Anfangs läuft es noch gut für den beliebten Karrierepolitiker Marcel Kamrath. Noch ist er Staatssekretär im Justizministerium, auf seinem Schreibtisch die Gesetzesentwürfe zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland, für die er sich einsetzt. Er macht seine Arbeit gut und man munkelt, er könnte bald sogar Minister werden. Szenenwechsel ins Amsterdam der frühen Achtzigerjahre. Der junge Kamrath wollte von Deutschland weg und die Welt bereisen. Weit kommt er nicht, denn schon in Amsterdam lässt er sich nieder, lebt mit Anarchisten in einem besetzten Haus und verkauft zusammen mit seinem neuen Freund Sander Drogen an deutsche Touristen. Als die Situation eskaliert und es sogar Todesopfer gibt, kehrt Kamrath schnell nach Deutschland zurück und verdrängt die Geschehnisse.
Als er über dreißig Jahre später als einflussreicher Politiker Cannabis in Deutschland legalisieren will, kehrt Sander, der in der Zwischenzeit sein Drogenimperium weit über die Grenzen Amsterdams hinweg ausgebaut hat, in sein Leben zurück. Damals in Amsterdam waren sie gute Freunde mit gemeinsamem Geschäftskonzept gewesen, nannten sich liebevoll Knabbeltje und Babbeltje, doch schnell wird Kamrath klar, dass er Sander nicht mehr vertrauen kann. Drogenhandel und Rationalität gehen nicht zusammen.
Der Schauplatz des Romans wechselt zwischen Deutschland und den Niederlanden. „Ein grenzüberschreitendes Projekt“, nennt die vermeintliche Politikberaterin Marie Vos einen geplanten Auftragsmord, der dem Spuk ein Ende setzen soll. Die Aussage trifft genauso auf das Buch an sich und auf den Arbeitsprozess des Autorenduos Thomas Hoeps und Jac. Toes zu. Sie erzählen, dass sie ab der ersten Idee eng zusammenarbeiten und viel miteinander sprechen. Sie legen die wichtigsten Erzähllinien fest und teilen dann kapitelweise auf. Jeder schreibt in seiner Muttersprache – Thomes Hoeps auf Deutsch und Jac. Toes auf Niederländisch – und übersetzt dann die Kapitel des anderen. Am Ende entstehen zwei Bücher, eines auf Deutsch, eines auf Niederländisch, beide teils Original, teils Übersetzung.
Bücher zu schreiben oder zu übersetzen ist in der Regel eine einsame Tätigkeit. Allerdings gibt es immer mehr Werke, die von mehr als einer Person übersetzt werden. Oft ist der Grund dafür Zeitdruck, denn drei Personen arbeiten schneller als eine allein. Manchmal auch, weil unterschiedliche Fähigkeiten so am besten eingesetzt werden können. Alles nachvollziehbare Gründe für eine Arbeitsteilung. Und doch kommt fast immer die Frage auf: Geht das überhaupt? Merkt man das nicht am Text?
Die Antworten sind einfach: Ja, es geht. Ja, oft merkt man es, aber das ist manchmal auch gut so. Genau das trifft auf Die Cannabis-Connection von Hoeps & Toes zu. Zugegeben, der Fall ist speziell und auch nicht direkt eine Frage von Original oder Übersetzung, denn das deutsche Buch stammt im Grunde zur Gänze aus der Feder von Thomas Hoeps. Aus dem Impressum erfahren Leserinnen und Leser, dass er zwanzig Kapitel direkt auf Deutsch verfasst hat. Die restlichen siebzehn Kapitel, von Jac Toes auf Niederländisch geschrieben, übersetze er ins Deutsche. Wie sich die beiden Autoren die einzelnen Kapitel aufgeteilt haben – nach Schauplätzen und Figuren – ist einfach nachvollziehbar und auch kein großes Geheimnis, sprechen sie doch in Interviews darüber.
In der Frage „merkt man das denn?“, wenn eine Person nicht allein Schöpfer eines Werks ist, klingt meist unterschwellig Kritik mit. Die ist in diesem Fall jedoch nicht angebracht. Durch die Schauplatzwechsel zwischen Deutschland und Amsterdam, sowie Perspektivenwechsel zwischen Kamraths Sichtweise in dritter Person und Marie Vos‘ Erzählung aus erster Person, verlangen die unterschiedlichen Abschnitte sogar jeweils ihr eigenes Sprachregister und ihren eigenen Ton. Marie Vos ist deutlich ironischer als der ernste, von der Situation überforderte Kamrath und sie bemerkt kleinste Details in ihrem Umfeld, für die Kamrath keinen Kopf hat. Die Wechsel wirken überaus natürlich und sind keineswegs Stilbrüche. Ganz im Gegenteil, sie verleihen den einzelnen Charakteren Tiefe und dem Roman eine Vielschichtigkeit, was die Erzählung differenzierter und somit noch spannender macht.
Die einzelnen Figuren sind skrupellos und moralische Werte geraten mit voranschreitender Handlung immer mehr in den Hintergrund. Doch bei allem Ernst des Thrillers erlaubt sich das Autorenduo auch den einen oder anderen Witz, der von der Mehrsprachlichkeit hervorrührt:
„Stilles!“ Kiki zeigt auf drei Männer mit Turnschuhen und in Jeans, die hinter den Einsatzkräften heransprinten.
Stilles? Sollte er jetzt still stehen bleiben? Er schaut fragend zu Sander, aber der ist schon wieder unterwegs, verschwindet um die Hausecke, Kiki ein paar Meter dahinter.
„Hey!“, ruft er ihnen hinterher.
Sie dreht sich um. „Brauchst du eine Extraeinladung?“
„Du hattest doch ‚still‘ gesagt“, sagt er, während sie seine Hand packt und ihn mit sich zieht.
„Mensch, ‚Stilles‘! Bullen in Zivil, Turnschuhbrigaden!“, ruft sie hastig, während sie in eine Seitenstraße einbiegen, wo Sander sie schon erwartet.
In Interviews wird schnell klar, dass Thomas Hoeps und Jac. Toes Spaß an der multilingualen Zusammenarbeit haben. Die beiden schildern den Arbeitsprozess als konfliktfrei und harmonisch. Und das, obwohl sich die beiden die Kommunikation nicht unbedingt leicht machen. Thomas Hoeps erzählt in einem Interview: „Wenn wir uns treffen, spricht Jac. Deutsch und ich Niederländisch. Das haben wir schon 2006 so beschlossen, damit wir dasselbe Handicap haben, unsere Ideen zu formulieren. Sprachliche Gleichberechtigung also.“
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Cannabis-Connection ist ein spannender und intelligent aus verschiedenen Perspektiven verfasster Thriller, dem die unterschiedliche Erzählart in den verschiedenen Kapiteln nur zugutekommt. Ein Autor übersetzt anders als er schreibt, weil er sich beim Übersetzungsprozess nun mal an die Worte und Ideen eines anderen Autors halten muss. Und keine zwei Autoren schreiben gleich. Hoeps & Toes zeigen, wie man daraus das Beste macht.
Hoeps & Toes: Die Cannabis-Connection
Unionsverlag ⋅ 352 Seiten ⋅ 19 Euro