Über das Über­set­zen von Sachliteratur

Wer Sachbücher ins Deutsche bringt, stößt dabei auf eine Vielzahl von Herausforderungen. Trotzdem bleibt der Berufstand weitestgehend unsichtbar. Von

Zwei Hände tippen auf Laptop-Tastatur
Auch Sachbuchübersetzer:innen hauen in die Tasten. Bild: Kaitlyn Baker Unsplash

Bücher über den Stand der Kli­ma­kri­se, den Ers­ten Welt­krieg, inter­sek­tio­na­len Femi­nis­mus, die Evo­lu­ti­on, die Skan­da­le des letz­ten US-Prä­si­den­ten, die bra­si­lia­ni­sche Küche, ver­ti­ka­le Gär­ten, Rei­sen nach Aus­tra­li­en: Das und mehr ist gemeint, wenn man in der Buch­bran­che vom „Sach­buch“ spricht. Zur Non­fic­tion gehö­ren unter ande­rem popu­lär­wis­sen­schaft­li­che Sach­bü­cher, Essays, Bio­gra­fien, Auto­bio­gra­fien, Rat­ge­ber diver­ser Sach­ge­bie­te, Rei­se­füh­rer, Koch­bü­cher, Bild­bän­de und Jugend­sach­bü­cher. Eng ver­wand­te Gen­res sind Fach­bü­cher, wis­sen­schaft­li­che und his­to­rio­gra­fi­sche Wer­ke. Auf den Buch­mes­sen wei­sen Schil­der zu „Sach­buch und Lite­ra­tur“, was zu der Fra­ge führt: Sind Sach­bü­cher etwa kei­ne Lite­ra­tur? Wenn doch, wor­in unter­schei­den sie sich von der Bel­le­tris­tik? Und was bedeu­tet das für die Über­set­zung von Sachtexten? 

Ich über­set­ze seit über 25 Jah­ren neben Bel­le­tris­tik und Jugend­bü­chern vor allem popu­lär­wis­sen­schaft­li­che und poli­ti­sche Sach­bü­cher, mei­nungs­star­ke essay­is­ti­sche Titel, Bio­gra­fien und Memoirs aus dem Eng­li­schen. Die meis­ten Bücher habe ich gern ins Deut­sche gebracht, und fast immer habe ich etwas gelernt. Wenn ich mich aber mit Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen unter­hal­te, kommt das Gespräch fast zwangs­läu­fig auf die frus­trie­ren­den Aspek­te unse­res Arbeits­fel­des: Sti­pen­di­en­be­wer­bun­gen mit Sach­buch­über­set­zun­gen blei­ben beson­ders oft erfolg­los, in Sach­buch­re­zen­sio­nen auch gro­ßer Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten wird noch häu­fi­ger als ohne­hin schon unter­schla­gen, dass es sich über­haupt um Über­set­zun­gen han­delt, und für die Über­set­zung von Non­fic­tion wer­den so gut wie kei­ne Prei­se ver­ge­ben: Von den 60 Über­set­zer­prei­sen in der Sti­pen­di­en­da­ten­bank des VdÜ berück­sich­ti­gen nur sechs (theo­re­tisch) auch Sach­bü­cher.1 Die Fol­ge: Vie­le, die schwer­punkt­mä­ßig Sach­li­te­ra­tur über­set­zen, haben das Gefühl, in unse­rer Zunft der Unsicht­ba­ren die Aller­un­sicht­bars­ten zu sein.

Um dem Phä­no­men nach­zu­spü­ren, habe ich ein Bro­ckes-Sti­pen­di­um des Deut­schen Über­set­zer­fonds unter ande­rem dazu genutzt, den nahe­lie­gen­den Fra­gen nach­zu­ge­hen: Wor­in unter­schei­det sich das Sach­buch eigent­lich vom Roman? Wel­che spe­zi­fi­schen Schwie­rig­kei­ten stel­len sich bei der Über­set­zung von Sach­tex­ten? Zuerst aber: Wie ist es über­haupt zur Tren­nung zwi­schen „Sach­buch“ und „Lite­ra­tur“ gekommen?

„Lite­ra­tur“ ver­sus „Sach­buch“?

Eini­ge Ant­wor­ten auf die Fra­ge, war­um sich Fik­ti­on und Non­fic­tion his­to­risch aus­ein­an­der­ent­wi­ckelt haben, geben Auf­sät­ze, die im Rah­men des ger­ma­nis­ti­schen For­schungs­pro­jekts „Das popu­lä­re Sach­buch im 20. Jahr­hun­dert“ ent­stan­den sind.2 In aller Kür­ze lässt sich sagen, dass der „Tren­nungs­pro­zess“ zwi­schen Lite­ra­tur und Wis­sen­schaft ins 19. Jahr­hun­dert zurück­geht, so Hel­mut Kreu­zer: „Bis ins 18. Jahr­hun­dert sind bei­de Berei­che prak­tisch benach­bart und ver­floch­ten, auch wenn (in aris­to­te­li­scher Tra­di­ti­on) der Wis­sen­schaft mehr das Wirk­li­che, der Dich­tung mehr das Mög­li­che als spe­zi­el­le Domä­ne zuge­wie­sen wird.“ 3 Nach und nach aber tut sich eine Kluft auf zwi­schen Kul­tur, Küns­ten, Bil­dungs­gü­tern, dem Indi­vi­du­um einer­seits und Natur­wis­sen­schaf­ten, Tech­nik, Wis­sen, der Welt ande­rer­seits. In den 1960er Jah­ren spricht der Phy­si­ker und Roman­au­tor C. P. Snow von den „zwei Kul­tu­ren“ der „lite­ra­ri­schen und natur­wis­sen­schaft­li­chen Intel­li­genz“.4 

Das popu­lä­re Sach­buch, das (auch) dazu dient, kom­ple­xe Wis­sen­schaft ver­ständ­lich und les­bar zu prä­sen­tie­ren, gerät zuneh­mend in die Ecke der seich­ten Unter­hal­tung. Jour­na­lis­tisch aus­ge­bil­de­te Sach­buch­au­torin­nen wer­den genia­len Poe­ten gegen­über­ge­stellt, so David Oels, die hand­werk­lich soli­de Sach­buch­pro­duk­ti­on der „Kunst des Bel­le­tris­tik­dich­tens“.5 Die­se Sicht schlägt sich auf die Rezep­ti­on (und in Ver­län­ge­rung auf die Betrach­tung und Bewer­tung von Über­set­zun­gen) nieder. 

Die Beto­nung des „Hand­werks“ hat sicher mit dem hybri­den Cha­rak­ter des Sach­buchs zu tun: Es darf „sich von Fall zu Fall fik­ti­ver Cha­rak­te­re, gro­ßer Erzäh­lun­gen, typi­sie­ren­der Wahr­neh­mun­gen und per­sön­li­cher Erfah­run­gen, also genu­in lite­ra­ri­scher Stra­te­gien bedie­nen, ohne Tabel­len, For­meln, Kar­ten oder ande­re eher wis­sen­schaft­li­che Dar­stel­lungs­mo­di auf­zu­ge­ben“.6 Um die­sen hybri­den Gebil­den und ihrer Über­set­zung gerecht zu wer­den, emp­fiehlt es sich, den Unter­schie­den zwi­schen Bel­le­tris­tik und Sach­bü­chern nach­zu­ge­hen, ohne die Gemein­sam­kei­ten und die flie­ßen­den Über­gän­ge aus dem Auge zu verlieren.

Ich möch­te daher drei gän­gi­ge Unter­schei­dungs­merk­ma­le zwi­schen Fic­tion und Non­fic­tion vor­stel­len (und teil­wei­se wie­der ein­schrän­ken) und an Bei­spie­len aus der Pra­xis illus­trie­ren, wel­che beson­de­ren Her­aus­for­de­run­gen sich für das Sach­buch­über­set­zen erge­ben. Ich beschrän­ke mich dabei auf die Unter­gen­res, die ich aus eige­ner Über­set­zungs­tä­tig­keit kenne.

Die Refe­ren­tia­li­sier­bar­keit des Inhalts: Recherche

Als zen­tra­les Unter­schei­dungs­kri­te­ri­um zwi­schen Fic­tion und Non­fic­tion gilt die Refe­ren­tia­li­sier­bar­keit des Inhalts: Ein Sach­buch ver­han­delt Wirk­lich­keit, ein Roman schafft Fik­ti­on. Grenz­fäl­le wie auto­fik­tio­na­les oder doku­men­ta­ri­sches Erzäh­len mar­kie­ren auf Sei­ten des Romans die Über­gän­ge. Der star­ke Wirk­lich­keits­be­zug bringt in der Über­set­zungs­ar­beit ein erheb­li­ches Maß an Terminologie‑, Sach- und Zitat­re­cher­che mit sich. Recher­chiert wer­den muss immer, wenn man ein Sach­ge­biet nicht dank ver­tief­ter Vor­bil­dung im Schlaf beherrscht. 

So sind in einem his­to­ri­schen Sach­buch über die NS-Zeit deut­sche Begrif­fe aus dem Eng­li­schen ins Deut­sche zurück zu über­tra­gen. Zur Illus­tra­ti­on habe ich hier ein paar Sät­ze aus Ori­gi­nal und Über­set­zung von Mark Mazowers Hit­ler in Grie­chen­land gegen­über­ge­stellt; mar­kiert sind die Begrif­fe, die allein in die­sem kur­zen Absatz zu klä­ren waren. Man sieht, dass in Ein­zel­fäl­len, oft aus­ge­löst durch Quel­len­zi­ta­te im Umfeld (die natür­lich zu recher­chie­ren waren), für den his­to­risch unspe­zi­fi­schen eng­li­schen Begriff auch mal die kon­kre­te deut­sche Bezeich­nung gewählt wur­de, zum Bei­spiel für „reports“ ganz unten „Feind­la­ge­be­rich­te“.

At Army Group E head­quar­ters out­side Salo­ni­ka it was the intel­li­gence depart­ment (Ic/AO) which coll­ec­ted mate­ri­al on the gue­ril­las. The chief ana­lyst on Löhr’s staff was Hans Wen­de who had been a tea­cher at the Ger­man School in Athens befo­re the war. […] As head of the ‘Greek Resis­tance Move­ment‘ sec­tion of the Ic depart­ment, sub­or­di­na­ted to a cer­tain Lieu­ten­ant Kurt Wald­heim, he had access to infor­ma­ti­on from field com­man­ders, coun­ter-intel­li­gence agents and the local mili­ta­ry poli­ce. Cont­acts with anti-com­mu­nist cir­cles in Athens pro­vi­ded fur­ther mate­ri­al. He wro­te the first report on ‘the ban­dit situa­ti­on in Greece’ in April 1943, at the request of Gene­ral Win­ter, Löhrs chief of staff, and within seve­ral months was pro­du­cing reports regularly. 

Im Haupt­quar­tier der Hee­res­grup­pe E bei Salo­ni­ki befand sich die Geheim­dienst­ab­tei­lung (Ic/AO), die Infor­ma­tio­nen über die Par­ti­sa­nen sam­mel­te. Zustän­dig für »Ban­den­an­ge­le­gen­hei­ten« war in Löhrs Mann­schaft Hans Wen­de, der vor dem Krieg als Leh­rer an der Deut­schen Schu­le in Athen unter­rich­tet hat­te. […] Als Lei­ter des Refe­rats »Grie­chi­sche Wider­stands­be­we­gung« der Abtei­lung Ic war er einem gewis­sen Ober­leut­nant Kurt Wald­heim unter­stellt, der Zugang zu den Infor­ma­tio­nen der Feld­gen­dar­me­rie, des Sicher­heits­diens­tes und der Gehei­men Feld­po­li­zei hat­te. Kon­tak­te mit anti­kom­mu­nis­ti­schen Zir­keln in Athen erbrach­ten wei­te­res Mate­ri­al. Sei­nen ers­ten Bericht über die »Ban­den­la­ge in Grie­chen­land« ver­fass­te Wen­de im April 1943 auf Anord­nung von Löhrs Gene­ral­stabs­chef Gene­ral­ma­jor August Win­ter, und nach eini­gen Mona­ten schrieb er regel­mä­ßig Feind­la­ge­be­rich­te.

Im popu­lär­wis­sen­schaft­li­chen Sach­buch (und für die tie­fe­re wis­sen­schaft­li­che und his­to­rio­gra­fi­sche Über­set­zung gilt das erst recht) soll­te die Kennt­nis des Fach­be­reichs so weit gehen, dass „Anspie­lun­gen und Andeu­tun­gen“ ver­stan­den wer­den; Ernst-Peter Wiecken­berg hob in sei­ner Lau­da­tio zur Ver­lei­hung des Wie­land-Über­set­zer­prei­ses 1991 an Hol­ger Fliess­bach die Fähig­keit des Über­set­zers her­vor, auch das „Mit­ge­mein­te, Ange­deu­te­te und durch Anspie­lun­gen Her­bei­zi­tier­te in den deut­schen Text“ hin­über­zu­tra­gen.7

Wird im Ori­gi­nal ein Sach­ver­halt für die brei­te Leser­schaft ver­ein­facht dar­ge­stellt, muss die Über­set­ze­rin ihn erst ver­stan­den haben, ehe sie ihn auch im Deut­schen mit ein­fa­chen Wor­ten for­mu­lie­ren kann. Hier ein Bei­spiel aus Dar­wins Hund, einem popu­lär­wis­sen­schaft­li­chen Sach­buch des bri­ti­schen Gene­ti­kers Bryan Sykes, der bei der Beschrei­bung der Reduk­ti­ons­tei­lung von Keim­zel­len weit­ge­hend auf Fach­be­grif­fe (Gamet, haplo­id, diplo­id, Mei­ose I) verzichtet:

Within the germ cells that go on to beco­me sperm and eggs the pairs of chro­mo­so­mes begin to dance with each other, moving clo­ser and clo­ser until they are tou­ch­ing. At the­se flee­ting cont­acts some­thing tru­ly ama­zing hap­pens. The chro­mo­so­mes, tho­se long strands of DNA, actual­ly break and re-form with their dance part­ner. The embrace is short-lived and is over in a mat­ter of seconds. The ent­wi­ned chro­mo­so­mes break the clinch and move apart.

In den Keim­zel­len, die spä­ter Sper­mi­en und Eizel­len wer­den, begin­nen die Chro­mo­so­men­paa­re mit­ein­an­der zu tan­zen, kom­men ein­an­der immer näher, bis sie sich berüh­ren. Bei die­sen flüch­ti­gen Kon­tak­ten geschieht etwas wahr­haft Fan­tas­ti­sches. Die Chro­mo­so­men, die­se lan­gen DNA-Ket­ten, bre­chen auf und ord­nen sich mit ihren Tanz­part­nern neu. Die Umar­mung ist nach Sekun­den schon wie­der vor­über. Die ver­schlun­ge­nen Chro­mo­so­men lösen und ent­fer­nen sich voneinander.

Sach­buch­über­set­zen ist in die­sem Sin­ne oft dop­pel­tes Über­set­zen: Es ist die Über­tra­gung von einer Spra­che in die ande­re, aber auch der Trans­fer von einer kom­ple­xen Fach­ebe­ne auf ein all­ge­mein ver­ständ­li­ches Niveau. Das trifft in beson­de­rem Maß auf das Über­set­zen von Kin­der- und Jugend­sach­bü­chern zu.

Sehr viel Zeit bean­sprucht oft die Zitat­re­cher­che; End­no­ten­ap­pa­rat und Biblio­gra­fie müs­sen ent­spre­chend bear­bei­tet und ange­passt wer­den. Meist gilt es, vor­han­de­ne deut­sche Über­set­zun­gen zu recher­chie­ren, beson­ders kom­pli­ziert wird es aber, wenn ursprüng­lich deut­sche Text­stel­len wie­der ins Deut­sche geholt wer­den müs­sen. Für Ben­ja­min Bal­ints Buch über die israe­li­schen Pro­zes­se um den Nach­lass Max Brods (inklu­si­ve diver­ser Schrif­ten und Skiz­zen Franz Kaf­kas) waren weit über 500 über­wie­gend unbe­leg­te, zum Teil sehr kur­ze Zita­te Kaf­kas und ande­rer Schrift­stel­ler zu recher­chie­ren, die der Autor aus der eng­lisch­spra­chi­gen Sekun­där­li­te­ra­tur über­nom­men hat­te. Im fol­gen­den Bei­spiel lässt sich an der deut­schen End­no­te der Umfang der Arbeit ablesen:

Kaf­ka regard­ed the ending of „The Meta­mor­pho­sis,” to take ano­ther exam­p­le, as „imper­fect almost to its very mar­row.” On the one hand, Kaf­ka was awa­re of „the enorm­ous world I have insi­de my head.“ On the other, he reco­gni­zed that „the inner world can only be lived, not descri­bed.“ („I am con­stant­ly try­ing to com­mu­ni­ca­te some­thing incom­mu­ni­ca­ble,“ he wro­te.) „Almost every word I wro­te jars against the next,“ he noted in 1910. „My doubts stand in a cir­cle around every word.“ 

[Kei­ne Endnote] 

So urteil­te Kaf­ka über das Ende von „Die Ver­wand­lung“: „Unvoll­kom­men fast bis in den Grund.“ Die „unge­heue­re Welt, die ich im Kop­fe habe“ war ihm bewusst, aber: „Die inne­re Welt läßt sich nur leben, nicht beschrei­ben.“ An Mile­na schrieb er 1920, „ich suche nur immer­fort etwas Nicht-Mit­teil­ba­res mit­zu­tei­len“, und schon 1910 hat­te er in sei­nem Tage­buch beklagt: „Kein Wort fast das ich schrei­be paßt zum andern […]. Mei­ne Zwei­fel stehn um jedes Wort im Kreis herum“. 

[End­no­te:] Kaf­ka, 12. Janu­ar 1914, in: Tage­bü­cher, S. 624; 21. Juni 1913, S. 562. Nach­ge­las­se­ne Schrif­ten und Frag­men­te 2, S. 32. Kaf­ka an Mile­na Poll­ak, 26. Novem­ber 1920, in: Brie­fe 4, S. 372. 15. Dezem­ber 1910, in: Tage­bü­cher, S. 130.

Drei Wochen dau­er­te in die­sem Fall (für rund 350 Norm­sei­ten) allein die Zitat­re­cher­che im Inter­net und in der Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek, ehe an Über­set­zungs­ar­beit über­haupt zu den­ken war. Auch der „Ein­bau“ von Zita­ten ist kein mecha­ni­scher Vor­gang: Manch­mal muss der Zitat­aus­schnitt aus syn­tak­ti­schen oder logi­schen Grün­den ver­än­dert wer­den, manch­mal emp­fiehlt es sich, einen Namen, eine Zeit- oder Orts­an­ga­be ein­zu­fü­gen, damit Zusam­men­hän­ge deut­lich werden.

Ohne Inter­net­su­che, Goog­le Books, archive.org, die Digi­ta­len Samm­lun­gen und die vie­len uni­ver­si­tä­ren Quel­len ist die­ser Teil der Über­set­zungs­ar­beit heu­te kaum vor­stell­bar. In jedem Fall will der Umgang mit Zita­ten und Zitat­be­le­gen gelernt sein, und die meis­ten von uns haben die erfor­der­li­chen Kennt­nis­se in einem Stu­di­um erworben.

Erzählinstanz(en): Stim­men, Hal­tung und Ton

Als Unter­schei­dungs­merk­mal von Bel­le­tris­tik und Sach­tex­ten wird gern die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­si­tua­ti­on ange­führt: Im Sach­buch, ler­nen wir schon in der Schu­le, feh­le ten­den­zi­ell die Erzähl­in­stanz, die Autorin rich­te ihren Erzähl­text direkt aus einer all­wis­sen­den oder auch betei­lig­ten War­te an den Leser, wohin­ge­gen im Roman eine oder meh­re­re Erzähl­stim­men aus per­so­na­ler oder aukt­oria­ler Per­spek­ti­ve bezie­hungs­wei­se in Ich/­Wir-Form zwi­schen­ge­schal­tet seien. 

Die Annah­me eines aukt­oria­len Autor-Erzäh­lers, der sich nur auf Wis­sen und Fak­ten bezieht, legt für das Sach­buch aber eine ein­di­men­sio­na­le und ein­stim­mi­ge Erzäh­lung nahe, die sich so nur sel­ten fin­det. Hilf­reich fin­de ich den Hin­weis der Kol­le­gin Chris­ti­ne Ammann auf das Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mo­dell von Schulz von Thun: Danach sind in jeder Äuße­rung eines Sen­ders vier Bot­schaf­ten ent­hal­ten: „Selbst­kund­ga­be“, „Sach­in­halt“, „Bezie­hungs­hin­weis“ und „Appell“.8 In der Sach­li­te­ra­tur kön­nen bei einer grö­ße­ren Gewich­tung von Sach­in­halt und Appell die bei­den ande­ren Ele­men­te – Ich- und Bezie­hungs­aus­sa­gen – stär­ker oder schwä­cher aus­ge­prägt sein und den Text damit mehr oder weni­ger in Rich­tung des Romans rücken. Mit einem sol­chen Modell las­sen sich flie­ßen­de Über­gän­ge zwi­schen Fic­tion und Non­fic­tion gut darstellen.

Im Roman gibt es für die Zahl der Stim­men eine gro­ße Band­brei­te, die von einer mehr­per­spek­ti­vi­schen Erzähl­wei­se und einem brei­ten Figu­ren­per­so­nal mit aus­ge­präg­ter Stim­men­dif­fe­ren­zie­rung bis zum Bewusst­seins­strom einer ein­zi­gen Erzähl­stim­me reicht. Als Bei­spiel für das Neben­ein­an­der meh­re­rer Stim­men im Sach­buch möch­te ich Sus­an Falu­dis Die Per­len­ohr­rin­ge mei­nes Vaters anfüh­ren, das ich gemein­sam mit Judith Elze über­setzt habe. Die US-ame­ri­ka­ni­sche Jour­na­lis­tin Sus­an Falu­di beschäf­tigt sich dar­in mit dem kom­pli­zier­ten Begriff der „Iden­ti­tät“, erzählt von sich und ihrem Vater, von ihrer Kind­heit in den USA, von der Jugend ihres jüdi­schen Vaters im natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Buda­pest, von der Wie­der­an­nä­he­rung an den trans­se­xu­el­len Vater in Ungarn. 

Dar­über hin­aus refe­riert sie Hin­ter­grün­de unter ande­rem zur unga­ri­schen Geschich­te, zur Iden­ti­täts­for­schung und zur Geschich­te der Trans­se­xua­li­tät. Das Haupt­the­ma „Iden­ti­tät“ – Gen­der und Geschlecht, reli­giö­se, fami­liä­re, kul­tu­rel­le, sozia­le, natio­na­le Zuge­hö­rig­keit und so wei­ter – wird aus allen mög­li­chen Per­spek­ti­ven beleuch­tet, und mit jeder Per­spek­ti­ve und jeder Erzähl­ebe­ne ändert sich der Ton. So spre­chen zum The­ma „Jüdisch­sein“ ver­schie­de­ne Stim­men: die der refe­rie­ren­den Erzählerin/Autorin, die der Betroffenen/Autorin, die der erle­ben­den Erzählerin/Autorin und die Figu­ren­stim­me des Vaters.

Wie der His­to­ri­ker Vik­tor Kará­dy 2002 im Kata­log zu der Aus­stel­lung „Die Jüdin“ im Unga­ri­schen Jüdi­schen Muse­um anmerk­te, tru­gen die Jüdin­nen im Ungarn der Jahr­hun­dert­wen­de ent­schei­dend dazu bei, das „Ver­hal­tens­mo­dell der west­li­chen Mit­tel­schicht­frau“ zu defi­nie­ren und zu legitimieren.


Ich bin eine Jüdin, die in einem anti­se­mi­tisch gepräg­ten Umfeld groß wur­de. Ich bin eine Frau, die als Mäd­chen mit den sexis­ti­schen Ste­reo­ty­pen der frü­hen Sech­zi­ger auf­wuchs. Mei­ne Vor­stel­lung davon, wer ich bin, sofern ich die Koor­di­na­ten über­haupt fest­ma­chen kann, rührt offen­bar aus einem Wider­stand her, aus der Wei­ge­rung, mich zu fügen.


Mein Vater fuch­tel­te mit dem Schal her­um und beug­te sich zu mir, um mir mit weit­hin ver­nehm­ba­rer Thea­ter­stim­me ins Ohr zu flüs­tern: „Ich weiß schon, was die den­ken. Die schau­en mich an und den­ken sich: ‚Was für eine auf­ge­don­ner­te Schickse.‘“

Im Sach­buch wer­den Fak­ten oder Mei­nun­gen refe­riert, Zeu­gin­nen befragt, Gewährs­leu­te zitiert, eige­ne Erleb­nis­se und Erfah­run­gen ein­ge­bracht, Anek­do­ten erzählt. Ent­spre­chend ver­än­dern sich Hal­tung und Ton: Er kann dozie­rend, nach­denk­lich, belus­tigt, iro­nisch, ankla­gend, arro­gant, betrof­fen, wütend oder pole­misch sein, manch­mal alles in einem Buch. Es kommt auch vor, dass sich eine spe­zi­fi­sche Hal­tung durch ein gan­zes Buch zieht und den Ton sowohl der refe­rie­ren­den Pas­sa­gen als auch der Erin­ne­run­gen prägt, etwa die Iro­nie in Belén Fernán­dez’ Exil in der Welt, die hier das Her­auf­be­schwö­ren von Ängs­ten in den USA beklagt:

In addi­ti­on to the usu­al dome­stic suspects—blacks, poor peo­p­le, immi­grants, and so on—the wider world has pro­ved fer­ti­le ter­rain for the manu­fac­tu­re of any num­ber of free­dom-impe­ri­ling demons. I per­so­nal­ly came along too late to ful­ly app­re­cia­te the who­le Soviet sca­re, but I was intro­du­ced at the age of eight to the con­cept of Sad­dam Hus­sein, who, my fourth-gra­de tea­cher at St. Theresa’s infor­med us, could bomb our class­room at any minute.

Neben den übli­chen Ver­däch­ti­gen im eige­nen Lan­de – Schwar­zen, Armen, Ein­wan­de­rern und so wei­ter – hat sich die gro­ße wei­te Welt als frucht­ba­re Quel­le für die Fabri­ka­ti­on frei­heits­ge­fähr­den­der Dämo­nen bewährt. Ich kam zu spät auf die­se Welt, um die sowje­ti­sche Gefahr in ihrer vol­len Pracht zu wür­di­gen, lern­te aber im Alter von acht Jah­ren das Modell Sad­dam Hus­sein ken­nen, der, wie uns unse­re Leh­re­rin in der vier­ten Klas­se von St. The­re­sa erklär­te, jede Minu­te Bom­ben auf unser Klas­sen­zim­mer wer­fen konnte.

Wenn beson­ders im jour­na­lis­tisch gepräg­ten Sach­buch eige­ne Erin­ne­run­gen ein­ge­floch­ten wer­den, stellt sich oft ein selbst­iro­ni­scher, ein melan­cho­li­scher oder ein betrof­fe­ner Ton ein, so in Scott Stos­sels Buch Angst, in dem der Jour­na­list die Dar­stel­lung kul­tur­his­to­ri­scher, medi­zi­ni­scher und phar­ma­ko­lo­gi­scher Erkennt­nis­se mit der Schil­de­rung eige­ner Erfah­run­gen anreichert:

But none of the­se tre­at­ments have fun­da­men­tal­ly redu­ced the under­ly­ing anxie­ty that seems woven into my soul and hard­wired into my body and that at times makes my life a mise­ry. As the years pass, the hope of being cured of my anxie­ty has faded into a resi­gned desi­re to come to terms with it, to find some redemp­ti­ve qua­li­ty or miti­ga­ting benefit to my being, too often, a qui­ve­ring, qua­king, neu­ro­tic wreck.

Doch die Grund­angst, die offen­bar in mei­ne See­le ein­ge­wo­ben und fest mit mei­nem Kör­per ver­drah­tet ist und die mir das Leben zeit­wei­se zur Qual macht, konn­te kei­ne die­ser Behand­lun­gen nach­hal­tig redu­zie­ren. Mit den Jah­ren ist die Hoff­nung, von mei­ner Angst geheilt zu wer­den, dem eher resi­gna­ti­ven Wunsch gewi­chen, mich mit ihr zu arran­gie­ren und dem Umstand, dass ich all­zu oft ein schlot­tern­des neu­ro­ti­sches Wrack bin, etwas Tröst­li­ches oder gar Befrei­en­des abzugewinnen.

Sach­buch: sprach­li­che Gestal­tung und Verständlichkeit

Neben Wirk­lich­keits­be­zug und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­si­tua­ti­on wird für die Abgren­zung zum Sach­buch oft die „Lite­r­a­ri­zi­tät“ der Fik­ti­on her­an­ge­zo­gen. Doch lite­ra­ri­sche Mit­tel kom­men natür­lich nicht nur in fik­ti­ven Tex­ten zum Ein­satz, die Band­brei­te der Aus­ge­stal­tung ist von Sach­buch zu Sach­buch, von Roman zu Roman enorm. Nicht jede Sach­buch­au­to­rin trägt meta­pho­risch so dick auf wie Lau­rie Pen­ny in Sexu­el­le Revo­lu­ti­on:

It’s not that the­re are no facts under the morass of evo­lu­tio­na­ry mys­ti­cism. It’s not that the­re is no solid rese­arch, that the­re are no plau­si­ble theo­ries in the­re; but the­se crisp sli­ces of genui­ne sci­en­ti­fi c enquiry are bat­te­red in the hea­vy crumb of con­ve­ni­ent fic­tions, deep-fried in recei­ved wis­dom and smo­the­red in the spe­cial sau­ce of popu­lar pre­ju­di­ce so they’re easier to swal­low for tho­se who alre­a­dy have their mouths full of com­fort­ing lies. That stuff isn’t good for you. Even­tual­ly it sett­les in around your heart.

Nicht, dass sich unter dem Morast der Evo­lu­ti­ons­mys­tik kei­ner­lei Fak­ten ver­ber­gen wür­den. Nicht, dass es kei­ne soli­de For­schung, kei­ne plau­si­blen Theo­rien gäbe, aber die­se hauch­dün­nen Scheib­chen ech­ter wis­sen­schaft­li­cher For­schung sind im schwe­ren Frit­tier­teig zweck­mä­ßi­ger Fik­tio­nen gewälzt, in über­lie­fer­tem Wis­sen aus­ge­ba­cken und mit der Spe­zi­al­so­ße popu­lä­rer Vor­ur­tei­le über­gos­sen, damit sie für all jene, die den Mund schon mit tröst­li­chen Lügen voll haben, leich­ter zu schlu­cken sind. Das Zeug ist nicht gut für uns. Am Ende setzt es sich als Ver­kal­kung am Her­zen ab.

Eine beson­de­re Schwie­rig­keit im Sach­buch liegt oft dar­in, den indi­vi­du­el­len Stil und die ver­wen­de­ten lite­ra­ri­schen Mit­tel mit der gebo­te­nen Ver­ständ­lich­keit aus­zu­ta­rie­ren. Grund­sätz­lich unter­schei­den sich die rhe­to­ri­schen und lite­ra­ri­schen Mit­tel der Wis­sens­un­ter­hal­tung aber nicht von denen ande­rer Gen­res. Neben Bil­dern und Klang­fi­gu­ren, Satz- und Wort­fi­gu­ren umfas­sen sie auch erleb­te Rede, epi­sches Prä­sens, dia­lo­gi­sche Ein­schü­be, Span­nung und Humor. 

Sach­buch­ty­pisch ist dage­gen die Prä­sen­ta­ti­on wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis­se und das For­mu­lie­ren und Struk­tu­rie­ren von Argu­men­ten unter Ver­wen­dung der ent­spre­chen­den rhe­to­ri­schen Mit­tel. Im Sach­buch wer­den Hypo­the­sen und Posi­tio­nen ver­tre­ten oder ver­wor­fen, Fak­ten refe­riert oder rela­ti­viert, Tra­di­tio­nen fort­ge­führt oder dekon­stru­iert. Ein wesent­li­cher Bestand­teil der Über­set­zungs­ar­beit ist daher neben der oben erwähn­ten ter­mi­no­lo­gi­schen Genau­ig­keit auch die nach­voll­zieh­ba­re und sti­lis­tisch adäqua­te Dar­stel­lung von Fak­ten oder Argu­men­ten. Zum Schluss eine Pas­sa­ge aus Chris­to­pher Hit­chens’ reli­gi­ons­kri­ti­schem Buch Der Herr ist kein Hir­te, die zeigt, wie stark Argu­men­ta­ti­on und Fak­ten­ver­mitt­lung sti­lis­tisch geformt sein kön­nen. Hit­chens war bekannt für sei­ne an Sar­kas­mus gren­zen­de Ironie:

The­re is gre­at adap­ta­bi­li­ty bet­ween the pig and its envi­ron­ment, as wit­ness wild boars and “feral pigs” as oppo­sed to the pla­cid por­kers and fris­ky piglets of our more imme­dia­te expe­ri­ence. But the cloven hoof, or trot­ter, beca­me a sign of dia­bo­lism to the fear­ful, and I dare say that is easy to sur­mi­se which came first – the devil or the pig. It would be mere­ly bor­ing and idio­tic to won­der how the desi­gner of all things con­cei­ved such a ver­sa­ti­le crea­tu­re and then com­man­ded his hig­her-mammal crea­ti­on to avo­id it altog­e­ther or risk his eter­nal disp­lea­su­re. But many other­wi­se intel­li­gent mammals affect the belief that hea­ven hates ham.

Schwei­ne pas­sen sich her­vor­ra­gend an ihre Umge­bung an, wie man am Unter­schied zwi­schen Wild­schwei­nen und ver­wil­der­ten Tie­ren auf der einen und den uns ver­trau­ten fried­fer­ti­gen Mast­schwei­nen mit ihren mun­te­ren Fer­keln auf der ande­ren Sei­te gut beob­ach­ten kann. Doch für die Ängst­li­chen wur­den die Schweins­klau­en der Paar­hu­fer zu einem Sym­bol für das Dia­bo­li­sche, wobei es, so wage ich zu behaup­ten, leicht zu erra­ten ist, was zuerst da war – der Teu­fel oder das Schwein. Die Fra­ge, war­um der Schöp­fer aller Din­ge so eine viel­sei­ti­ge Krea­tur schuf und dann sei­ner höher ent­wi­ckel­ten Säu­ge­tier­schöp­fung befahl, einen wei­ten Bogen um sie zu machen, wenn sie nicht sein ewi­ges Miss­fal­len ris­kie­ren wol­le, ist müßig und über­flüs­sig. Trotz­dem hän­gen vie­le ansons­ten intel­li­gen­te Säu­ge­tie­re dem Glau­ben an, der Schöp­fer kön­ne Schin­ken nicht ausstehen.

Die beson­de­ren Anfor­de­run­gen des Sachliteraturübersetzens

Als hybri­des Gen­re, wür­de ich behaup­ten, stellt das Sach­buch somit beson­de­re Anfor­de­run­gen an die Über­set­ze­rin: Neben sprach­li­che und sti­lis­ti­sche Über­le­gun­gen tritt die inten­si­ve Aus­ein­an­der­set­zung mit Welt­wis­sen, Mut­ma­ßun­gen, Mei­nun­gen, kul­tu­rel­len Dis­kur­sen. Die­se Kom­bi­na­ti­on aus lite­ra­ri­scher Gestal­tung und inten­si­vem Wirk­lich­keits­be­zug setzt das Sach­buch von der Fik­ti­on ab. Aller­dings sind die Gren­zen zur Fik­ti­on flie­ßend, beson­ders in Hin­blick auf Erzähl­stim­men, Hal­tung und Ton sowie den Ein­satz lite­ra­ri­scher Mittel.

Ein Wort zum urhe­ber­recht­li­chen Sta­tus der Sachliteratur

Trotz­dem hört man hin und wie­der, Sach­buch­über­set­zun­gen sei­en urhe­ber­recht­lich gar nicht geschützt. Die­se Aus­sa­ge ent­behrt jeder Grund­la­ge. Für die Über­set­zung eines Sach­buchs wird wie für jedes ande­re Buch ein Ver­lags­ver­trag unter­schrie­ben, der urhe­ber­recht­li­che Rege­lun­gen ent­hält, und auch die gefor­der­te „Schöp­fungs­hö­he“ ist (wie gezeigt) in der Regel gege­ben. Sach­bü­cher stel­len nicht grund­sätz­lich nied­ri­ge­re Anfor­de­run­gen an die sprach­li­che Krea­ti­vi­tät der Über­set­ze­rin als bel­le­tris­ti­sche Wer­ke, sie stel­len teil­wei­se ande­re Anfor­de­run­gen. In allen Gen­res gibt es kom­ple­xe­re und weni­ger kom­ple­xe Tex­te. Der Gestal­tungs­frei­raum, den das Lek­to­rat dem Über­set­zer ein­räumt, ist im Sach­buch häu­fig sogar grö­ßer, weil beson­de­rer Wert auf Ver­ständ­lich­keit gelegt wird. Das kann in Ein­zel­fäl­len so weit gehen, dass die Über­set­ze­rin zur Koau­to­rin wird (ähn­lich übri­gens wie in vie­len Titeln der „Unter­hal­tungs­li­te­ra­tur“, in denen die Über­set­ze­rin­nen das feh­len­de Ori­gi­nal­lek­to­rat erset­zen).9

Mei­ne Bemer­kun­gen zur Über­set­zung von Sach­li­te­ra­tur sind nur ein kur­so­ri­scher Über­blick. In jüngs­ter Zeit gab es eini­ge hilf­rei­che Wort­mel­dun­gen und Bei­trä­ge zum The­ma, wei­te­re Betrach­tun­gen zu ande­ren Unter­gen­res und spe­zi­el­len über­set­zungs­tech­ni­schen Aspek­ten wären aus mei­ner Sicht wün­schens­wert.10 Die Kom­ple­xi­tät des Natu­re Wri­ting und sei­ner Über­set­zung wer­den mitt­ler­wei­le völ­lig zu Recht gewür­digt. Die­se Wert­schät­zung ver­die­nen auch die ande­ren Berei­che der Sach­li­te­ra­tur samt der gro­ßen Band­brei­te an Her­aus­for­de­run­gen, die mit ihrer Über­set­zung einhergehen.


Ein klu­ger Vogel erzählt

Zwi­schen hin­du­is­ti­schem Mythos und Bou­le­vard­ko­mö­die: „Das Papa­gei­en­buch“ ist eine Samm­lung indi­scher, auf Sans­krit ver­fass­ter Märchen.… 
Wei­ter­le­sen
  1. Den C. H. Beck-Preis für Sach­buch­über­set­zun­gen gibt es schon seit vie­len Jah­ren nicht mehr. Als der Freun­des­kreis 2021 den Chris­toph-Mar­tin-Wie­land-Preis für Sach­bü­cher aus­lob­te, gin­gen über 80 Bewer­bun­gen ein; den Preis erhiel­ten Moni­ka Nie­haus und Bernd Schuh. Eine löb­li­che Aus­nah­me bil­det das Natu­re Wri­ting: Für Über­set­zun­gen aus die­sem Bereich wur­den in den letz­ten Jah­ren hoch ver­dient Chris­ti­ne Ammann (För­der­preis des Strae­l­e­ner Über­set­zer­prei­ses 2016) sowie Andre­as Jandl und Frank Sie­vers (Chris­toph Mar­tin-Wie­land-Preis 2017 für Rei­se- und Natur­be­schrei­bung) ausgezeichnet.
  2. Das Pro­jekt rück­te 2004 bis 2008 unter Lei­tung von Erhard Schütz und Ste­phan Porombka Ent­wick­lung und Poe­tik des Sach­buchs in den Fokus. Die Arbeits­blät­ter für die Sach­buch­for­schung sind hier nach­zu­le­sen. For­schun­gen zum Sach­buch fin­den sich auch in der im Wehr­hahn Ver­lag erschie­ne­nen Rei­he Non Fik­ti­on: Arse­nal der ande­ren Gat­tun­gen.
  3. Hel­mut Kreu­zer, „Bio­gra­phie, Repor­ta­ge, Sach­buch: Zu ihrer Geschich­te seit den zwan­zi­ger Jah­ren“, Arbeits­blät­ter für die Sach­buch­for­schung 8, Ber­lin / Hil­des­heim 2006, S. 8.
  4. C. P. Snow, Die zwei Kul­tu­ren: Lite­ra­ri­sche und natur­wis­sen­schaft­li­che Intel­li­genz, übers. von Gre­te und Karl-Eber­hardt Fel­ten, Stutt­gart: Klett 1967.
  5. David Oels, „Mit hun­dert Sachen erzäh­len: Sach­buch, Lite­ra­tur und die Wie­der­kehr des Erzäh­lens“, Arbeits­blät­ter für die Sach­buch­for­schung 5, Ber­lin / Hil­des­heim 2005, S. 14.
  6. Andy Hah­ne­mann, „Aus der Ord­nung der Fak­ten“, Arbeits­blät­ter für die Sach­buch­for­schung 9, Ber­lin / Hil­des­heim 2006, S. 8.
  7. Ernst-Peter Wiecken­berg, „Lau­da­tio zur Ver­lei­hung des Wie­land-Über­set­zer­prei­ses 1991 an Hol­ger Fliess­bach“, in: Der Über­set­zer 25, Nr. 9/10 (Sept./Okt. 1991), S. 3.
  8. Chris­ti­ne Ammann, „Natu­re Wri­ting: Natur über­set­zen“, in: Hand­buch Lite­ra­ri­sches Über­set­zen 2.0, hrsg. von Kat­rin Har­laß, Ber­lin: BDÜ Fach­ver­lag, 2022, S. 32–39, S. 34. Zum Modell vgl. Web­site des Schulz von Thun Insti­tuts für Kommunikation
  9. Zur Schöp­fungs­hö­he sie­he Wiki­pe­dia. Vor Gericht wur­de die Fra­ge, ob Sach­bü­cher anders zu behan­deln sind als bel­le­tris­ti­sche Wer­ke oder Lyrik, übri­gens nie dezi­diert behan­delt. Ein Urteil gibt es nur zur Fra­ge, ob für die Über­set­zung von Betriebs­an­lei­tun­gen eine Abga­be­pflicht zur Küns­terl­so­zi­al­kas­se besteht (Urteil: nein).
  10. Im Bereich Natu­re Wri­ting Chris­ti­ne Ammann (sie­he EN 11), Frank Sie­vers, Der eisig sprö­den­de Nord­wind: Sze­nen vom Über­set­zen der Natur“, 21.09.2022; im Bereich Kul­tur­theo­rie Jen­ni­fer Sophia Theo­dor, „Aus der Feder einer Krä­he“, in: Über­set­zen 1/2019, S. 1 f.; im Bereich Wis­sen­schaft Achim Wurm, „Über­set­zen jen­seits des Fik­tio­na­len“, in: Über­set­zen 2/2022, S. 10; im Bereich lay­out­ge­bun­de Sach­bü­cher Susan­ne Schmidt-Wussow, „Von Igel­stri­chen und Pull­quo­tes: Lay­out­ge­bun­de­ne Sach­bü­cher über­set­zen“, in Hand­buch Lite­ra­ri­sches Über­set­zen 2.0, S. 40–43.

1 Comment

Add Yours
  1. 1
    Christoph Behrendt

    Anne Emmert ist lei­der von uns gegan­gen. Wenn du aber wie sie in der Lite­ra­tur unter­wegs bist, dann hin­ter­lässt du etwas – das ist der ein­zi­ge Trost. Auch die­ser Arti­kel wird blei­ben. Ich habe viel gelernt. Vie­len Dank! RIP

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert