Bücher über den Stand der Klimakrise, den Ersten Weltkrieg, intersektionalen Feminismus, die Evolution, die Skandale des letzten US-Präsidenten, die brasilianische Küche, vertikale Gärten, Reisen nach Australien: Das und mehr ist gemeint, wenn man in der Buchbranche vom „Sachbuch“ spricht. Zur Nonfiction gehören unter anderem populärwissenschaftliche Sachbücher, Essays, Biografien, Autobiografien, Ratgeber diverser Sachgebiete, Reiseführer, Kochbücher, Bildbände und Jugendsachbücher. Eng verwandte Genres sind Fachbücher, wissenschaftliche und historiografische Werke. Auf den Buchmessen weisen Schilder zu „Sachbuch und Literatur“, was zu der Frage führt: Sind Sachbücher etwa keine Literatur? Wenn doch, worin unterscheiden sie sich von der Belletristik? Und was bedeutet das für die Übersetzung von Sachtexten?
Ich übersetze seit über 25 Jahren neben Belletristik und Jugendbüchern vor allem populärwissenschaftliche und politische Sachbücher, meinungsstarke essayistische Titel, Biografien und Memoirs aus dem Englischen. Die meisten Bücher habe ich gern ins Deutsche gebracht, und fast immer habe ich etwas gelernt. Wenn ich mich aber mit Kolleginnen und Kollegen unterhalte, kommt das Gespräch fast zwangsläufig auf die frustrierenden Aspekte unseres Arbeitsfeldes: Stipendienbewerbungen mit Sachbuchübersetzungen bleiben besonders oft erfolglos, in Sachbuchrezensionen auch großer Zeitungen und Zeitschriften wird noch häufiger als ohnehin schon unterschlagen, dass es sich überhaupt um Übersetzungen handelt, und für die Übersetzung von Nonfiction werden so gut wie keine Preise vergeben: Von den 60 Übersetzerpreisen in der Stipendiendatenbank des VdÜ berücksichtigen nur sechs (theoretisch) auch Sachbücher.1 Die Folge: Viele, die schwerpunktmäßig Sachliteratur übersetzen, haben das Gefühl, in unserer Zunft der Unsichtbaren die Allerunsichtbarsten zu sein.
Um dem Phänomen nachzuspüren, habe ich ein Brockes-Stipendium des Deutschen Übersetzerfonds unter anderem dazu genutzt, den naheliegenden Fragen nachzugehen: Worin unterscheidet sich das Sachbuch eigentlich vom Roman? Welche spezifischen Schwierigkeiten stellen sich bei der Übersetzung von Sachtexten? Zuerst aber: Wie ist es überhaupt zur Trennung zwischen „Sachbuch“ und „Literatur“ gekommen?
„Literatur“ versus „Sachbuch“?
Einige Antworten auf die Frage, warum sich Fiktion und Nonfiction historisch auseinanderentwickelt haben, geben Aufsätze, die im Rahmen des germanistischen Forschungsprojekts „Das populäre Sachbuch im 20. Jahrhundert“ entstanden sind.2 In aller Kürze lässt sich sagen, dass der „Trennungsprozess“ zwischen Literatur und Wissenschaft ins 19. Jahrhundert zurückgeht, so Helmut Kreuzer: „Bis ins 18. Jahrhundert sind beide Bereiche praktisch benachbart und verflochten, auch wenn (in aristotelischer Tradition) der Wissenschaft mehr das Wirkliche, der Dichtung mehr das Mögliche als spezielle Domäne zugewiesen wird.“ 3 Nach und nach aber tut sich eine Kluft auf zwischen Kultur, Künsten, Bildungsgütern, dem Individuum einerseits und Naturwissenschaften, Technik, Wissen, der Welt andererseits. In den 1960er Jahren spricht der Physiker und Romanautor C. P. Snow von den „zwei Kulturen“ der „literarischen und naturwissenschaftlichen Intelligenz“.4
Das populäre Sachbuch, das (auch) dazu dient, komplexe Wissenschaft verständlich und lesbar zu präsentieren, gerät zunehmend in die Ecke der seichten Unterhaltung. Journalistisch ausgebildete Sachbuchautorinnen werden genialen Poeten gegenübergestellt, so David Oels, die handwerklich solide Sachbuchproduktion der „Kunst des Belletristikdichtens“.5 Diese Sicht schlägt sich auf die Rezeption (und in Verlängerung auf die Betrachtung und Bewertung von Übersetzungen) nieder.
Die Betonung des „Handwerks“ hat sicher mit dem hybriden Charakter des Sachbuchs zu tun: Es darf „sich von Fall zu Fall fiktiver Charaktere, großer Erzählungen, typisierender Wahrnehmungen und persönlicher Erfahrungen, also genuin literarischer Strategien bedienen, ohne Tabellen, Formeln, Karten oder andere eher wissenschaftliche Darstellungsmodi aufzugeben“.6 Um diesen hybriden Gebilden und ihrer Übersetzung gerecht zu werden, empfiehlt es sich, den Unterschieden zwischen Belletristik und Sachbüchern nachzugehen, ohne die Gemeinsamkeiten und die fließenden Übergänge aus dem Auge zu verlieren.
Ich möchte daher drei gängige Unterscheidungsmerkmale zwischen Fiction und Nonfiction vorstellen (und teilweise wieder einschränken) und an Beispielen aus der Praxis illustrieren, welche besonderen Herausforderungen sich für das Sachbuchübersetzen ergeben. Ich beschränke mich dabei auf die Untergenres, die ich aus eigener Übersetzungstätigkeit kenne.
Die Referentialisierbarkeit des Inhalts: Recherche
Als zentrales Unterscheidungskriterium zwischen Fiction und Nonfiction gilt die Referentialisierbarkeit des Inhalts: Ein Sachbuch verhandelt Wirklichkeit, ein Roman schafft Fiktion. Grenzfälle wie autofiktionales oder dokumentarisches Erzählen markieren auf Seiten des Romans die Übergänge. Der starke Wirklichkeitsbezug bringt in der Übersetzungsarbeit ein erhebliches Maß an Terminologie‑, Sach- und Zitatrecherche mit sich. Recherchiert werden muss immer, wenn man ein Sachgebiet nicht dank vertiefter Vorbildung im Schlaf beherrscht.
So sind in einem historischen Sachbuch über die NS-Zeit deutsche Begriffe aus dem Englischen ins Deutsche zurück zu übertragen. Zur Illustration habe ich hier ein paar Sätze aus Original und Übersetzung von Mark Mazowers Hitler in Griechenland gegenübergestellt; markiert sind die Begriffe, die allein in diesem kurzen Absatz zu klären waren. Man sieht, dass in Einzelfällen, oft ausgelöst durch Quellenzitate im Umfeld (die natürlich zu recherchieren waren), für den historisch unspezifischen englischen Begriff auch mal die konkrete deutsche Bezeichnung gewählt wurde, zum Beispiel für „reports“ ganz unten „Feindlageberichte“.
At Army Group E headquarters outside Salonika it was the intelligence department (Ic/AO) which collected material on the guerillas. The chief analyst on Löhr’s staff was Hans Wende who had been a teacher at the German School in Athens before the war. […] As head of the ‘Greek Resistance Movement‘ section of the Ic department, subordinated to a certain Lieutenant Kurt Waldheim, he had access to information from field commanders, counter-intelligence agents and the local military police. Contacts with anti-communist circles in Athens provided further material. He wrote the first report on ‘the bandit situation in Greece’ in April 1943, at the request of General Winter, Löhrs chief of staff, and within several months was producing reports regularly.
Im Hauptquartier der Heeresgruppe E bei Saloniki befand sich die Geheimdienstabteilung (Ic/AO), die Informationen über die Partisanen sammelte. Zuständig für »Bandenangelegenheiten« war in Löhrs Mannschaft Hans Wende, der vor dem Krieg als Lehrer an der Deutschen Schule in Athen unterrichtet hatte. […] Als Leiter des Referats »Griechische Widerstandsbewegung« der Abteilung Ic war er einem gewissen Oberleutnant Kurt Waldheim unterstellt, der Zugang zu den Informationen der Feldgendarmerie, des Sicherheitsdienstes und der Geheimen Feldpolizei hatte. Kontakte mit antikommunistischen Zirkeln in Athen erbrachten weiteres Material. Seinen ersten Bericht über die »Bandenlage in Griechenland« verfasste Wende im April 1943 auf Anordnung von Löhrs Generalstabschef Generalmajor August Winter, und nach einigen Monaten schrieb er regelmäßig Feindlageberichte.
Im populärwissenschaftlichen Sachbuch (und für die tiefere wissenschaftliche und historiografische Übersetzung gilt das erst recht) sollte die Kenntnis des Fachbereichs so weit gehen, dass „Anspielungen und Andeutungen“ verstanden werden; Ernst-Peter Wieckenberg hob in seiner Laudatio zur Verleihung des Wieland-Übersetzerpreises 1991 an Holger Fliessbach die Fähigkeit des Übersetzers hervor, auch das „Mitgemeinte, Angedeutete und durch Anspielungen Herbeizitierte in den deutschen Text“ hinüberzutragen.7
Wird im Original ein Sachverhalt für die breite Leserschaft vereinfacht dargestellt, muss die Übersetzerin ihn erst verstanden haben, ehe sie ihn auch im Deutschen mit einfachen Worten formulieren kann. Hier ein Beispiel aus Darwins Hund, einem populärwissenschaftlichen Sachbuch des britischen Genetikers Bryan Sykes, der bei der Beschreibung der Reduktionsteilung von Keimzellen weitgehend auf Fachbegriffe (Gamet, haploid, diploid, Meiose I) verzichtet:
Within the germ cells that go on to become sperm and eggs the pairs of chromosomes begin to dance with each other, moving closer and closer until they are touching. At these fleeting contacts something truly amazing happens. The chromosomes, those long strands of DNA, actually break and re-form with their dance partner. The embrace is short-lived and is over in a matter of seconds. The entwined chromosomes break the clinch and move apart.
In den Keimzellen, die später Spermien und Eizellen werden, beginnen die Chromosomenpaare miteinander zu tanzen, kommen einander immer näher, bis sie sich berühren. Bei diesen flüchtigen Kontakten geschieht etwas wahrhaft Fantastisches. Die Chromosomen, diese langen DNA-Ketten, brechen auf und ordnen sich mit ihren Tanzpartnern neu. Die Umarmung ist nach Sekunden schon wieder vorüber. Die verschlungenen Chromosomen lösen und entfernen sich voneinander.
Sachbuchübersetzen ist in diesem Sinne oft doppeltes Übersetzen: Es ist die Übertragung von einer Sprache in die andere, aber auch der Transfer von einer komplexen Fachebene auf ein allgemein verständliches Niveau. Das trifft in besonderem Maß auf das Übersetzen von Kinder- und Jugendsachbüchern zu.
Sehr viel Zeit beansprucht oft die Zitatrecherche; Endnotenapparat und Bibliografie müssen entsprechend bearbeitet und angepasst werden. Meist gilt es, vorhandene deutsche Übersetzungen zu recherchieren, besonders kompliziert wird es aber, wenn ursprünglich deutsche Textstellen wieder ins Deutsche geholt werden müssen. Für Benjamin Balints Buch über die israelischen Prozesse um den Nachlass Max Brods (inklusive diverser Schriften und Skizzen Franz Kafkas) waren weit über 500 überwiegend unbelegte, zum Teil sehr kurze Zitate Kafkas und anderer Schriftsteller zu recherchieren, die der Autor aus der englischsprachigen Sekundärliteratur übernommen hatte. Im folgenden Beispiel lässt sich an der deutschen Endnote der Umfang der Arbeit ablesen:
Kafka regarded the ending of „The Metamorphosis,” to take another example, as „imperfect almost to its very marrow.” On the one hand, Kafka was aware of „the enormous world I have inside my head.“ On the other, he recognized that „the inner world can only be lived, not described.“ („I am constantly trying to communicate something incommunicable,“ he wrote.) „Almost every word I wrote jars against the next,“ he noted in 1910. „My doubts stand in a circle around every word.“
[Keine Endnote]
So urteilte Kafka über das Ende von „Die Verwandlung“: „Unvollkommen fast bis in den Grund.“ Die „ungeheuere Welt, die ich im Kopfe habe“ war ihm bewusst, aber: „Die innere Welt läßt sich nur leben, nicht beschreiben.“ An Milena schrieb er 1920, „ich suche nur immerfort etwas Nicht-Mitteilbares mitzuteilen“, und schon 1910 hatte er in seinem Tagebuch beklagt: „Kein Wort fast das ich schreibe paßt zum andern […]. Meine Zweifel stehn um jedes Wort im Kreis herum“.
[Endnote:] Kafka, 12. Januar 1914, in: Tagebücher, S. 624; 21. Juni 1913, S. 562. Nachgelassene Schriften und Fragmente 2, S. 32. Kafka an Milena Pollak, 26. November 1920, in: Briefe 4, S. 372. 15. Dezember 1910, in: Tagebücher, S. 130.
Drei Wochen dauerte in diesem Fall (für rund 350 Normseiten) allein die Zitatrecherche im Internet und in der Universitätsbibliothek, ehe an Übersetzungsarbeit überhaupt zu denken war. Auch der „Einbau“ von Zitaten ist kein mechanischer Vorgang: Manchmal muss der Zitatausschnitt aus syntaktischen oder logischen Gründen verändert werden, manchmal empfiehlt es sich, einen Namen, eine Zeit- oder Ortsangabe einzufügen, damit Zusammenhänge deutlich werden.
Ohne Internetsuche, Google Books, archive.org, die Digitalen Sammlungen und die vielen universitären Quellen ist dieser Teil der Übersetzungsarbeit heute kaum vorstellbar. In jedem Fall will der Umgang mit Zitaten und Zitatbelegen gelernt sein, und die meisten von uns haben die erforderlichen Kenntnisse in einem Studium erworben.
Erzählinstanz(en): Stimmen, Haltung und Ton
Als Unterscheidungsmerkmal von Belletristik und Sachtexten wird gern die Kommunikationssituation angeführt: Im Sachbuch, lernen wir schon in der Schule, fehle tendenziell die Erzählinstanz, die Autorin richte ihren Erzähltext direkt aus einer allwissenden oder auch beteiligten Warte an den Leser, wohingegen im Roman eine oder mehrere Erzählstimmen aus personaler oder auktorialer Perspektive beziehungsweise in Ich/Wir-Form zwischengeschaltet seien.
Die Annahme eines auktorialen Autor-Erzählers, der sich nur auf Wissen und Fakten bezieht, legt für das Sachbuch aber eine eindimensionale und einstimmige Erzählung nahe, die sich so nur selten findet. Hilfreich finde ich den Hinweis der Kollegin Christine Ammann auf das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun: Danach sind in jeder Äußerung eines Senders vier Botschaften enthalten: „Selbstkundgabe“, „Sachinhalt“, „Beziehungshinweis“ und „Appell“.8 In der Sachliteratur können bei einer größeren Gewichtung von Sachinhalt und Appell die beiden anderen Elemente – Ich- und Beziehungsaussagen – stärker oder schwächer ausgeprägt sein und den Text damit mehr oder weniger in Richtung des Romans rücken. Mit einem solchen Modell lassen sich fließende Übergänge zwischen Fiction und Nonfiction gut darstellen.
Im Roman gibt es für die Zahl der Stimmen eine große Bandbreite, die von einer mehrperspektivischen Erzählweise und einem breiten Figurenpersonal mit ausgeprägter Stimmendifferenzierung bis zum Bewusstseinsstrom einer einzigen Erzählstimme reicht. Als Beispiel für das Nebeneinander mehrerer Stimmen im Sachbuch möchte ich Susan Faludis Die Perlenohrringe meines Vaters anführen, das ich gemeinsam mit Judith Elze übersetzt habe. Die US-amerikanische Journalistin Susan Faludi beschäftigt sich darin mit dem komplizierten Begriff der „Identität“, erzählt von sich und ihrem Vater, von ihrer Kindheit in den USA, von der Jugend ihres jüdischen Vaters im nationalsozialistischen Budapest, von der Wiederannäherung an den transsexuellen Vater in Ungarn.
Darüber hinaus referiert sie Hintergründe unter anderem zur ungarischen Geschichte, zur Identitätsforschung und zur Geschichte der Transsexualität. Das Hauptthema „Identität“ – Gender und Geschlecht, religiöse, familiäre, kulturelle, soziale, nationale Zugehörigkeit und so weiter – wird aus allen möglichen Perspektiven beleuchtet, und mit jeder Perspektive und jeder Erzählebene ändert sich der Ton. So sprechen zum Thema „Jüdischsein“ verschiedene Stimmen: die der referierenden Erzählerin/Autorin, die der Betroffenen/Autorin, die der erlebenden Erzählerin/Autorin und die Figurenstimme des Vaters.
Wie der Historiker Viktor Karády 2002 im Katalog zu der Ausstellung „Die Jüdin“ im Ungarischen Jüdischen Museum anmerkte, trugen die Jüdinnen im Ungarn der Jahrhundertwende entscheidend dazu bei, das „Verhaltensmodell der westlichen Mittelschichtfrau“ zu definieren und zu legitimieren.
Ich bin eine Jüdin, die in einem antisemitisch geprägten Umfeld groß wurde. Ich bin eine Frau, die als Mädchen mit den sexistischen Stereotypen der frühen Sechziger aufwuchs. Meine Vorstellung davon, wer ich bin, sofern ich die Koordinaten überhaupt festmachen kann, rührt offenbar aus einem Widerstand her, aus der Weigerung, mich zu fügen.
Mein Vater fuchtelte mit dem Schal herum und beugte sich zu mir, um mir mit weithin vernehmbarer Theaterstimme ins Ohr zu flüstern: „Ich weiß schon, was die denken. Die schauen mich an und denken sich: ‚Was für eine aufgedonnerte Schickse.‘“
Im Sachbuch werden Fakten oder Meinungen referiert, Zeuginnen befragt, Gewährsleute zitiert, eigene Erlebnisse und Erfahrungen eingebracht, Anekdoten erzählt. Entsprechend verändern sich Haltung und Ton: Er kann dozierend, nachdenklich, belustigt, ironisch, anklagend, arrogant, betroffen, wütend oder polemisch sein, manchmal alles in einem Buch. Es kommt auch vor, dass sich eine spezifische Haltung durch ein ganzes Buch zieht und den Ton sowohl der referierenden Passagen als auch der Erinnerungen prägt, etwa die Ironie in Belén Fernández’ Exil in der Welt, die hier das Heraufbeschwören von Ängsten in den USA beklagt:
In addition to the usual domestic suspects—blacks, poor people, immigrants, and so on—the wider world has proved fertile terrain for the manufacture of any number of freedom-imperiling demons. I personally came along too late to fully appreciate the whole Soviet scare, but I was introduced at the age of eight to the concept of Saddam Hussein, who, my fourth-grade teacher at St. Theresa’s informed us, could bomb our classroom at any minute.
Neben den üblichen Verdächtigen im eigenen Lande – Schwarzen, Armen, Einwanderern und so weiter – hat sich die große weite Welt als fruchtbare Quelle für die Fabrikation freiheitsgefährdender Dämonen bewährt. Ich kam zu spät auf diese Welt, um die sowjetische Gefahr in ihrer vollen Pracht zu würdigen, lernte aber im Alter von acht Jahren das Modell Saddam Hussein kennen, der, wie uns unsere Lehrerin in der vierten Klasse von St. Theresa erklärte, jede Minute Bomben auf unser Klassenzimmer werfen konnte.
Wenn besonders im journalistisch geprägten Sachbuch eigene Erinnerungen eingeflochten werden, stellt sich oft ein selbstironischer, ein melancholischer oder ein betroffener Ton ein, so in Scott Stossels Buch Angst, in dem der Journalist die Darstellung kulturhistorischer, medizinischer und pharmakologischer Erkenntnisse mit der Schilderung eigener Erfahrungen anreichert:
But none of these treatments have fundamentally reduced the underlying anxiety that seems woven into my soul and hardwired into my body and that at times makes my life a misery. As the years pass, the hope of being cured of my anxiety has faded into a resigned desire to come to terms with it, to find some redemptive quality or mitigating benefit to my being, too often, a quivering, quaking, neurotic wreck.
Doch die Grundangst, die offenbar in meine Seele eingewoben und fest mit meinem Körper verdrahtet ist und die mir das Leben zeitweise zur Qual macht, konnte keine dieser Behandlungen nachhaltig reduzieren. Mit den Jahren ist die Hoffnung, von meiner Angst geheilt zu werden, dem eher resignativen Wunsch gewichen, mich mit ihr zu arrangieren und dem Umstand, dass ich allzu oft ein schlotterndes neurotisches Wrack bin, etwas Tröstliches oder gar Befreiendes abzugewinnen.
Sachbuch: sprachliche Gestaltung und Verständlichkeit
Neben Wirklichkeitsbezug und Kommunikationssituation wird für die Abgrenzung zum Sachbuch oft die „Literarizität“ der Fiktion herangezogen. Doch literarische Mittel kommen natürlich nicht nur in fiktiven Texten zum Einsatz, die Bandbreite der Ausgestaltung ist von Sachbuch zu Sachbuch, von Roman zu Roman enorm. Nicht jede Sachbuchautorin trägt metaphorisch so dick auf wie Laurie Penny in Sexuelle Revolution:
It’s not that there are no facts under the morass of evolutionary mysticism. It’s not that there is no solid research, that there are no plausible theories in there; but these crisp slices of genuine scientifi c enquiry are battered in the heavy crumb of convenient fictions, deep-fried in received wisdom and smothered in the special sauce of popular prejudice so they’re easier to swallow for those who already have their mouths full of comforting lies. That stuff isn’t good for you. Eventually it settles in around your heart.
Nicht, dass sich unter dem Morast der Evolutionsmystik keinerlei Fakten verbergen würden. Nicht, dass es keine solide Forschung, keine plausiblen Theorien gäbe, aber diese hauchdünnen Scheibchen echter wissenschaftlicher Forschung sind im schweren Frittierteig zweckmäßiger Fiktionen gewälzt, in überliefertem Wissen ausgebacken und mit der Spezialsoße populärer Vorurteile übergossen, damit sie für all jene, die den Mund schon mit tröstlichen Lügen voll haben, leichter zu schlucken sind. Das Zeug ist nicht gut für uns. Am Ende setzt es sich als Verkalkung am Herzen ab.
Eine besondere Schwierigkeit im Sachbuch liegt oft darin, den individuellen Stil und die verwendeten literarischen Mittel mit der gebotenen Verständlichkeit auszutarieren. Grundsätzlich unterscheiden sich die rhetorischen und literarischen Mittel der Wissensunterhaltung aber nicht von denen anderer Genres. Neben Bildern und Klangfiguren, Satz- und Wortfiguren umfassen sie auch erlebte Rede, episches Präsens, dialogische Einschübe, Spannung und Humor.
Sachbuchtypisch ist dagegen die Präsentation wissenschaftlicher Erkenntnisse und das Formulieren und Strukturieren von Argumenten unter Verwendung der entsprechenden rhetorischen Mittel. Im Sachbuch werden Hypothesen und Positionen vertreten oder verworfen, Fakten referiert oder relativiert, Traditionen fortgeführt oder dekonstruiert. Ein wesentlicher Bestandteil der Übersetzungsarbeit ist daher neben der oben erwähnten terminologischen Genauigkeit auch die nachvollziehbare und stilistisch adäquate Darstellung von Fakten oder Argumenten. Zum Schluss eine Passage aus Christopher Hitchens’ religionskritischem Buch Der Herr ist kein Hirte, die zeigt, wie stark Argumentation und Faktenvermittlung stilistisch geformt sein können. Hitchens war bekannt für seine an Sarkasmus grenzende Ironie:
There is great adaptability between the pig and its environment, as witness wild boars and “feral pigs” as opposed to the placid porkers and frisky piglets of our more immediate experience. But the cloven hoof, or trotter, became a sign of diabolism to the fearful, and I dare say that is easy to surmise which came first – the devil or the pig. It would be merely boring and idiotic to wonder how the designer of all things conceived such a versatile creature and then commanded his higher-mammal creation to avoid it altogether or risk his eternal displeasure. But many otherwise intelligent mammals affect the belief that heaven hates ham.
Schweine passen sich hervorragend an ihre Umgebung an, wie man am Unterschied zwischen Wildschweinen und verwilderten Tieren auf der einen und den uns vertrauten friedfertigen Mastschweinen mit ihren munteren Ferkeln auf der anderen Seite gut beobachten kann. Doch für die Ängstlichen wurden die Schweinsklauen der Paarhufer zu einem Symbol für das Diabolische, wobei es, so wage ich zu behaupten, leicht zu erraten ist, was zuerst da war – der Teufel oder das Schwein. Die Frage, warum der Schöpfer aller Dinge so eine vielseitige Kreatur schuf und dann seiner höher entwickelten Säugetierschöpfung befahl, einen weiten Bogen um sie zu machen, wenn sie nicht sein ewiges Missfallen riskieren wolle, ist müßig und überflüssig. Trotzdem hängen viele ansonsten intelligente Säugetiere dem Glauben an, der Schöpfer könne Schinken nicht ausstehen.
Die besonderen Anforderungen des Sachliteraturübersetzens
Als hybrides Genre, würde ich behaupten, stellt das Sachbuch somit besondere Anforderungen an die Übersetzerin: Neben sprachliche und stilistische Überlegungen tritt die intensive Auseinandersetzung mit Weltwissen, Mutmaßungen, Meinungen, kulturellen Diskursen. Diese Kombination aus literarischer Gestaltung und intensivem Wirklichkeitsbezug setzt das Sachbuch von der Fiktion ab. Allerdings sind die Grenzen zur Fiktion fließend, besonders in Hinblick auf Erzählstimmen, Haltung und Ton sowie den Einsatz literarischer Mittel.
Ein Wort zum urheberrechtlichen Status der Sachliteratur
Trotzdem hört man hin und wieder, Sachbuchübersetzungen seien urheberrechtlich gar nicht geschützt. Diese Aussage entbehrt jeder Grundlage. Für die Übersetzung eines Sachbuchs wird wie für jedes andere Buch ein Verlagsvertrag unterschrieben, der urheberrechtliche Regelungen enthält, und auch die geforderte „Schöpfungshöhe“ ist (wie gezeigt) in der Regel gegeben. Sachbücher stellen nicht grundsätzlich niedrigere Anforderungen an die sprachliche Kreativität der Übersetzerin als belletristische Werke, sie stellen teilweise andere Anforderungen. In allen Genres gibt es komplexere und weniger komplexe Texte. Der Gestaltungsfreiraum, den das Lektorat dem Übersetzer einräumt, ist im Sachbuch häufig sogar größer, weil besonderer Wert auf Verständlichkeit gelegt wird. Das kann in Einzelfällen so weit gehen, dass die Übersetzerin zur Koautorin wird (ähnlich übrigens wie in vielen Titeln der „Unterhaltungsliteratur“, in denen die Übersetzerinnen das fehlende Originallektorat ersetzen).9
Meine Bemerkungen zur Übersetzung von Sachliteratur sind nur ein kursorischer Überblick. In jüngster Zeit gab es einige hilfreiche Wortmeldungen und Beiträge zum Thema, weitere Betrachtungen zu anderen Untergenres und speziellen übersetzungstechnischen Aspekten wären aus meiner Sicht wünschenswert.10 Die Komplexität des Nature Writing und seiner Übersetzung werden mittlerweile völlig zu Recht gewürdigt. Diese Wertschätzung verdienen auch die anderen Bereiche der Sachliteratur samt der großen Bandbreite an Herausforderungen, die mit ihrer Übersetzung einhergehen.
Nach der Katastrophe
In eigenen Sphären
Verlorene Kindheit
Im Portrait: Thomas Weiler
Neues von der Meisterin des Minimalismus
„Die Systeme weisen den Menschen bestimmte Rollen zu, nicht umgekehrt“
- Den C. H. Beck-Preis für Sachbuchübersetzungen gibt es schon seit vielen Jahren nicht mehr. Als der Freundeskreis 2021 den Christoph-Martin-Wieland-Preis für Sachbücher auslobte, gingen über 80 Bewerbungen ein; den Preis erhielten Monika Niehaus und Bernd Schuh. Eine löbliche Ausnahme bildet das Nature Writing: Für Übersetzungen aus diesem Bereich wurden in den letzten Jahren hoch verdient Christine Ammann (Förderpreis des Straelener Übersetzerpreises 2016) sowie Andreas Jandl und Frank Sievers (Christoph Martin-Wieland-Preis 2017 für Reise- und Naturbeschreibung) ausgezeichnet.
- Das Projekt rückte 2004 bis 2008 unter Leitung von Erhard Schütz und Stephan Porombka Entwicklung und Poetik des Sachbuchs in den Fokus. Die Arbeitsblätter für die Sachbuchforschung sind hier nachzulesen. Forschungen zum Sachbuch finden sich auch in der im Wehrhahn Verlag erschienenen Reihe Non Fiktion: Arsenal der anderen Gattungen.
- Helmut Kreuzer, „Biographie, Reportage, Sachbuch: Zu ihrer Geschichte seit den zwanziger Jahren“, Arbeitsblätter für die Sachbuchforschung 8, Berlin / Hildesheim 2006, S. 8.
- C. P. Snow, Die zwei Kulturen: Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz, übers. von Grete und Karl-Eberhardt Felten, Stuttgart: Klett 1967.
- David Oels, „Mit hundert Sachen erzählen: Sachbuch, Literatur und die Wiederkehr des Erzählens“, Arbeitsblätter für die Sachbuchforschung 5, Berlin / Hildesheim 2005, S. 14.
- Andy Hahnemann, „Aus der Ordnung der Fakten“, Arbeitsblätter für die Sachbuchforschung 9, Berlin / Hildesheim 2006, S. 8.
- Ernst-Peter Wieckenberg, „Laudatio zur Verleihung des Wieland-Übersetzerpreises 1991 an Holger Fliessbach“, in: Der Übersetzer 25, Nr. 9/10 (Sept./Okt. 1991), S. 3.
- Christine Ammann, „Nature Writing: Natur übersetzen“, in: Handbuch Literarisches Übersetzen 2.0, hrsg. von Katrin Harlaß, Berlin: BDÜ Fachverlag, 2022, S. 32–39, S. 34. Zum Modell vgl. Website des Schulz von Thun Instituts für Kommunikation
- Zur Schöpfungshöhe siehe Wikipedia. Vor Gericht wurde die Frage, ob Sachbücher anders zu behandeln sind als belletristische Werke oder Lyrik, übrigens nie dezidiert behandelt. Ein Urteil gibt es nur zur Frage, ob für die Übersetzung von Betriebsanleitungen eine Abgabepflicht zur Künsterlsozialkasse besteht (Urteil: nein).
- Im Bereich Nature Writing Christine Ammann (siehe EN 11), Frank Sievers, „Der eisig sprödende Nordwind: Szenen vom Übersetzen der Natur“, 21.09.2022; im Bereich Kulturtheorie Jennifer Sophia Theodor, „Aus der Feder einer Krähe“, in: Übersetzen 1/2019, S. 1 f.; im Bereich Wissenschaft Achim Wurm, „Übersetzen jenseits des Fiktionalen“, in: Übersetzen 2/2022, S. 10; im Bereich layoutgebunde Sachbücher Susanne Schmidt-Wussow, „Von Igelstrichen und Pullquotes: Layoutgebundene Sachbücher übersetzen“, in Handbuch Literarisches Übersetzen 2.0, S. 40–43.