
„Du hast diese merkwürdige und grauenhafte Geschichte gelesen, Margaret; und gerinnt Dir nicht vor Entsetzen das Blut in den Adern?“
Seit über 200 Jahren versetzt Frankenstein Leser:innen weltweit in Angst und Schrecken. Kein anderer Name der Literaturgeschichte ist so sehr mit dem Monströsen und zugleich mit technischem Fortschritt verbunden wie Mary Shelleys Schöpfung. „Frankenstein“ ist in der modernen Popkultur als das schaurige Ergebnis eines fehlgeschlagenen Experiments bekannt – und als eine Art deformierter, geflickter Mensch, der dank wissenschaftlichem Größenwahn manchmal wiederbelebt oder gänzlich neu erschaffen wird. Als Symbolfigur muss Frankenstein also immer dann herhalten, wenn es um wissenschaftliche Errungenschaften, die Grenzen des menschlichen Daseins oder schlicht um männliche Hybris geht.
Mit dem Originalroman, auf dem der Frankenstein-Mythos beruht, haben moderne Darstellungen und Interpretationen oft nur wenig gemein. Die Unterschiede beginnen bereits beim Namen: Während „Frankenstein“ heute meist das Monster selbst bezeichnet, ist er in Shelleys Original der Name seines Schöpfers. Viktor Frankenstein ist eigentlich ein junger, ehrgeiziger Student im beschaulichen Ingolstadt, der sich dort den Naturwissenschaften verschreibt und seinen Gottkomplex in einem Projekt der besonderen Art auslebt.
Er erschafft eine „Kreatur“, die bis zum Ende namenlos bleibt. Sein Geschöpf ähnelt in seinen Eigenschaften dem Menschen, da es sowohl zu rationalem Denken als auch zu emotionalem Empfinden fähig ist. Optisch unterscheidet sich diese Kreatur jedoch stark von den heute verbreiteten Darstellungen. Wer Frankenstein googelt, landet womöglich zuerst bei James Whales’ Film Frankensteins Braut von 1935. Das ikonische Bild des Monsters mit seinem blassen Kopf, den Narben und Nähten ist klar als menschlich erkennbar. Ganz anders bei Shelley: Sie beschreibt die Kreatur als übergroßes, drahtiges Wesen mit gelber Haut, langem, dünnen schwarzen Haar und perlweißen Zähnen, das die Menschen – gerade weil es fremdartig scheint – in Angst und Schrecken versetzt.
Viktor Frankenstein sehnt sich nicht nach banalem Reichtum. Stattdessen träumt er schon in jungen Jahren von Ruhm und davon, den Menschen unverwundbar zu machen: „Leben und Tod schienen mir nur eingebildete Schranken zu sein, die ich als Erster niederreißen würde“, erzählt er rückblickend. Doch Frankenstein verliert die Kontrolle über seine Schöpfung, die zu eigenem Denken und zu eigenen Entscheidungen imstande ist. Ganz im Sinne von Goethes „die Geister, die ich rief, werde ich nun nicht los“ verfolgt das Geschöpf seinen Schöpfer, der vor seiner Verantwortung davonrennt, und rächt sich an den Menschen, die es verstoßen. Kein Wunder, dass Shelleys Erzählung auch in die Neuzeit passt. Frankensteins selbstherrliche Fantasien erinnern an heutige Tech-Mogule, die das Altern besiegen wollen, oder selbst ernannte Visionäre, die sich vor niemandem verantworten müssen – der über 200 Jahre alte Roman überdauert somit die Zeit, und die Faszination für den Mythos bleibt ungebrochen.
Seine Entstehungsgeschichte ist eine der bekanntesten Anekdoten der englischen Literaturgeschichte. Legendär sind nicht nur die Umstände, unter denen der Roman entstand, sondern auch Mary Shelleys Erziehung und Jugendjahre. Sie war das Kind zweier bedeutender Intellektueller: Ihr Vater, William Godwin, war Autor und Sozialphilosoph, ihre Mutter, Mary Wollstonecraft, verfasste mit Verteidigung der Rechte der Frau einen grundlegenden Text des europäischen Feminismus – und starb nur wenige Tage nach Marys Geburt.
Mary wird von ihrem Vater unterrichtet und wächst unter Halbgeschwistern auf, da ihr Vater noch einmal heiratet. Als Teenager lernt sie Percy Bysshe Shelley kennen, einen vielversprechenden jungen Dichter mit „heiklen“ politischen Ansichten (er ist Vegetarier, Verfechter der Französischen Revolution und Befürworter „freier“ Liebe), der ihren Vater als Mentor auserkoren hat. Mit 17 Jahren verlässt sie gegen den Willen des Vaters das Elternhaus und folgt Shelley, der damals noch verheiratet ist, aufs europäische Festland. Sie reisen zunächst durch Frankreich, treffen dann in Genf auf Lord Byron, seinerseits bereits ein Stardichter, der mit Marys Stiefschwester Claire Clairmont eine Affäre hat.
Im Vorwort zur überarbeiteten Ausgabe ihres Meisterwerks stellt Mary Shelley selbst die Frage, die sowohl ihre Zeitgenossen als auch viele moderne Leser:innen noch immer beschäftigt: „Wie kam ich, damals noch ein junges Mädchen, dazu, mir etwas derart Schreckliches auszudenken und in aller Ausführlichkeit zu erzählen?“ Die Schuld daran scheint vor allem bei Byron zu liegen. Der Sommer in Genf ist trübselig: Mary ist von mehreren Schwangerschaften erschöpft, Percy kämpft mit permanenten finanziellen Schwierigkeiten, und obendrein liegt im Jahr 1816 infolge eines Vulkanausbruchs buchstäblich Dunkelheit über der Welt. Die Tage am See sind düster und von Dauerregen geprägt.
Man hält sich mit Gespenstergeschichten, die aus dem Deutschen ins Französische übersetzt worden waren, bei Laune – bis Byron die Idee eines kleinen Wettstreits vorschlägt: Wer schreibt die beste Schauergeschichte? Der Name der Gewinnerin dürfte auf der Hand liegen. Mit gerade einmal 19 Jahren erschafft Mary Shelley eine der frühesten Science-Fiction-Geschichten überhaupt – und sichert sich damit einen Platz in der Literaturgeschichte.
1818 erscheint die erste Ausgabe von Frankenstein – zunächst ohne den Namen der Autorin. Doch schnell wird aufgedeckt, wer sich hinter dem Werk verbirgt. Dennoch schreiben viele Zeitgenossen große Teile der Erzählung nicht ihr allein zu, sondern auch ihrem Ehemann (sie und Percy heiraten nach seiner Scheidung) sowie ihrem Vater, der selbst ein erfolgreicher Romanautor war, obgleich seine Werke in Vergessenheit geraten sind. Die intertextuellen Referenzen seien zu zahlreich, der philosophisch-wissenschaftliche Gehalt zu anspruchsvoll für eine junge Frau, so die gängige Meinung. Frankenstein macht Mary Shelley berühmt: Der Roman wird gelesen, der Stoff bereits damals für die Bühne adaptiert. Den Erfolg ihres Debütromans wird sie nie übertreffen können, doch nach dem frühen Tod ihres Mannes – er ertrinkt mit nur 29 Jahren – lebt sie bis zu ihrem eigenen Tod vom Schreiben.
Frankenstein wird bereits kurz nach der Erstveröffentlichung übersetzt. Vermutlich existierte bereits im 19. Jahrhundert eine anonyme deutschsprachige Übersetzung. Die wohl älteste bekannte Übertragung stammt von Heinz Widtmann aus dem Jahr 1908. Diese Übersetzung ist frei verfügbar, wird andererseits auch immer noch von Verlagen, darunter aktuell S. Fischer, gedruckt. Seit dieser Übersetzung wurde Frankenstein mindestens weitere neunmal übersetzt, was den Frankenstein-Kult des 20. Jahrhunderts eindrücklich veranschaulicht.
Berücksichtigt werden in diesem Artikel lediglich Übersetzungen, die noch verfügbar sind – also in lokalen Buchhandlungen vorrätig oder zumindest bestellbar. Dazu zählt die Übersetzung von Friedrich Polakovics, die ursprünglich 1970 bei Hanser erschien und noch immer von Anaconda verlegt wird. Eine weitere Übersetzung stammt aus dem Jahr 1968 von Karl Bruno Leder und Gert Leetz und ist aktuell als Insel-Taschenbuch erhältlich. Zudem ist die Übertragung von Christian und Ursula Grawe verfügbar, die 1986 erstmals bei Reclam erschien. Die jüngste, mittlerweile jedoch auch schon zwanzig Jahre alte Übersetzung stammt von Alexander Pechmann aus dem Jahr 2006. Sie erschien damals im Patmos Verlag und wurde 2017 erneut von Manesse verlegt. Derzeit ist die Übersetzung als Penguin Edition erhältlich.
Ein Entscheidungskriterium für oder gegen eine dieser Übersetzungen könnte die Frage sein, auf welcher Fassung sie basiert. Frankenstein ist im englischen Original sowohl in der Urfassung von 1818 als auch in der von Mary Shelley selbst überarbeiteten Version von 1831 erhältlich. Letztere ist etwas weiter verbreitet, doch selbst in der englischsprachigen Literaturwissenschaft herrscht Uneinigkeit darüber, welche der beiden Fassungen die bessere ist. Es erscheint einleuchtend, dass Mary Shelley ihr wohl wichtigstes Werk, das sie blutjung verfasst hat, rückblickend Anpassungen unterwirft. Dass es sich dabei aber lediglich um „stilistische“ Änderungen handle, wie die Autorin im Vorwort erläutert, wurde bekanntermaßen als Farce enttarnt.
Die inhaltlichen Ergänzungen in der Version von 1831 umfassen mehrere längere Passagen, die vor allem im ersten Teil des Buchs zu tragen kommen und Frankensteins Figur mehr Tiefe geben sollen, ihn aber gleichzeitig auch stärker der Verantwortung gegenüber seiner Schöpfung entheben. Verfechter der Urfassung argumentieren, dass Mary Shelley mit ihren Änderungen auf den Druck konservativer Stimmen eingegangen sei. Beispielsweise wurde rückwirkend Frankensteins Cousine Elisabeth, mit der er aufwächst und die er später heiratet, zu einem Findelkind gemacht.
Alexander Pechmanns Übersetzung ist die einzige, die auf der Urfassung beruht und im Anhang auf die geänderten Passagen verweist. Die Urfassung lag bis dato nicht auf Deutsch vor, was sicherlich einen dankbaren Anlass für eine Neuübersetzung bot. Alle anderen Übersetzungen folgen der Version von 1831, was nicht per se verkehrt ist, da es sich schlicht um eine von der Autorin autorisierte Überarbeitung handelt. Dennoch dürfte jedoch jede Frankenstein-Lektüre von einem Anmerkungsapparat profitieren, der darüber Aufschluss gibt.
Frankenstein ist nur schwer einem bestimmten Genre zuzuordnen, und womöglich ist es auch mühsam, den Roman in arbiträre Kategorien zu pressen. Er enthält Elemente des Schauerromans, gilt als Vorreiter des modernen Science-Fiction-Romans und steht auch in der Tradition der Romantikbewegung des frühen 19. Jahrhunderts. Sprachlich erinnert er mitunter an Goethes Werther, eines der Bücher (zusammen mit Miltons einflussreichem Paradise Lost), die das Geschöpf selbst im Roman liest. Der Pathosgehalt ist mitunter hoch, die Sprache stets recht emotional. Es wird geweint, geklagt, geflucht – was jedoch nicht unpassend ist, geht es doch nun mal die Frage, wer wie leben darf.
Gleichzeitig ist die Ausdrucksweise der Figuren stets gehoben und eloquent, zuweilen auch etwas gekünstelt. Womöglich sorgt dies dafür, dass Mary Shelleys Stil die Gemüter noch immer etwas spaltet. „Zu voller Größe in den Annalen der Weltliteratur fehlt Mary Shelleys Frankenstein allerdings die sprachliche Originalität und Ausdruckskraft“, urteilt beispielsweise der Übersetzer Christian Grawe in seinem Nachwort – ein seltsames Urteil, ist doch der Klassikerstatus heute unumstritten. Aber wie wir gleich sehen werden, interpretiert jeder Übersetzer das Werk und seine sprachliche Ausdruckskraft eben ein wenig anders.
Heinz Widtmanns Übersetzung ist über 100 Jahre alt und ein gutes Beispiel dafür, dass eine alte Übersetzung nicht automatisch altmodisch wirken muss. Tatsächlich ist die Übertragung von Friedrich Polakovics deutlich altbackener und geschwollener als Widtmanns leichtfüßiger Stil. Der Übersetzer hat ein Flair für Atmosphäre und Spannungsaufbau, von dem sein emanzipierter Umgang mit dem Original profitiert. Zum Beispiel in der folgenden Szene: Als Frankenstein die Arbeit an seiner Kreatur beendet hat, befällt ihn ein Gefühl der Unbehaglichkeit und Reue. Wie ein Kind flüchtet er in sein Bett, nur um dort nach einem Albtraum freudschen Ausmaßes aufzuwachen und seine Schöpfung vor sich zu finden:
I started from my sleep with horror; a cold dew covered my forehead, my teeth chattered, and every limb became convulsed; when, by the dim and yellow light of the moon, as it forced its way through the window shutters, I beheld the wretch—the miserable monster whom I had created. (Mary Shelley, 1831)
Ich fuhr entsetzt auf; kalter Schweiß rann mir über die Stirn, meine Zähne klapperten und meine Glieder zitterten. Und da – da stand im bleichen, gelblichen Lichte des Mondes, das durch die Fenstervorhänge drang, das Ungeheuer, das ich geschaffen. (Heinz Widtmann 1908).
Zutiefst entsetzt schrak ich aus meinem Schlummer – der kalte Angstschweiß brach mir aus der Stirn – der ganze Körper zog sich mir zusammen – und zähneklappernd blickte ich um mich: In dem schwachen, gelblichen Mondlichte, welches durch die Fensterläden in die Kammer quoll, stand jenes erbärmliche Monstrum vor mir – der fürchterliche Popanz, welchen ich erschaffen! (Friedrich Polakovics, 1970)
Entsetzt schreckte ich aus dem Schlaf auf, kalter Schweiß bedeckte meine Stirn, meine Zähne klapperten, und mein ganzer Körper hatte sich verkrampft. Da erblickte ich im dämmrigen, gelben Licht des Mondes, das durch die Fensterläden drang, den Teufel, das elende Monstrum, das ich erschaffen hatte. (Alexander Pechmann, 2006)
Indem Widtmann den Satz in seiner Übersetzung mit „und da“ beginnt, eine Spannungspause einfügt und eine Wortwiederholung verwendet (ja, was ist denn nun „da“?), sichert er sich die Aufmerksamkeit seiner Lesenden. Im direkten Vergleich schneidet seine Übersetzung in puncto Lesbarkeit gut ab: Während Polakovics in seiner für ihn typischen Manier übertreibt, gerät Pechmanns Übersetzung so zurückhaltend, dass man die Passage glatt überlesen könnte.

Zwei Probleme von Widtmanns Übersetzung deutet die zitierte Passage jedoch bereits an: Zum einen endet sein Satz wenig elegant, zum anderen führt die Verschiebung des Gedankenstrichs auch zu einer Bedeutungsverschiebung. Während im Original der Gedankenstrich den Fokus darauf lenkt, dass Frankenstein vor einem Monster steht, das er selbst erschaffen hat, dient das Satzzeichen in Widtmanns Übertragung primär dem Spannungsbogen.
Verheerender wird es jedoch an einer anderen Stelle im Buch, die Widtmanns fehlerhaftes Verständnis des Originals anschaulich aufdeckt. Die Kreatur verfolgt ihren Schöpfer Frankenstein und berichtet ihm unaufgefordert von ihren verstörenden Erfahrungen mit den Menschen. Das erste ungewollte, aber schicksalhaft passendes Opfer des Geschöpfs ist Frankensteins jüngerer Bruder, dem es im Wald begegnet. Der Junge fordert es auf, ihn in Ruhe zu lassen, und beschimpft die Kreatur als „häßliche[n] Mann!“ und „greulicher Mensch!“.
Im Original ist an dieser Stelle von „ugly wretch“ und „hideous monster!“ die Rede – Begriffe, die in anderen Übersetzungen mit „Ungeheuer“, „Scheusal“ oder „Ungetüm“ wiedergegeben werden. Die Kreatur als „Mensch“ zu bezeichnen, greift das moderne Frankenstein-Bild vorweg, das das Monster häufig als entstellten Menschen darstellt – eine Interpretation, die im Original jedoch nur bedingt angelegt ist. Die Kreatur ähnelt zwar dem Menschen, ist aber so einzigartig, dass sie von ihm – darunter auch von diesem Jungen – nicht als Mensch erkannt und infolgedessen ausgegrenzt wird. Auf der Handlungsebene bewirkt dieser Ausschluss, dass die Kreatur von Frankenstein verlangt, eine Gefährtin zu erschaffen – was diesen in eine moralische Zwickmühle bringt. Folglich ist es treffender, die Kreatur beispielsweise als „Unmensch“ zu bezeichnen, wie es Karl Bruno Leder und Gert Leetz in ihrer Übersetzung tun.
Schlichtweg falsch ist jedoch die Übersetzung der folgenden Passage:
Can you wonder that such thoughts transported me with rage? I only wonder that at that moment, instead of venting my sensations in exclamations and agony, I did not rush among mankind and perish in the attempt to destroy them. (Mary Shelley, 1831)
Brauche ich dir zu sagen, daß dieser Gedanke meinen Zorn von neuem anstachelte? Ich wundere mich selbst, daß ich nicht, anstatt meinen Schmerz durch lautes Brüllen hinauszuschreien, mich auf die Menschheit stürzte, um sie zu vernichten. (Heinz Widtmann, 1908)
Nimm’s dich noch wunder, dass derlei Erwähnungen mich mit Grimm erfüllten? Was mich wunder nimmt, ist einzig der Umstand, dass ich in jenem Momente meinen Gefühlen bloß in Ausrufen der Seelenqual Luft machte, nicht aber mich sogleich auf diese Menschheit stürzte, um in dem Versuche, sie mit Stumpf und Stiel auszurotten, meinen Untergang zu finden! (Friedrich Polakovics, 1970)
Wunderst du dich darüber, dass solche Gedanken mich zu Wutausbrüchen hinrissen? Ich wundere mich nur, dass ich mich in dem Augenblick nicht, anstatt meine Empfindungen im lauten Ausdruck meiner Seelenqualen abzureagieren, unter die Menschheit stürzte und bei dem Versuch, sie zu vernichten, umkam. (Christian und Ursula Grawe, 1986)
Widtmann unterschlägt die Bedeutung von „perish“, das so viel wie „umkommen“ bedeutet. Dieses Wort verleiht der Aussage von Frankensteins Monster eine melancholische Note. Sein Bedürfnis nach Rache entspringt der Ablehnung, die es durch die Menschen erfahren hat, doch sie zu vernichten bedeutet zugleich seinen eigenen Untergang. Mit diesem Satz nimmt die Kreatur, die Frankensteins Leben Schritt für Schritt zerstört, gewissermaßen ihr eigenes Ende vorweg. Dass dieses Wort in Widtmanns Übersetzung fehlt, verändert den gesamten Absatz. Auch in der Fischer-Ausgabe ist dieser Fehler – neben weiteren – zu finden. Sollte diese Übersetzung also weiterhin verlegt werden, wäre eine Überarbeitung wünschenswert.
Während über den Übersetzer Heinz Widtmann so gut wie nichts bekannt ist, lassen sich zu Friedrich Polakovics zumindest einige Informationen finden. Er war ein österreichischer Schriftsteller, der zeitlebens Werke von Ian Fleming, Oscar Wilde und Rudyard Kipling übersetzte. Erstaunlich ist, dass seine Version von 1970 nicht nur älter wirkt als die älteste deutschsprachige Übersetzung, sondern auch deutlich schwülstiger. Seine Sprache ist derart aufgeblasen, übertrieben pathetisch und künstlich, dass man beim Lesen entweder unweigerlich lachen muss – oder sich weniger vor dem Inhalt als vielmehr vor der dramatischen Ausdrucksstärke des Übersetzers gruselt.

Ansätze davon zeigen sich bereits in der zitierten Passage. „Nimm’s dich noch wunder“ mag man noch als österreichischen Dialekt verbuchen, doch schon Formulierungen wie „mit Stumpf und Stiel auszurotten“ für „destroy“ zeigen die Freiheiten, die sich der Übersetzer genommen hat. Übertreibungen und Überspitzungen finden sich an zahlreichen Stellen: Aus „bright visions of extensive usefulness“ werden „strahlende Visionen späteren, segensreichen Wirkens“, aus „inclemency of the weather“ ein „ungenädiger Wettergott“, aus „student’s thirst for knowledge“ die „Wissbegier eines Studiosus“. Doch nicht nur in einzelnen Phrasen steckt immer ein Hauch zu viel – auch ganze Sätze oder Absätze sind in Polakovics’ Übersetzung oft doppelt so lang wie in anderen Fassungen. Ein Beispiel:
The different accidents of life are not so changeable as the feelings of human nature. (Mary Shelley, 1831)
Wie wandelbar ist doch das Menschenherz! Nicht einmal die Wechselfälle des Lebens reichen an seine Widersprüchlichkeit heran! (Friedrich Polakovics, 1970)
Die Zufälle des Lebens sind nicht so wechselhaft wie die Empfindung der menschlichen Natur. (Karl Bruno Leder und Gert Leetz, 1968)
Die verschiedenen Zufälle des Lebens sind nicht so wechselhaft wie menschliche Gefühle. (Alexander Pechmann, 2006)
Der zitierte Satz stammt aus einem Abschnitt, in dem Frankenstein seinem treuen Zuhörer Walton – dem Kapitän eines Schiffes gen Nordpol, das Frankenstein aufnimmt – von der Entstehung der Kreatur und seinen Empfindungen bei deren Anblick berichtet. Was in anderen Fassungen als nüchterne, retrospektive, aber doch philosophische Feststellung intendiert ist, wird bei Polakovics zu einer Reihe emphatischer Ausrufe, die offenbar Frankensteins Verzweiflung und insgesamt fragilen Gemütszustand betonen sollen. Verstärkt wird dies durch Polakovics’ bedauernswertem Hang zu Ausrufezeichen an Stellen, an denen keine vorgesehen sind.
Bereits seine Übersetzung der einleitenden Sätze lässt vermuten, dass er sich eher als Übersetzer eines dramatischen Monologs versteht:
How can I describe my emotions at this catastrophe, or how delineate the wretch whom with such infinite pains and care I had endeavoured to form? (Mary Shelley, 1831)
Wie fange ich’s an, Euch die Empfindung zu beschreiben, welche mich in dem schicksalhaften Augenblicke durchbebten, da das Verhängnis seinen Anfang nahm? Wie gebe ich euch ein treuliches Abbild der Spottgeburt, welche ich mit unendlicher Mühe und Sorgfalt zu formen versucht? (Friedrich Polakovics, 1970)
Wie könnte ich Ihnen beschreiben, was ich empfand, und das Ungetüm schildern, das ich da mit so viel Mühe und Fleiß geschaffen? (Karl Bruno Leder und Gert Leetz, 1968)
Wie kann ich meine Gefühle angesichts dieser Katastrophe schildern, wie den elenden Teufel beschreiben, auf dessen Erzeugung ich solch unendliche Mühe und Sorgfalt verwendet hatte? (Alexander Pechmann, 2006)
Auch das Original klingt – zumindest in der zweiten Hälfte des Satzes – durchaus etwas schwerfällig und altertümlich. Wie daraus jedoch Polakovics’ Übersetzung entstehen konnte, lässt sich wohl nur damit erklären, dass an dieser Stelle seine eigenen dichterischen Ambitionen die übersetzerischen überschattet haben. Diese Herangehensweise hat in seiner Frankenstein-Übersetzung nicht nur einen befremdlichen Effekt, sondern schlichtweg auch einen verfremdenden, der durch die hin und wieder anzutreffende österreichische Mundart verstärkt wird. Die Übersetzung erreicht ihren komischen Höhepunkt vor allem dann, wenn die Kreatur Frankenstein immer wieder als „Erdenwurm“ (im Original „man“) bezeichnet.
Zwei Jahre vor Friedrich Polakovics’ eigensinniger Übertragung erschien die Frankenstein-Übersetzung von Karl Bruno Leder und Gerd Leetz im Insel Verlag. Obwohl beide Übersetzungen nahezu zeitgleich veröffentlicht wurden, schlagen sie völlig unterschiedliche Wege ein. Dies unterstreicht eindrucksvoll, dass nicht nur der Zeitgeist eine Rolle spielt, sondern auch die individuelle Herangehensweise der Übersetzenden. Leder & Leetz wählen eine Stilrichtung, der auch andere moderne Übersetzungen verfallen. Im Vergleich wirkt ihre Version – ebenso wie andere jüngere Übersetzungen – geradezu entschlackt und stilistisch gestrafft, wie unter anderem das folgende Beispiel zeigt. Frankenstein benennt die Einflüsse seiner Jugend:
The raising of ghosts or devils was a promise liberally accorded by my favourite authors, the fulfilment of which I most eagerly sought; and if my incantations were always unsuccessful, I attributed the failure rather to my own inexperience and mistake than to a want of skill or fidelity in my instructors. And thus for a time I was occupied by exploded systems, mingling, like an unadept, a thousand contradictory theories and floundering desperately in a very slough of multifarious knowledge, guided by an ardent imagination and childish reasoning, till an accident again changed the current of my ideas. (Mary Shelley, 1831)
Das Beschwören von Geistern oder Teufeln war ein von meinen Lieblingsautoren großzügig gegebenes Versprechen, dessen Erfüllung ich eifrig anstrebte, und wenn meine Anrufungen stets ohne Erfolg blieben, so schrieb ich das Mißlingen eher meiner eigenen Unerfahrenheit und meinen Fehlern zu als einen Mangel an Glaubwürdigkeit bei meinen Lehrern. Und so war ich die ganze Zeit mit überholten Theorien beschäftigt, brachte wie ein Laie tausend einander widersprechende Systeme durcheinander und mühte mich verzweifelt in einem wahren Sumpf der mannigfaltigsten Wissenschaften ab, geleitet von wilden Vorstellungen und kindischen Gedanken, bis ein unvorhergesehenes Ereignis meinem Lebenslauf eine andere Richtung gab. (Karl Bruno Leder und Gert Leetz, 1968)
Die Heraufrufung von Geistern oder Teufeln war der Gegenstand meines heißesten Bemühens, denn dergleichen war mir von meinem Lieblingsautoren aufs Freizügigste verheißen worden. Und den beständigen Misserfolg meiner Beschwörung schreibe ich nicht nur zu bereitwillig der eigenen Unerfahrenheit, den eigenen Fehlern zu, ohne jemals meinen Lehrmeistern mangelndes Geschick oder gar Unglaubwürdigkeit vorzuwerfen. So war ich eine Zeit lang völlig in Anspruch genommen von allerlei längst verworfnen Denksystemen, vermengte als ein verkehrter Adapt ein ganzes Tausend widersprüchlicher Theorien und mühte mich verzweifelt, in einem veritablen Sumpf aus Fragmenten der mannigfaltigsten Wissensgebiete voranzukommen, geführt von der brennenden Einbildungskraft einer kindischen Vernunft – bis ein weiterer Vorfall mein Denken abermals in neue Bahn lenkte. (Friedrich Polakovics, 1970)
Das Versprechen, Geister und Teufel erwecken zu können, wurde von meinen Lieblingsautoren großzügig gegeben und seine Erfüllung aufs sehnlichste von mir gewünscht; und wenn meine Beschwörungen immer erfolglos blieben, so schrieb ich mein Scheitern eher meiner eigenen Unerfahrenheit und meinen Fehlern zu als einem Mangel an Geschick oder Glaubwürdigkeit aufseiten meiner Lehrer. Und so war ich eine Zeitlang mit längst überholten Systemen beschäftigt, vermengte wie ein ahnungsloser Laie eine Unzahl sich widersprechender Theorien und blieb verzweifelt in einem wahren Sumpf von allem möglichen Wissen stecken, wobei ich nur von blühender Phantasie und kindischem Verständnis geleitet wurde, bis ein Vorfall die Richtung meiner Gedanken von neuem änderte. (Christian und Ursula Grawe, 1986)
Das Heraufbeschwören von Geistern und Dämonen galt meinen Lieblingsautoren durchweg als vielversprechend, sodass ich selbst eifrig Versuche auf diesem Gebiet anstellte. Und den steten Misserfolg meiner Beschwörungen schrieb ich eher meiner eigenen Unerfahrenheit und meinen Fehlern zu als der mangelnden Fachkenntnis oder Genauigkeit meiner Lehrmeister. (Alexander Pechmann, 2006)
An dieser und vielen weiteren Stellen wird sichtbar, dass Shelleys Original nicht so leicht zu bezwingen ist. Einerseits auf semantischer Ebene – was bedeuten „exploded Systems“ oder „a slough of multifarious knowledge“ (eine Anspielung auf The Pilgrim’s Progress)? Andererseits stellt auch der Satzbau mit seinen Verkettungen und Einschüben eine Herausforderung dar: Er trägt zwar zum elaborierten Stil der Autorin bei, birgt jedoch ebenfalls Stolperfallen. Die Unterschiede zwischen der Übersetzung von Leder & Leetz und der von Polakovics dürften für Leser:innen auf den ersten Blick erkennbar sein, während die Abweichungen beispielweise zwischen der Übersetzung von Leder & Leetz und der von den Grawes deutlich subtiler – aber dennoch nachvollziehbar – sind.

So werden bei Leder & Leetz den Theorien und Systemen zum Beispiel jeweils andere Adjektive zugeordnet, was den Sinn leicht verschiebt. Und aus „ardent phantasies“ wird bei ihnen „wilde Vorstellungen“, während die Grawes mit „blühender Phantasie“ eine Übersetzung wählen, die im Kontext von „kindischem Verständnis“ etwas passender erscheint. Zudem übersetzen Leder & Leetz „current of my ideas“ mit „Lebenslauf“ – ein Begriff, der andere Assoziationen weckt und den Kern nicht ganz trifft, da hier doch die „Gedanken“ der entscheidende Aspekt sind. Dennoch werden solche Auslegungen oder Abweichungen tatsächlich nur im direkten Vergleich mit dem Original und anderen Übersetzungen deutlich. Wer die Übersetzung für sich liest, dürfte insgesamt wenig zu beanstanden haben.
Im zitierten Beispiel werden auch die Unterschiede zwischen den Übersetzungen, die auf der Fassung von 1831 basieren, und der Übersetzung von Alexander Pechmann, die sich an der Urfassung von 1818 orientiert, deutlich. Shelley hat die Passage im Original verdichtet und mit zusätzlichen Details angereichert. In der Urfassung ist weder von sich widersprechenden Theorien noch von veralteten Systemen die Rede. Dieser Zusatz soll die Einflüsse auf Frankenstein stärker herausarbeiten und somit seine Entwicklung plausibler machen. Gleichzeitig wirkt die überarbeitete Fassung an manchen Stellen jedoch auch belehrender:
I do not know that the relation of my misfortunes will be useful to you, yet, if you are inclined, listen to my tale. I believe that the strange incidents connected with it will afford a view of nature, which may enlarge your faculties and understanding. (Mary Shelley, 1818)
I do not know that the relation of my disasters will be useful to you; yet, when I reflect that you are pursuing the same course, exposing yourself to the same dangers which have rendered me what I am, I imagine that you may deduce an apt moral from my tale, one that may direct you if you succeed in your undertaking and console you in case of failure. (Mary Shelley, 1831)
Ich weiß nicht, ob der Bericht meiner Missgeschicke Ihnen nützlich sein wird, aber wenn Sie mögen, lauschen Sie meiner Geschichte. Ich glaube, die merkwürdigen Ereignisse, die damit verbunden sind, werden Ihnen eine Sichtweise der Natur vermitteln, die Ihren Verstand und Ihr Wissen erweitern könnte. (Alexander Pechmann, 2006)
Ich weiß nicht, ob die Erzählung meiner Missgeschicke Ihnen von Nutzen sein wird; doch wenn ich bedenke, dass Sie denselben Weg verfolgen, sich den gleichen Gefahren aussetzen, die mich zu dem gemacht haben, was ich bin, dann kann ich mir vorstellen, dass Sie die richtigen Lehren aus meiner Geschichte ziehen, Lehren, die Ihnen den Weg zeigen, wenn Sie mit Ihrem Unternehmen Erfolg haben, und Sie trösten, wenn Sie scheitern. (Christian und Ursula Grawe, 1986)
Von einer „Lehre“, also einer „apt moral“, die aus dem Roman gezogen werden soll, ist in Pechmanns Übersetzung nicht die Rede. Zwar suggeriert auch die Urfassung, dass die Lesenden Erkenntnisse aus der Erzählung gewinnen könnten, doch die überarbeitete Version schlägt einen deutlich warnenderen Tonfall an. Während in der einen Variante die „merkwürdigen Ereignisse“ im Vordergrund stehen, sind es in der anderen die „Gefahren“. In der Übersetzung der Grawes wird dieser Effekt noch verstärkt: Durch die Wiederholung des Wortes „Lehren“, das eingefügt wurde, um den letzten Teil des Satzes zu strukturieren, wird dieser Aspekt der Lektüre besonders betont.

Alexander Pechmann hat neben Frankenstein auch andere Erzählungen von Mary Shelley sowie einige Werke von Herman Melville und Mark Twain übersetzt. Seine Fassung von Frankenstein zeichnet sich durch die sorgfältige Aufbereitung der Urfassung und den dazugehörigen Anmerkungen aus. Sie ist stilsicher, wenn auch im Vergleich zurückhaltend, ohne dabei den Originaltext zu entstellen. An manchen Stellen kommt man nicht umhin, sich ein bisschen mehr Verve zu wünschen. Gerade die älteren Übersetzungen zeichnen sich in einigen Passagen durch eine gewisse Kraft aus und scheuen sich nicht vor sentimentalen Formulierungen.
Einer der berühmtesten Sätze aus Frankenstein soll an dieser Stelle noch einmal die Eigenheiten der unterschiedlichen Übersetzungen unterstreichen. Die von den Menschen verstoßene Kreatur, von Einsamkeit gequält, fordert von Frankenstein, ihr ein weibliches Ebenbild zu erschaffen. Zunächst will Frankenstein diesem Gesuch nachkommen, doch kurz vor der Vollendung zerstört er die weibliche Version. Daraufhin bennent die Kreatur, die genauen Umstände ihres Racheakts:
It is well. I go; but remember, I shall be with you on your wedding-night. (Mary Shelley, 1831)
Nun gut; ich gehe. Aber verlasse dich darauf: in deiner Brautnacht werde ich bei dir sein. (Heinz Widtmann, 1908)
Nun gut, ich werde gehen, aber denk daran: Ich werde dich in deiner Hochzeitsnacht heimsuchen! (Karl Bruno Leder und Gert Leetz, 1968)
Nun gut, so sei es denn! Ich gehe jetzt! Allein, sei dessen eingedenk: Ich werde dich besuchen in deiner Hochzeitsnacht! (Friedrich Polakovics, 1970)
Wie du willst. Ich gehe, aber vergiss nicht, ich werde in deiner Hochzeitsnacht bei dir sein. (Christian und Ursula Grawe, 1986)
Nun gut. Ich gehe. Aber denk daran: In deiner Hochzeitsnacht werde ich bei dir sein. (Alexander Pechmann, 2006)

Das Spezialgebiet von Ursula und Christian Grawe sind eigentlich die Austen-Romane. Das Nachwort, in dem sich Christian Grawe etwas abfällig über den Stil der Autorin äußert, deutet womöglich an, dass Frankenstein nicht ganz seinem Geschmack entsprach. Dies merkt man der Übersetzung, die an manchen Stellen treffender als die von Leder & Leetz, aber weniger schlicht als die von Pechmann ist, nicht an. Das „heimsuchen“ mag auf den ersten Blick gruseliger klingen, da es an spukende Geister erinnert, doch weitaus schauriger und eindringlicher ist die Vorstellung, dass die Kreatur bei ihm sein wird. Besonders seltsam ist an dieser Stelle wieder Polakovics’ „besuchen“ – als würde die Kreatur in der Hochzeitsnacht an Frankensteins Tür klopfen wollen.
Auch die Übertragung des Satzanfangs verdeutlicht die vielen Unterschiede zwischen den Übersetzungen. Während Polakovics in für ihn typischer Manier einige Ausrufe hinzudichtet, interpretiert Widtmann „remember“ in eine ganz andere Richtung. „Verlass dich drauf“ nimmt die Handlung vorweg, obwohl zumindest Frankenstein nicht sicher ist, ob die Kreatur ihrem Versprechen tatsächlich Folge leisten wird. Pechmanns „denk daran“ klingt hingegen etwas sanfter als das warnende, eindringliche „aber vergiss nicht“ der Grawes, die mit ihrem „wie du willst“ zeigen, dass sie sich Spielraum schaffen. Während andere Übersetzungen den Fokus mehr auf die Ambivalenz der Beziehung zwischen den Figuren legen, während die Grawes bewusst eine stärkere Differenzierung der Stimmungen im Text einbringen.
So weist jede dieser Frankenstein-Übersetzungen ihre eigenen Merkmale auf, die sie mal mehr, mal weniger lesenswert machen. Dies zeigt erneut, dass alle Übersetzenden eigene Schwerpunkte setzen, wodurch sich der Blick auf den Roman bei jeder Lektüre einer neuen Übersetzung leicht – oder spürbar – verändern kann. Für eine erste Lektüre des Klassikers sind die Übersetzungen von Heinz Widtmann und Friedrich Polakovics wenig geeignet. Letztere könnte vor allem dann von Interesse sein, wenn man den Roman besonders gut kennt, sollte jedoch mit einer gewissen Toleranz gelesen werden, da es fraglich ist, ob es sich um eine wirklich ernsthafte Übersetzung handelt. Die solide Übertragung von Karl Bruno Leder und Gert Leetz dürfte im Regal stehenbleiben, während die Übersetzung der Grawes allerdings stilistisch insgesamt mehr bietet. Wer darüberhinaus die gesamte Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte von Frankenstein nachvollziehen möchte, ist mit Pechmanns Übersetzung am besten versorgt – zumindest bis die nächste Neuübersetzung (eine große Netflix-Verfilmung von Guillermo Del Toro ist für den Herbst geplant) erscheint.