Wie hast du Helgoländisch gelernt?
Ich komme ursprünglich aus Hamburg und bin als Meeresforscherin nach Helgoland gekommen. Als ich die Leute hier dann Helgoländisch sprechen gehört habe, wollte ich das ganz einfach verstehen. Das ist so meine Art. Ich habe es dann über die Volkshochschule bei einer alten Helgoländerin gelernt, die auch noch schönes altes Helgoländisch sprach. Und nach einigen Jahren kam sie auf mich zu und hat mich gefragt: „Traust du dir zu, den Kurs zu übernehmen? Ich werde dich noch richtig trainieren, jetzt wird’s hart.“ Ich habe mich darauf eingelassen.
Wie steht es um die helgoländische Sprache?
Schlecht. Wir unterrichten das in der Schule von Klasse 1 bis 4 und im Kindergarten freiwillig. In der Schule ist es inzwischen so im Unterricht eingebunden, dass es jeder mitmachen muss, außer er spricht gar kein Deutsch, dann bekommt er DaZ-Unterricht. Aber im Alltag wird es nur noch von wenigen gesprochen.
Gibt es Literatur auf Helgoländisch?
Bis in die Siebzigerjahre gab es für das Helgoländische gar keine einheitliche Rechtschreibung. Jeder hat es so geschrieben, wie er wollte, wenn er meinte, er müsste etwas niederschreiben – was eigentlich viele gemacht haben. Viele Helgoländer haben gerne gedichtet und geschrieben, singen auch gerne usw. Der Spruch „Frisia non cantat“ stimmt überhaupt nicht. Unser Insel-Dichter James Krüss zum Beispiel hat auch viel auf Helgoländisch gedichtet. Er hat die Sprache ja auch gesprochen und war auch Lehrer an der Schule. Wir haben mit meinem Volkshochschulkurs auch ein Buch mit dem Titel Snakketaffel veröffentlicht. Es enthält kleine Erzählstücke und ist das Resultat aus der Volkshochschularbeit. Da ist die Geschichte, die die Leute erzählt haben, und für diejenigen, die kein Helgoländisch können, auf der nächsten Seite die deutsche Übersetzung. Das ist eine Gemeinschaftsarbeit. Dieses Buch habe ich vor bald zwei Jahren rausgebracht, weil ich es zu schade fand, dass diese Geschichten verloren gehen.
Wie darf man sich die Übersetzungsarbeit vorstellen?
Als wir uns vornahmen, die Geschichten aufzuschreiben, sagten einige aus meinem Kurs, sie könnten das nur auf Deutsch so richtig, sie seien im Helgoländischen nicht so sicher – mit dem Schreiben sowieso nicht. Deshalb haben wir es erst auf Deutsch geschrieben und dann übersetzt. Andere haben die Geschichte aber auch gleich auf Helgoländisch abgegeben. Dann haben wir es vorgelesen und uns gefragt, ob das noch richtig Helgoländisch ist oder schon Deutsch gedacht und übersetzt? Das passiert sehr leicht. Mit einem Mal schreibt man verdeutschtes Helgoländisch. Aber das ist nicht die Seele der Sprache. Die muss erhalten bleiben.
Was kann Helgoländisch, was Deutsch nicht kann?
Helgoländisch ist eigentlich eine einfache Sprache, die manche Worte nicht hat. Dafür ist sie sehr differenziert, was Fischerei, Vogelkunde oder Wetterkunde angeht. Und sie hat eine ganz eigene Melodie. Manche Redewendungen gibt es nur in dieser Sprache. Zum Beispiel sagen wir nicht „Die Sache hat einen Haken“. Auf Helgoland heißt es: „Dear lait en Koks bi“, wörtlich übersetzt: „Da liegt eine Wellhornschnecke dabei.“ Was das heißen soll? Früher wurde der Fisch korbweise verkauft. Wer betrügen wollte, hat unten diese an sich wertlosen, aber schweren Wellhornschnecken reingeschmuggelt. Das Helgoländische ist eben die ureigenste Sprache hier von der Insel. Das Deutsche kann die Gegebenheiten hier gar nicht so passend ausdrücken.
Bettina Köhn kam 1977 als Meeresforscherin nach Helgoland. Seit 1987 unterrichtet sie an der örtlichen James-Krüss-Schule Helgoländisch. Außerdem leitet sie an der Volkshochschule Helgoland den helgoländischen Gesprächs- und Sprachpflege-Kreis „Snakketaffel“. Das gleichnamige, zweisprachige Buch mit Geschichten von der Insel ist nur auf Helgoland erhältlich.