ganske snart måtte Fipelone gi et sukk fra seg og si at nei, dette, det orket hun ikke lenger. Nakkesmerter? Ryggsmerter? Fotsmerter? sa Rulpp. Noen Råd og Forslag. Hvorfor gjør du dette mot meg, Rulpp, sa Fipelone, jeg er Nautmark, det er ham jeg har hug til, vi skal stifte familie. Nyfødte Rosa Fleinskaller, sa Rulpp, Nei Ro Fortsatt.Fipselone ruderte über die breiten Flächen vor der Schaummilchbucht, sie ruderte durch die Labskauswogen, über die Milchringfliegen und durch die vier Kefirschären, sie ruderte an Flussmündungen mit Met vorbei […], bis das Fässchen auf der Höhe mit der Sauermilchpisse am Tor des Durchgangs war, der ins Land des Kleinen Frühstücks führt, wo der Flottfluss abfließt (Nahezu Reines Flott, sagte Rulpp, der die Aussicht genoss). Es ging so weit, dass der Skyr an den Rudern feststockte […], und ganz fix musste Fipelone aufseufzen und sagen Nein, das hier, das schaffte sie nicht mehr. Nackenschmerzen? Fußschmerzen? Rückenschmerzen?, sagte Rulpp. Noch Ratschläge und Fingerzeige. Warum tust du mir das an, Rulpp, sagte Fipselone, ich gehöre Narrenmark, auf ihn hab ich Lust, wir werden eine Familie gründen. Neugeborene Rosa Kahlköpfe, sagte Rulpp, Nein, Rudere Fortwährend.
Das Akronym NRF wird aufgespalten, die drei Teile auf die drei Charaktere übertragen: Mark heißt „Nautmark“. „Naut“ bedeutet“ nicht nur „Vieh“, sondern auch „dumme, einfältige Person“, also etwas in der Art von „Du blöde Kuh!“. Soll die Buchstabenkombination gewahrt bleiben, kann ich mich jedoch nur für das deutschsprachige Wort entscheiden, das mit V beginnt. Lone, die ja Dänin ist, bekommt das dänische Wort „fip“ zugeteilt; dieses lässt sich in etwa als „Fips“ übersetzen, was eine nahe liegende Lösung ist, da Marks Freundin im Text als „klein“ beschrieben wird. Das F für „fe“ lässt sich nicht retten; zwar hätte ich versuchen können, eine „Norwegische Rotfärse“ durch den Text trampeln zu lassen, aber das hätte den Sinn doch erheblich entstellt, weil es eben nicht um ein weibliches Rind geht, das noch nicht gekalbt hat, sondern um ein männliches, das noch nicht gezeugt hat.
Bis auf wenige Ausnahmen, etwa „Nyfødte Rosa Fleinskaller“ („Neugeborene Rosa Kahlköpfe“ – die an dieser Stelle irritierende Anspielung an den Norwegischen Rundfunk NRK würde ich mir nämlich gerne ersparen) war es mir oft möglich, Übersetzungen zu finden, die sich als Akronym schreiben ließen. Obendrein werden V und F im Deutschen (öfters) gleich ausgesprochen; es ist also nicht so schlimm, wenn NRV statt NRF in der Übersetzung steht.
Dialekt
Das achte Kapitel ist ein Dialog, eine Art Drama im Roman, und kann als surrealistisch bezeichnet werden: Nachdem er während seines Italienaufenthalts von seiner Freundin Lone verlassen worden ist, liegt Mark depressiv in einem Zelt und halluziniert. In seiner Fantasie leisten ihm die beiden Leichenmaden Jack und Jock Gesellschaft, mit denen er in ein fieberhaftes Gespräch über den Tod verfällt, aber auch Themen wie Zahlenmystik berührt. Im rasenden Wechsel zieht eine Kavalkade unterschiedlichster Gestalten an seinem inneren Auge vorbei. Viele davon absolvieren nur einen kurzen Auftritt, darunter der Bischof und ein Lehrling, die in einem karnevalesken Spiel die Rollen tauschen: Der Gottesmann erweist sich als Rüpel, der Auszubildende als feinsinnig. Aber da Schimpftiraden bekanntlich lustiger sind als Gebete, möchte ich einen Blick auf die folgende Passage werfen, die in so etwas wie einer Osloer Gossensprache verfasst ist:
Bispen: Labli, sijæ! Den spirrevippen trur han kann komme her! Jæske lime kjeften igjenpræ! Din sabb! Din møkkamann! Ræva mi lerarei! Det ska bli en annen dans, din klyse! Haru hørt makan til jækla dialekta pånå! Dadada-di-dadadada! Kjenn på den, og på den! Virru lukte på den? Virru smake på den? Her haru den! Her ska flasset fly og øra flagre, det kan du tarei gift på! Jaggumæ snyteskaftet smurt utover under over under øya pån. Og haka på snei! Og haka på brøstet! Og brøstet på magan! Bareteåtaogtørknoppdaellerhva! Suppehue. Noksagt. Mjelkebust! Piss mæ i øret! Kyss mæ i ræva, spell spar! Hva i snørrgrønne bondeskauen er det for noe mæl? […]
Die Verwunderung, die der Bischof am Ende dieses Auszugs über seine eigene Sprache äußert, ist fast schon selbst ironisch; es sind in der Tat nicht nur die Schimpfwörter, die hier Probleme bereiten. Im Standardnorwegischen würde man zumindest in der Schriftform auf Elidierungen verzichten. „Jeg skal“ (hier: „Ich werde“) würde dann nicht zu „Jæske“ verkürzt, „Virru“ und „Haru“ würden als „Vil du“ und „Har du“ ausformuliert. Der Bischof gibt nichts auf sprachliche Höflichkeit; seine Predigt ist deshalb so lustig, weil sie so ungehobelt ist. Es wäre daher falsch, sie ins Hochdeutsche zu übersetzen. Also muss ein Dialekt her, eine Art Kunstsprache, in der sich die sprachlichen Phänomene des Ausgangstextes wiederfinden lassen: Elidierungen, Schimpfwörter, deren Bedeutung nicht gleich einwandfrei zu erkennen ist, kurz, auf einer linguistischen Ebene muss die Übersetzung die karnevalistische Rollenverkehrung des Originals sichtbar machen. Aus meiner Kindheit ist mir die Trierer Mundart sehr vertraut; sie mag sich sehr gewöhnungsbedürftig anhören, aber das ist ja der Sinn der ganzen Sache. So sieht das Ergebnis aus:
Der Bischof: Loasst bleiwen, soan eich! Den Döbbenschösser määhnt, n könnt hei hinner kommen! Eich stopfen dem öt Maul! Dau Droanfunzel! Dau Drääkbaddi! Eich bräängent dir schunn bäi! Hei gitt noa annern Rejeln getanzt, dau Schmeerlabben! Hott äänen schummoal su ön schlemmen Dialekt loa gehort! Dadada-di-dadadada! Hei, fehl moal, loa uch! Wëlls drun reechen? Drun schmaacken? Hei hosten! Hei flejen de Schuppen un flattern de Uhren, doa kaans dau Gaft drop holen! Aoh fregg, die ganz Rotznoas vun dem loa aageschmiert, riewer, runner un enner de Au. Unt Kin runner! Unt Kinn schief! Un de Brust op dn Bauch! Holtblußroppunmachendlichmoalsauwerhastehéieren! Dölbes. Genuch jetz. Mellischboart! Pinkel mir ant Uhr! Küss mir n Poppes, spiel Pik! Wat zum schnudelgreenen Bauernboagen ass dat fiern Batschelei! […]
In gewisser Weise treibt meine Übersetzung die sprachliche Grenzüberschreitung des Originals noch weiter. Während im Standardnorwegischen Worte wie „spirrevipp“ („Dreikäsehoch“), „sabb“ („Schmutzfink“) oder „suppehue“ („Volltrottel“) noch bekannt sind (aber womöglich schon fast vergessen), sind meine trierischen Äquivalente „Döbbenschösser“ („Topfscheißer“), „Drääkbaddi“ („Dreckspatz“) und „Dölbes“ („Idiot“) wohl kaum im Standarddeutschen anzutreffen. Das Hauptproblem bei Dialekten besteht ja darin, dass sie kaum verschriftlicht werden, weshalb ich mich bei meiner Recherche auf allzu unautorisierte Internetquellen verlassen musste, aber auch auf meine eigene Wahrnehmung, die bestenfalls subjektiv zu nennen ist. Das Resultat ist die oben stehende Kunstsprache, die nur in den Schimpfwörtern entschieden vom Original abweicht; die verwaschene Aussprache, das Elidieren ganzer Silben behält sie hingegen bei. Ein paar Beobachtungen hierzu: „Loasst“ würde ausgeschrieben „Loass öt“ heißen, also so viel wie „lass es“; „hosten“ hieße „hoste ön“, also „hast du ihn“ und „ant“ wäre „an öt“, also „in das“. Treffen zwei vokalische Laute aufeinander, wird einer von ihnen gerne ausgelassen. Dies trägt elementar zum erschwerten Verständnis bei.
Thixotropie
Meine Frage, die ich an Svein Jarvolls Australienreise gestellt habe, lautet: Was passiert, wenn ich das Norwegische „berühre“? Wie verändert sich das Sprachmaterial, wird es nachgiebig, verflüssigt es sich und erhärtet es dann sofort wieder? Und wie kann ich diese Transformation auch in meine Übersetzung hinüberbringen, damit die Leserinnen und Leser bei der Berührung meines Textes genau die gleiche Reaktion beobachten können wie ich bei der Berührung des Originals?
Bei einer solchen Verwandlung geschieht oftmals Unerwartetes. Es kann sein, dass die Übersetzung ganz neue Bedeutungsschichten freigibt und roher, härter wirkt als das Original: was sie vielleicht auch muss, denn wegen der sprachlichen Unterschiede, die es unbestreitbar gibt, hat sie viele Zugeständnisse zu machen, die nicht nur Kompromisse sind, sondern auch Potenziale, die sich auf ihre je eigene Weise entfalten dürfen. Allen Gestaltwechseln ist jedoch gemeinsam, dass sie den Ausgangstext etwas auf Seite schieben – ihn aber gleichzeitig ins Bewusstsein des Publikums zurückholen, weil sie ihre Fremdheit nicht als Schwierigkeit begreifen, sondern als poiesis, also als einen sprachlichen Prozess, der seine eigene Gemachtheit hervorkehrt.
Svein Jarvoll/Matthias Friedrich: Eine Australienreise. (Im norwegischen Original: En australiareise.)
Verlag Urs Engeler 2018 ⋅ 116 Seiten ⋅ 21 Euro