Bücher und Zigaretten

Neben der Übertragung von Texten sind Literaturübersetzer*innen oft auch in deren Umfeld tätig: als Vermittler, Agentinnen, Entdecker*innen, Herausgeber, Kuratorinnen und vieles mehr. So wie unser Gastautor, der von einer kleinen und einer großen Entdeckung erzählt. Von

Lesesaal der New York Public Library. Foto: Antoinette Plessis via Unsplash.

Als Lite­ra­tur­über­set­zer bin ich in der glück­li­chen Posi­ti­on, gele­gent­lich eige­ne Pro­jek­te ent­wi­ckeln zu kön­nen. Ich gehe gern Spu­ren, die mich inspi­rie­ren, nach, und manch­mal wird etwas Grö­ße­res dar­aus. So auch bei Sus­an Glas­pell. Im Früh­jahr 2022 recher­chie­re ich zum Werk der Autorin in der New York Public Libra­ry. Die Moder­nis­tin war zu Leb­zei­ten extrem bekannt und beliebt und ist in den USA Schul­stoff, in Deutsch­land man­gels Über­set­zun­gen aber unbe­kannt. Auch mir war sie kein Begriff bis die Inter­na­tio­nal Sus­an Glas­pell Socie­ty mich bat, eine Über­set­zung einer ihrer Geschich­ten zu prü­fen. Mit einem Gott­sched-Sti­pen­di­um des Deut­schen Über­set­zer­fonds konn­te ich mei­ner Unkennt­nis abhel­fen. Jetzt möch­te ich auch deut­sche Leser:innen mit der gro­ßen Autorin bekannt machen.

Sus­an Glas­pell (1876−1948) arbei­te­te nach ihrem Stu­di­um in Iowa ab 1899 als Repor­te­rin und Jour­na­lis­tin und ver­öf­fent­lich­te bald nach der Jahr­hun­dert­wen­de ihre ers­ten kur­zen Pro­sa­stü­cke in Maga­zi­nen. Zehn Jah­re spä­ter erschien ihr ers­ter Roman The Glo­ry of the Con­que­r­ed, 1911 mit The Visio­ning schon der nächs­te und kurz dar­auf, 1912, mit Lifted Masks eine Samm­lung von Kurz­ge­schich­ten. Mit den Ver­öf­fent­li­chun­gen in Maga­zi­nen konn­te sie sich ein Aus­kom­men sichern und per­fek­tio­nier­te dabei die kur­ze Form immer mehr.

Sie war schon recht bekannt, als sich ihr 1915 künst­le­risch ein ganz neu­er Hori­zont öff­ne­te: Mit ihrem Mann Geor­ge Cram Cook grün­de­te sie die Pro­vince­town Play­ers und schrieb zahl­rei­che Thea­ter­stü­cke, in deren Insze­nie­run­gen sie nicht sel­ten auch selbst auf­trat. Die Trup­pe hat­te ab 1916 ein Thea­ter in Green­wich Vil­la­ge in New York City. Nach dem Tod ihres Man­nes 1924 konn­te sie mit ihrer Thea­ter­grup­pe nicht mehr zusam­men­fin­den, sodass sie danach nur noch zwei Thea­ter­stü­cke schrieb, von denen ihr eines, Alison’s House, den Pulit­zer-Preis ein­brach­te. Jedoch schrieb sie wei­ter Roma­ne und Kurz­ge­schich­ten. Ins­ge­samt wur­den es mehr als sieb­zig. Immer genau­er kom­po­nier­te sie ihre zen­tra­len The­men: Geschlech­ter­rol­len, spe­zi­ell natür­lich die von Frau­en in der Gesell­schaft; aber auch die Arbei­ter­be­we­gung und der Sozia­lis­mus, die damals in den USA unge­mein stark waren.

Zunächst muss ich mir einen Über­blick über das Werk ver­schaf­fen. Dabei kon­zen­trie­re ich mich am Anfang auf die Thea­ter­stü­cke, da ich selbst vom Thea­ter kom­me. Über­set­zen möch­te ich aber erst ein­mal ihre Pro­sa, denn als Über­set­zer möch­te ich mir die­se Gat­tung erobern. Wel­che Geschich­ten wäh­le ich aus? Was steht über­haupt zur Aus­wahl? Exis­tiert ein Gesamt­ver­zeich­nis? Wo muss ich danach suchen? Über die Fach­leu­te, die in der Inter­na­tio­nal Sus­an Glas­pell Socie­ty zusam­men­ge­schlos­sen sind, fin­de ich eini­ge Ant­wor­ten, aber da ihr Werk bei wei­tem noch nicht rest­los erforscht ist, bleibt eini­ges zu recherchieren.

Im April 2022 kom­me ich also über zwei Wochen hin­weg immer wie­der in die Berg Coll­ec­tion in der New York Public Libra­ry, wo vie­le der Mate­ria­li­en aus dem Nach­lass von Glas­pell und ihrem Mann ver­wahrt wer­den. Ich fin­de Brie­fe, ein Rede­ma­nu­skript und Ent­wür­fe, viel­leicht zu einer nicht geschrie­be­nen Geschich­te. Vor­sich­tig in den Mate­ria­li­en zu stö­bern, die mir jeweils auf Anfra­ge gebracht wer­den, und Auf­zeich­nun­gen in ihrer Hand­schrift zu lesen, bringt mir die Autorin per­sön­lich näher. Im Kata­log der NYPL fin­de ich auch ihre Geschich­te The Anar­chist — His Dog und hof­fe, ein­mal auf ein Manu­skript oder Ori­gi­nal­ma­te­ri­al zu sto­ßen. Die­ses Buch ist jedoch in einem ande­ren Gebäu­de­teil ver­wahrt. Ich muss dazu über den Gang, durch die bei­den gro­ßen öffent­li­chen Lese­sä­le hin­durch, und gelan­ge in The Broo­ke Rus­sell Astor Rea­ding Room for Rare Books and Manu­scripts, wo die Geor­ge Are­nts Coll­ec­tion ver­wahrt wird. Auch die­se Samm­lung ver­mit­telt mir dadurch, dass man nur nach vor­he­ri­ger Anmel­dung ein­ge­las­sen wird, den Ein­druck des Besonderen.

Der jun­ge Biblio­the­kar ist ein gut gelaun­ter, enthu­si­as­ti­scher Mann, der mir die Geschich­te, die ich bereits reser­viert habe, aus dem hin­te­ren Bereich holt. Ich wer­de auf­ge­for­dert, mich doch der­weil schon an einem der lan­gen Lese­ti­sche nie­der­zu­las­sen. Kur­ze Zeit spä­ter tritt der Mann her­an und legt das Gesuch­te vor­sich­tig auf den Tisch. Vor mir liegt ein win­zi­ges Büch­lein, unge­fähr so groß wie eine Streich­holz­schach­tel. Der Papp­de­ckel ist mit dem Gesicht eines Jun­gen illus­triert. Ich ken­ne die Geschich­te bereits, daher weiß ich, dass es den Prot­ago­nis­ten Stub­by dar­stellt. Und sei­nen Hund. Das geht ja lus­tig los.

Die Geschich­te: Der Zei­tungs­jun­ge Stub­by muss als Kind sehr armer Eltern schon als Zehn­jäh­ri­ger Geld ver­die­nen. Er und die ande­ren Jun­gen müs­sen sehr früh auf­ste­hen, um die Zei­tun­gen abzu­ho­len und mit dem Fahr­rad ihre Rou­te abzu­fah­ren, sodass die Abon­nen­ten ihr Blatt schon zum Früh­stück lesen kön­nen. Alle Jun­gen wer­den nicht nur auf ihren Rou­ten immer wie­der von Hun­den ver­folgt, son­dern die meis­ten haben ihre eige­nen Hun­de zur Gesell­schaft. Nur Stub­by nicht. Doch irgend­wann läuft ihm einer zu.

Er behält ihn, sie wer­den inni­ge Freun­de. Und ein Freund ist genau das, was Stub­by braucht. Des­we­gen wirkt es beson­ders herz­los, als der zei­tungs­le­sen­de Vater den Jun­gen warnt, dass für Hun­de eine Steu­er von fast zwei Dol­lar im Jahr fäl­lig wird. Wer sie nicht zahlt, dem wer­de der Hund wie­der abge­nom­men. Auf die­se bru­ta­len Rea­li­tä­ten reagiert Stub­by zunächst mit rat­lo­ser Schock­star­re. Nach schwie­ri­gen Tagen des inne­ren Rin­gens beschließt er, das Geld für die Hun­de­steu­er selbst zu ver­die­nen, und zwar heim­lich, denn eigent­lich muss er jeden ver­dien­ten Cent an die Eltern abge­ben. Trotz größ­ter Anstren­gun­gen bekommt er die not­wen­di­ge Sum­me nicht zusammen.

Schließ­lich erfährt Stub­by aus der Zei­tung sei­nes Vaters etwas über Anar­chis­ten. Das sind Leu­te, erklärt der Vater, die gegen das Gesetz sind und Poli­zis­ten erschie­ßen. Sogleich erkennt Stub­by sich selbst in die­ser Beschrei­bung. Er wird den Poli­zis­ten, der sei­nen Hund holen wird, töten müs­sen. Jedoch schreibt er als guter Jun­ge einen war­nen­den Brief an den zustän­di­gen Beam­ten, dass er ihn umbrin­gen müs­se, wür­de er den Hund tat­säch­lich holen kom­men. Und es wäre kei­ne Glas­pell-Geschich­te, hät­te sie am Ende nicht eine uner­war­te­te Wendung.

Sus­an Glas­pell hat die Geschich­te 1914 ver­fasst. Sie lie­ße sich, wie vie­le ihrer Erzäh­lun­gen, als Modell­stück für die Kom­po­si­ti­on von Kurz­ge­schich­ten ver­wen­den, und ich ver­mu­te, das ist auch bereits vor­ge­kom­men. In Dem Anar­chis­ten sein Hund, so spä­ter der Titel mei­ner deut­schen Über­set­zung, fährt Glas­pell ihr rei­ches Arse­nal an Empa­thie und Humor voll aus. Aber wie kommt Glas­pell aus­ge­rech­net auf Anar­chis­ten? Sie schrieb ihre Geschich­ten häu­fig inspi­riert von rea­len Ereig­nis­sen. Der Jun­ge sieht sich ange­sichts der stren­gen elter­li­chen und dann staat­li­chen Herr­schaft zu radi­ka­len Maß­nah­men gezwun­gen. (Auf ganz und gar ande­re Wei­se spielt sie die­sen Topos in ihrer Erzäh­lung Eine Fra­ge der Pose aus, die wie­der­um gar nicht lus­tig ist.)

Wenn man genau­er hin­liest, schnappt der jun­ge Prot­ago­nist die­sen Begriff von sei­nem Vater auf, der ihn aus sei­ner Zei­tung erfährt. Wel­che Art von Zei­tung, fra­ge ich mich, wird der weit­ge­hend mit­tel­lo­se Mann in sei­nem Häus­chen in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka Anfang des zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts gele­sen haben? Ist es eine Arbei­ter­zei­tung? Und was wird dar­in über Anar­chis­ten ste­hen? Zum The­ma Gewalt­ak­te gegen den Staat: Wenn die Geschich­te in ihrem Erschei­nungs­jahr 1914 spielt, könn­te das Atten­tat gemeint sein, das Gavri­lo Prin­cip auf den Thron­fol­ger Öster­reich-Ungarns Erz­her­zog Franz Fer­di­nand und sei­ne Gemah­lin Sophie Cho­tek, Her­zo­gin von Hohen­berg, in Sara­je­vo ver­üb­te. Aller­dings war Prin­cip als Mit­glied oder Hand­lan­ger des natio­na­lis­ti­schen, pro-ser­bi­schen, gehei­men Ter­ror­bunds Schwar­ze Hand alles ande­re als ein Anar­chist. Was ame­ri­ka­ni­sche Zei­tun­gen dar­aus machen, ist natür­lich eine ande­re Sache.

Wahr­schein­li­cher ist, dass Glas­pell auf die Geschich­te der anar­chis­ti­schen Bewe­gung in den USA Bezug nimmt, die in den drei­ßig Jah­ren zuvor, spä­tes­tens mit den Heu­markt-Ereig­nis­sen in Chi­ca­go am 1. Mai 1886 spek­ta­ku­lär Auf­se­hen erregt hat­te. Hier kom­me ich einer span­nen­den, fast ver­ges­se­nen Geschich­te auf die Spur. Mir wird bewusst, dass der Beginn der Arbei­ter­be­we­gung in den USA sich mit Glas­pells Erwach­se­nen­le­ben über­schnei­det. Die radi­kal lin­ke Arbei­ter­be­we­gung in den USA und Sus­an Kea­ting Glas­pell sind gemein­sam groß gewor­den. Mit die­sen Krei­sen − der brei­ten Sze­ne mit ihren vie­len radi­ka­len deutsch­spra­chi­gen Zeit­schrif­ten mit iko­ni­schen Namen wie Frei­heit (Most, Lon­don), Die Auto­no­mie, Der Vor­bo­te, Die Fackel, Freie Arbei­ter Stim­me (auf Jid­disch), Die freie Gesell­schaft (eben­falls auf Jid­disch) und vie­len ande­ren − war Glas­pell ver­traut. Aber wie lan­det die­se Geschich­te in der Samm­lung Are­nts? Und war­um zum Teu­fel erschien sie in die­sem pos­sier­li­chen Format?

Nach­dem ich mich in der Biblio­thek mit dem guten Stück Pro­sa ein­ge­hend befasst habe, löche­re ich den Biblio­the­kar mit Fra­gen, der mir bereit­wil­lig und detail­liert Aus­kunft gibt: Im Jahr 1914 druckt Win­throp Press in New York für die Ame­ri­can Tob­ac­co Com­pa­ny eine Samm­lung von drei­und­drei­ßig der bes­ten Kurz­ge­schich­ten jener Zeit. Es gab wohl Plä­ne, ein­hun­dert Tex­te zu ver­öf­fent­li­chen, doch es wur­den nur drei­und­drei­ßig. Immer­hin. Im Biblio­theks­ka­ta­log wird die Geschich­te als Teil der Kata­log­num­mer S 1751 geführt, wo die Ame­ri­can Tob­ac­co Com­pa­ny als wei­te­re Autorin ver­schlag­wor­tet ist. Jedes ein­zel­ne Büch­lein wird als „Are­nts S 1751 no. [1−33]“ gelis­tet. The Anar­chist His Dog ist die Num­mer 13. „31 Sei­ten, Samm­ler­stück, 71x55 mm.“ Die Ame­ri­can Tob­ac­co Com­pa­ny lässt sie in einer Spe­zi­al­aus­ga­be in Form die­ser win­zi­gen Büch­lein her­stel­len. Wozu? Sie wer­den Ziga­ret­ten­schach­teln der Mar­ken Egyp­ti­en­ne Straights, Omar und Sove­reign sowie den Pic­ca­dil­ly Litt­le Cigars als Kauf­prä­mi­en beigefügt.

Ich stel­le mir vor, wie ket­te­rau­chen­de Wer­be­ma­cher à la Mad Men die Sam­mel­kar­ten mit berühm­ten Base­ball­spie­lern (die im Ame­ri­can Card Cata­log der Biblio­thek eben­falls auf­ge­führt sind) und die hüb­schen Sei­den­fah­nen, die den Egyp­ti­en­ne Straights zeit­wei­se bei­la­gen, all­mäh­lich lang­wei­lig fan­den; wie sie in ihrem Groß­raum­bü­ro her­um­sa­ßen und rauch­ten und nicht auf über­zeu­gen­de Ideen für neue Wer­be­feld­zü­ge kamen und also eine Zei­tung oder irgend­was her­um­lie­gen­des Geschrie­be­nes nah­men, um sich abzu­len­ken, und sich der­art abge­lenkt wohl­fühl­ten. Das Rau­chen-beim-Lesen war wohl naheliegend.

Ein schö­ner Essay von Geor­ge Orwell aus dem Jahr 1946 trägt sogar den Titel Books vs. Ciga­ret­tes. Dar­in ver­gleicht er die Kos­ten des Lesens mit denen ande­rer erbau­li­cher Zeit­ver­trei­be, z. B. des Rau­chens, Trin­kens und des Kinos.1 Und dann springt einer die­ser Typen rau­chend auf und sagt erregt und kon­zen­triert zugleich, indem er mit den bei­den ziga­ret­te­hal­ten­den Fin­gern sei­ner Hand in die Luft oder auf die Kol­le­gen deu­tet, um sei­nen Gedan­ken noch mehr Nach­druck zu ver­lei­hen: Und wenn wir das nun umdreh­ten? Alle gucken ver­ständ­nis­los. Schen­ken wir den Leu­ten doch zum bezahl­ten Rauch­ge­nuss das Lesen, für das sie (laut Orwell) zu bezah­len zu gei­zig sind.2 Begeis­ter­ter Applaus im Team. Dass nun die Tabak­in­dus­trie, um offen­si­ve Stra­te­gien der Sucht­er­zeu­gung zwecks Absatz­stei­ge­rung nie ver­le­gen, den Spieß umdreht und näm­lich das Lesen-beim-Rau­chen pro­pa­giert, ist in sei­ner sub­ti­len Akzent­ver­schie­bung eine zuge­ge­ben ori­gi­nel­le Idee.

Der jun­ge Mann hin­term Tre­sen sieht mich beein­druckt und lässt das kurz wir­ken. Dann geht er mit einem „War­ten Sie doch bit­te noch“ erneut nach hin­ten. Als er zurück­kommt, prä­sen­tiert er mir mit gebüh­ren­dem Stolz eine Schach­tel mit der voll­stän­di­gen Samm­lung, die gesam­te Rei­he die­ser Büch­lein, in der ich trotz der klei­nen Schrift schon beim ers­ten Blick vie­le Klas­si­ker erken­ne: Rudyard Kiplings The Taking of Lung­tung­pen, Edgar Allan Poes A Cask of Amon­til­la­do, O. Hen­ry mit The Ethics of Pig. Auch The Head­less Hot­ten­tot von Jero­me Beat­ty macht mich neu­gie­rig. Und unter den weni­gen Frau­en ist Glas­pell (neben Oli­ve Mary Briggs) gleich zwei­mal ver­tre­ten, denn die Num­mer 12 im Kata­log ist die Geschich­te Accor­ding to His Lights, die ich noch nicht ken­ne. Sein Kol­le­ge, erklärt der kom­pe­ten­te Mann, habe eigens die­se drei Papp­schach­teln im stil­vol­len Schu­ber maß­ge­fer­tigt, in der sie die drei­und­drei­ßig Exem­pla­re zu jeweils elf Stück auf­be­wah­ren können.

Ich gebe ihm Recht, es ist eine beacht­li­che Samm­lung, und auch ansehn­lich, sowohl die Samm­lung als auch die Schach­teln. So viel schö­ne Lite­ra­tur, die ja zugleich sehr bekannt und aber auch wenig umfang­reich zu sein hat­te, ver­sam­melt auf der­art kom­pak­tem Raum, ist ein char­man­tes Juwel der Are­nts Coll­ec­tion und gibt eini­gen Auf­schluss über eine lan­ge ver­gan­ge­ne Epo­che, als Genuss­for­men hoch­kar­zi­no­ge­ner Ner­ven­gif­te mit gesell­schaft­lich erstre­bens­wer­ten Ver­gnü­gun­gen gepaart wer­den konn­ten. Wer­bung für Tabak­er­zeug­nis­se ist in Deutsch­land dank erfolg­rei­cher Lob­by­ar­beit der Indus­trie nur sehr all­mäh­lich und lang­sa­mer als in ande­ren euro­päi­schen Län­dern ein­ge­schränkt wor­den. Wo ich heu­te Ziga­ret­ten­schach­teln sehe, star­ren mir mor­bi­de Bild­wer­ke ent­ge­gen. Ich muss den Blick jedes Mal schnellst­mög­lich abwen­den, denn die abge­bil­de­ten Geschwü­re und zer­stör­ten Orga­ne ver­ur­sa­chen mir einen Wür­ge­reiz. Der Ver­such, Leu­ten eine Teer­lun­ge ver­mit­tels hoch­ka­rä­ti­ger zeit­ge­nös­si­scher Lite­ra­tur schmack­haft zu machen, ver­blüfft mich nach­hal­tig − eine unbe­streit­bar beacht­li­che Mar­ke­ting­leis­tung jener Zeit.

Als Über­set­zer genie­ße ich die­se Arbeit, etwas auf­spü­ren, recher­chie­ren, ein Publi­ka­ti­ons­pro­jekt ent­wi­ckeln. Für die­ses Pro­jekt über­set­ze ich im nächs­ten Schritt pro­be­hal­ber zwei Geschich­ten und habe 2022 das Glück, in Sabi­ne Dör­le­mann eine inter­es­sier­te Ver­le­ge­rin für das Pro­jekt zu fin­den. Der Zür­cher Dör­le­mann Ver­lag spe­zia­li­siert sich auf Autor:innen der Moder­ne, das passt also genau. Mit einem wei­te­ren Sti­pen­di­um des Deut­schen Über­set­zer­fonds im Pro­gramm exten­siv-initia­tiv wird die Finan­zie­rung ermög­licht. Nun erar­bei­te ich über die nächs­ten Mona­te hin­weg eine Aus­wahl von Geschich­ten, über­set­ze sie und ver­se­he sie schließ­lich mit einem ein­ord­nen­den Nach­wort. Im Sep­tem­ber 2023 gebe ich sie bei Dör­le­mann unter dem Titel Die Rose im Sand her­aus. Dort kann man jetzt auch Dem Anar­chist sein Hund auf Deutsch lesen.


  1. „it looks as though the cost of rea­ding, even if you buy books ins­tead of bor­ro­wing them and take in a fair­ly lar­ge num­ber of peri­odi­cals, does not amount to more than the com­bi­ned cost of smo­king and drin­king.“ ↩︎
  2. „at least let us admit that it is becau­se rea­ding is a less exci­ting pas­ti­me than going to the dogs, the pic­tures or the pub, and not becau­se books, whe­ther bought or bor­ro­wed, are too expen­si­ve“ ↩︎

Bild­nach­weis: Glas­pell, Sus­an. The anar­chist His dog. New York, c1914, Win­throp Press. Call num­ber: Are­nts S1751 no. 13. Rare Book Divi­si­on. The New York Public Libra­ry. Astor, Len­ox, and Til­den Foun­da­ti­ons.
Fotos: Hen­ning Bochert

Sus­an Glas­pell | Hen­ning Bochert

Die Rose im Sand



Dör­le­mann 2023 ⋅ 288 Sei­ten ⋅ 26 Euro


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