Das Blau des Himmels

In James Cahills Romandebüt „Tiepolo Blau“ wird ein zurückgezogen lebender Professor von einem modernen Kunstwerk aus seiner Universität ins pralle Südlondoner Leben vertrieben. Joachim Bartholomaes Übersetzung spiegelt eindrucksvoll dessen Kenntnis der literarischen und künstlerischen Einflüsse des Originals. Von

Buchcover des Romans Tiepolo Blau von James Cahill. Auf dem Cover ist eine Büste auf blauem Grund zu sehen, die an der Nasenwurzel abgeschnitten ist.
Cover des Romans Tiepolo Blau. Hintergrundbild: Guillaume de Germain via Unsplash

Alan Hol­ling­hurst, Oscar Wil­de, Tho­mas Mann: James Cahills Debüt Tie­po­lo Blau (OT: Tie­po­lo Blue) ist bereits (zurecht!) mit zahl­rei­chen lite­ra­ri­schen Ver­glei­chen geschmei­chelt wor­den. Wie schön wäre es also, wenn sich für die Über­set­zung des Romans in eine ande­re Spra­che jemand fän­de, der mit all den genann­ten Autoren nicht nur bes­tens ver­traut ist, son­dern sich noch dazu bereits wis­sen­schaft­lich und/oder lite­ra­risch mit ihnen aus­ein­an­der­ge­setzt hat? Höchst erfreu­lich, dass sich für die Über­set­zung ins Deut­sche tat­säch­lich genau die­ser Jemand gefun­den hat: Joa­chim Bar­tho­lo­mae, Über­set­zer, Mit­grün­der des Män­ner­schwarm-Ver­lags, Autor und Her­aus­ge­ber lite­ra­tur­wis­sen­schaft­li­cher Wer­ke. Und noch erfreu­li­cher, dass Bar­tho­lo­mae das nicht gera­de unkom­pli­zier­te Unter­fan­gen, die Fines­se und Viel­schich­tig­keit von Cahills fes­seln­der Pro­sa ins Deut­sche zu über­tra­gen, her­vor­ra­gend gemeis­tert hat.

Tie­po­lo Blau ist im eng­li­schen Ori­gi­nal im Juni 2022 bei Scept­re erschie­nen, auf dem Buch­co­ver wird Ste­phen Fry zitiert, „The best novel I have read for ages… mas­ter­ly“ – und ein umfas­sen­de­rer Blick auf die eng­li­schen Pres­se­stim­men zeigt schnell, dass Cahills Debüt neben Fry noch vie­le wei­te­re in sei­nen Bann gezo­gen hat. Wir Lesen­den kön­nen jeden­falls mehr als froh dar­über sein, dass die deut­sche Aus­ga­be die­ses hoch­ge­lob­ten Romans ihren Weg zum Albi­no Ver­lag gefun­den hat: Nicht nur die Über­set­zung, son­dern die gesam­te Auf­ma­chung des Buches, gewis­ser­ma­ßen die gestal­te­ri­sche Über­set­zung, erhält die mys­tisch-künst­le­ri­sche Aus­strah­lung des Originals. 

Ein dun­kel­blau­er Umschlag mit gol­de­nen Farb­kleck­sen und dem Abbild einer Büs­te ver­führt fast schon sire­nen­haft all die­je­ni­gen, denen er ins Auge fällt. Auf der Innen­sei­te folgt in bei­den Aus­ga­ben ein far­ben­fro­hes Fres­ko; es han­delt sich um einen Aus­schnitt aus – wie pas­send! – Der Lauf des Son­nen­wa­gens (1740) des vene­zia­ni­schen Künst­lers Giam­bat­tis­ta Tie­po­lo. Vor Tie­po­los Him­meln und Blau­tö­nen gibt es in die­sem Buch kein Ent­kom­men, weder im Eng­li­schen noch im Deut­schen. Sogar die dem ers­ten Kapi­tel vor­an­ge­stell­ten Zei­len aus Derek Jarm­ans Film Blue, einem fast aus­schließ­lich aus Ton bestehen­den Film, der über 70 Minu­ten lang nichts wei­ter als blaue Lein­wand zeigt, deu­ten dar­auf hin (von Ver­lag / Über­set­zer übri­gens im eng­li­schen Ori­gi­nal belassen).

Besag­te Anzie­hungs­kraft ent­fal­tet sich auch auf der Hand­lungs­ebe­ne. Denn je wei­ter der Prot­ago­nist Don Lamb auf sei­ner Rei­se gen wah­res Leben einer­seits und rapi­den Ver­fall ande­rer­seits vor­an­schrei­tet, des­to mehr zieht er uns in sei­nen Bann. Zuerst begeg­nen wir ihm in Cam­bridge, im Jah­re 1994, wo er als einer der renom­mier­tes­ten Kunst­his­to­ri­ker sei­ner Zeit eine kar­rie­re­fo­kus­sier­te, aske­ti­sche Exis­tenz führt (man beach­te die Tau­to­lo­gie sei­nes Namens: „Don“ ist auch eine Bezeich­nung für Pro­fes­so­ren, vor allem in Oxford und Cam­bridge). Die alten Gemäu­er Cam­brid­ges hat Don seit vie­len Jah­ren nicht mehr wirk­lich ver­las­sen, zumin­dest nicht für län­ge­re Zeit, und von der Welt außer­halb nimmt er herz­lich wenig wahr. Don ist ein vehe­men­ter und „uner­schro­cke­ner Ver­tei­di­ger der klas­si­schen Tra­di­ti­on“, sein Spe­zi­al­ge­biet der vene­zia­ni­sche Maler Tie­po­lo, über des­sen Fres­ken – genau­er: über das Blau des Him­mels dar­in – er ein monu­men­ta­les aka­de­mi­sches Werk ver­fasst; seit Jah­ren arbei­tet er obses­siv daran.

All das kommt jedoch zu einem abrup­ten Ende, als eine ers­te Bri­se moder­ner Kunst durch Dons Leben in Cam­bridge weht, in Form eines radi­kal unkon­ven­tio­nel­len Kunst­werks, das den Titel LOTTERBETT trägt und voll­kom­men uner­war­tet im Innen­hof des Col­leges auf­taucht. Don, dem jeg­li­che Art moder­ner Kunst zutiefst zuwi­der ist, schafft es nicht, sich mit die­ser Situa­ti­on zu arran­gie­ren. Folg­lich ent­schei­det er sich, sei­ne Pro­fes­so­ren­tä­tig­keit vor­erst zu been­den und statt­des­sen einen Pos­ten als Direk­tor eines Kunst­mu­se­ums in Dul­wich, Süd­lon­don, anzu­neh­men. Hier wird er schlag­ar­tig mit dem ech­ten Leben kon­fron­tiert, mit Men­schen außer­halb der aka­de­mi­schen Bla­se, mit scho­nungs­los moder­nen Ansich­ten zu Kunst und Ästhe­tik, mit Sex und aus­schwei­fen­dem Nacht­le­ben, sei­ner lan­ge unter­drück­ten Homo­se­xua­li­tät und sogar mit der Lie­be, in Gestalt eines jun­gen Künst­lers namens Ben. Und wäh­rend Don eine ganz neue, bis dahin ver­dräng­te Sei­te von sich selbst ken­nen­lernt, droht der sonst so dis­zi­pli­nier­te, beherrsch­te Pro­fes­sor zuneh­mend den Halt und die Kon­trol­le über sich selbst zu ver­lie­ren – und schlit­tert hin­ein in nahe­zu dio­ny­si­sche Zustände.

Cahills Pro­sa birgt nicht weni­ge Her­aus­for­de­run­gen für die Über­set­zung, dar­un­ter das sehr spe­zi­el­le Set­ting des aka­de­mi­schen und anti­quier­ten Cam­brid­ges und des exzen­tri­schen, wil­den Sohos, die Ple­tho­ra lite­ra­ri­scher und künst­le­ri­scher Ein­flüs­se und Refe­ren­zen sowie sprach­li­cher Bil­der und Meta­phern. In einem Inter­view mit The Art News­pa­per sag­te Cahill über Don: „I had this image of a man who was mid-care­er, mid-life, bril­li­ant­ly suc­cessful and renow­ned, but also fatal­ly ham­st­rung by his inex­pe­ri­ence of love and life and things bey­ond his aca­de­mic métier.“ Don hat der Lie­be abge­schwo­ren und sich kom­plett sei­nem Stu­di­um der Kunst­ge­schich­te bzw. Tie­po­los und der klas­si­schen Kunst ver­schrie­ben. Schon früh im Roman gibt er beim Din­ner am High Table sei­ne Defi­ni­ti­on von Kunst zum Besten:

Art (…) con­ju­res other rea­li­ties. It descri­bes worlds that resem­ble our own only in part. It trans­la­tes life into hig­her forms – digni­fies life – through the refrac­to­ry glass of alle­go­ry. Art, I belie­ve, is a sequence of con­fir­ma­ti­ons. Yes, con­fir­ma­ti­ons of what is good and true.

Kunst (…) beschwört ande­re Wirk­lich­kei­ten her­auf. Sie beschreibt Wel­ten, die unse­rer eige­nen nur teil­wei­se ähneln. Sie über­setzt das Leben durch das Brenn­glas der Alle­go­rie in höhe­re For­men – ver­leiht ihm Wür­de. Ich glau­be, Kunst ist eine Abfol­ge von Bekräf­ti­gun­gen. Ja, Bekräf­ti­gun­gen des­sen, was gut und wahr ist. 

Bar­tho­lo­mae bringt die Prä­zi­si­on und Elo­quenz, mit­hil­fe derer Don sei­nen Ansich­ten Aus­druck ver­leiht, auch im Deut­schen her­über, indem er mit sei­ner Wort­wahl sehr dicht am eng­li­schen Ori­gi­nal bleibt. Das „refrac­to­ry glass of alle­go­ry“ wird wort­wört­lich zum „Brenn­glas der Alle­go­rie“; Dons geho­be­ne, selbst ein wenig alle­go­ri­sche, aka­de­mi­sche Spra­che bleibt auf die­se Wei­se auch in der Über­set­zung erhalten.

Da bil­den­de Küns­te, Gemäl­de, Skulp­tu­ren und Col­la­gen ein solch zen­tra­les The­ma in Dons Leben als Kunst­his­to­ri­ker und spä­ter Muse­ums­di­rek­tor dar­stel­len, ent­hält Cahills Roman eine gan­ze Rei­he Beschrei­bun­gen ent­spre­chen­der Kunst­wer­ke. Auch hier bleibt Bar­tho­lo­maes Über­set­zung ten­den­zi­ell sehr nah am Ori­gi­nal, bei­spiels­wei­se bei der fol­gen­den, sehr leben­di­gen Beschrei­bung eines Tie­po­los, in der ledig­lich die Akti­vi­tät des „spi­ral­ling“ im Deut­schen der Les­bar­keit hal­ber zu einem Adjek­tiv gewor­den ist:

Hazy sky spi­rals out to encom­pass air­bor­ne bodies, (…) enti­re flot­il­las of acti­vi­ty – all sup­port­ed on cushion-like clouds that rise in fluffy tiers towards the apex of heaven. 

Spi­ral­för­mig umar­men duns­ti­ge Him­mel schwe­ben­de Kör­per, (…) gan­ze Geschwa­der an Akti­vi­tät – alle­samt getra­gen von kis­sen­glei­chen Wol­ken, die sich in flau­schi­gen Schich­ten zum Schei­tel­punkt des Him­mels auftürmen. 

Mit den detail­lier­ten, bild­haf­ten und vor allem auch wort­ge­wand­ten Beschrei­bun­gen von Kunst­wer­ken geht eine hohe Dich­te kul­tu­rel­ler Hin­ter­grün­de, Refe­ren­zen und Ein­flüs­se ein­her, die sich durch den Text zie­hen und die im Zuge einer Über­set­zung idea­ler­wei­se nicht nur erkannt, son­dern auch in die ande­re Spra­che trans­por­tiert wer­den. So ist die Rede unter ande­rem von Cara­vag­gio und Chia­ros­cu­ro, von Tur­ner und sei­nen Schiffs­ma­le­rei­en, und natür­lich von Tie­po­lo und der Art, wie er Licht und Him­mel malt, als „wes­ter­ly gleam, matu­tinal radi­ance, cre­pus­cu­lar tints“ bzw. „west­li­cher Schim­mer, mor­gend­li­ches Strah­len, dämm­ri­ge Schatten“. 

Zum klas­si­sche­ren kunst­his­to­ri­schen Hin­ter­grund kom­men Ele­men­te aus der zeit­ge­nös­si­schen Kunst­sze­ne der 90er Jah­re in Lon­don hin­zu, allen vor­an die moder­ne Skulp­tur, die in Dons Col­lege ein­zieht und ihn letzt­end­lich dazu bringt, Cam­bridge zu ver­las­sen. Es han­delt sich um ein Bett­ge­stell, umge­ben von Bier­do­sen und Klei­der­stü­cken, mit dem Titel SICK BED, im Deut­schen LOTTERBETT. Wäh­rend die offen­sicht­li­che Über­set­zung hier „Kran­ken­bett“ gewe­sen wäre, hat Bar­tho­lo­mae mit „Lot­ter­bett“ die Bedeu­tung der Skulp­tur für Don jedoch deut­lich bes­ser erfasst. „Lot­ter“ drückt den Zustand der Dege­ne­ra­ti­on, des Ver­falls der moder­nen Kunst­sze­ne aus, für den die Skulp­tur in Dons Augen sym­bo­lisch steht. Sie steht für alles, was er ver­ab­scheut (und zu dem er sich doch auch auf eigen­ar­ti­ge Wei­se hin­ge­zo­gen fühlt, wie immer deut­li­cher wer­den wird).

Wei­ter­hin tum­meln sich zahl­rei­che lite­ra­ri­sche Ein­flüs­se in Tie­po­lo Blau, man­che mehr, man­che weni­ger expli­zit. Allein aus die­sem Grund hät­te sich wohl kein pas­sen­de­rer Über­set­zer fin­den kön­nen als Bar­tho­lo­mae; nicht nur hat er sowohl Wil­de (Die Wahr­heit von Mas­ken) als auch Hol­ling­hurst (Der Hir­ten­stern) über­setzt, er hat noch dazu eine eige­ne Stu­die zur Rezep­ti­on von Manns Novel­le Der Tod in Vene­dig ver­fasst. Gera­de letz­te­res Werk ist sehr prä­sent in Cahills Roman; wie­der und wie­der erin­nert Dons Cha­rak­ter an Aschen­bach und wie­der und wie­der fin­det er sich in Aschen­bach­schen Sze­na­ri­en wie­der. So zum Bei­spiel, als er in einem Lon­do­ner Bus, mit einem Buch in sei­nem Schoß (exakt wie Manns Gus­tav von Aschen­bach selbst), einer Grup­pe aus­ge­las­se­ner Män­ner begeg­net, ange­führt von einem schau­der­haf­ten „jung-alten Mann“ – einem Mann, der auf den ers­ten Blick auf­grund sei­nes Ver­hal­tens jung scheint, in Wahr­heit jedoch ein Greis ist. 

Die­ser beginnt, ihn mit lal­len­den Wor­ten zu bedrän­gen. Anstatt Cahills „young-old“ in ein geläu­fi­ge­res Adjek­tiv zu trans­for­mie­ren, hat Bar­tho­lo­mae die Umständ­lich­keit der eng­li­schen For­mu­lie­rung im Deut­schen bei­be­hal­ten und signa­li­siert damit ein­wand­frei die Auf­fäl­lig­keit die­ser Sze­ne und der dar­in in Erschei­nung tre­ten­den Figur. Ähn­lich bei der Sze­ne, in der Don von einer Ver­an­stal­tung zurück in sein Lon­do­ner Quar­tier gefah­ren wird: Im Eng­li­schen heißt es hier „fer­ried back“. Bar­tho­lo­mae ver­leiht die­ser leicht zu über­se­hen­den For­mu­lie­rung die ihr gebüh­ren­de Auf­merk­sam­keit, indem er schreibt, dass Don vom „Fähr­mann“ zurück­ge­bracht wird. Ob wir es hier wohl mit dem Gon­do­lie­re aus Manns Novel­le zu tun haben, der Aschen­bach in sei­ne Resi­denz fährt (und dabei auf beun­ru­hi­gen­de Wei­se Ähn­lich­keit zum mytho­lo­gi­schen Cha­ron annimmt…)?

Wie bereits ange­deu­tet, fin­den sich auch Spu­ren von Alan Hol­ling­hurst und Oscar Wil­de (und eini­gen wei­te­ren Schrift­stel­lern) im Text. In Bezug auf Letz­te­ren hat Bar­tho­lo­mae eine inter­es­san­te Ent­schei­dung getrof­fen, die hier kurz her­vor­ge­ho­ben wer­den soll­te. Das Haus, in dem Don in Lon­don resi­diert, ist exzen­trisch ein­ge­rich­tet, vol­ler Skulp­tu­ren und Orna­men­te. Es wird ihm von einem Freund namens Val zur Ver­fü­gung gestellt, der es sein „House Beau­tiful“ nennt. Im Eng­li­schen besitzt die­se Bezeich­nung Anklän­ge an eine Vor­le­sung von Oscar Wil­de, The House Beau­tiful, gehal­ten 1882 in den USA, in der er auf die Bedeu­tung ästhe­ti­scher Innen­ein­rich­tung ein­geht. Im Deut­schen müs­sen die­se Anklän­ge unwei­ger­lich ver­lo­ren gehen: Bei Bar­tho­lo­mae wird Vals Haus zu Anfang gele­gent­lich als „Schö­ner Woh­nen“ bezeich­net, was Cahills (und Wil­des) For­mu­lie­rung noch etwas näher­kommt; spä­ter wird es, vor allem in Dons Gedan­ken, zum „Pup­pen­haus“. Auch ein Pup­pen­haus drückt die Künst­lich­keit und Thea­tra­li­tät aus, die in der Bezeich­nung eines Wohn­hau­ses als „House Beau­tiful“ mit­schwingt, und mag daher eine berech­tig­te Über­set­zung sein – man kann jedoch nur hof­fen, dass all die­se Impli­ka­tio­nen die kind­li­chen Spiel­zeug-Asso­zia­tio­nen eines Pup­pen­hau­ses ausstechen.

Bril­lie­ren kann Bar­tho­lo­maes Über­set­zung auch an jeder Stel­le, an der im Eng­li­schen sprach­li­che Bil­der und Moti­ve genutzt wer­den. Der­ar­ti­ge Moti­ve gibt es eini­ge, ganz beson­ders auf­fäl­lig sind die der Natur, ins­be­son­de­re der Buko­lik (so wird in Tie­po­lo Blau auch Ver­gils Buco­li­ca gern mal gele­sen) und des Was­sers, und bei­de neh­men im Lau­fe der Hand­lung zu. Als Don spät im Roman sagt „I’ve been put out to pas­tu­re“, macht Bar­tho­lo­mae dar­aus „Man hat mich auf die Wei­de hin­aus­ge­schickt“. Die­se For­mu­lie­rung ist im Deut­schen mei­nes Wis­sens nicht geläu­fig und trotz­dem kommt her­über, was gemeint ist: Don ist gekün­digt wor­den. Bar­tho­lo­mae schafft es trotz der Eigen­ar­tig­keit des eng­li­schen Aus­drucks auch im Deut­schen das sprach­li­che Motiv und des­sen Bedeu­tung zu erhalten.

Auch das Motiv des Was­sers, das sich wie die Kanä­le Vene­digs durch die sprach­li­che Struk­tur des gesam­ten Romans zieht, wird von Bar­tho­lo­mae kon­se­quent als sol­ches regis­triert und bei­be­hal­ten. An einer Stel­le ist die Rede davon, dass die Ver­nunft in einer „tie­fen blau­en See glück­li­cher Trun­ken­heit“ ver­sinkt. Im Eng­li­schen heißt der Satz: „Ratio­na­li­ty is sin­king beneath a deep blue sea of hap­py deli­ri­um.“ Manch­mal schafft der Über­set­zer sogar dort Was­ser­bil­der, wo im Ori­gi­nal gar kei­ne sind – ein­mal ist bei ihm die Rede vom „Zer­flie­ßen der For­men“, wo es im Eng­li­schen nur „sof­tening of forms“ heißt. 

Ent­schei­dun­gen wie die­se wären ohne­hin bei jedem Roman mit solch star­ken sprach­li­chen Bil­dern zu loben, bei einer Geschich­te hin­ge­gen, die eine der­art gro­ße Ähn­lich­keit zum Tod in Vene­dig auf­weist, noch ein­mal ein wenig mehr. Joa­chim Bar­tho­lo­mae hat James Cahills Roman authen­tisch und ori­gi­nal­ge­treu ins Deut­sche über­tra­gen, an genau den rich­ti­gen Stel­len sei­ne eige­nen Kennt­nis­se der kul­tu­rel­len Ein­flüs­se ange­wandt und in die Über­set­zung ein­ge­floch­ten. Ent­stan­den ist ein Tie­po­lo Blau, das zurecht den glei­chen Ein­band trägt wie sein eng­lisch­spra­chi­ges Original.


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