Dieser Essay ist ursprünglich in englischer Sprache bei Words Without Borders erschienen.
Übersetzung: Theresa Rüger
Sag nicht, es sei das beste Buch, das du seit Langem gelesen hast, selbst wenn das stimmt, und vor allem dann nicht, wenn es stimmt.
Sag, du hast das Buch auf einem Nachtflug durchgelesen, mit quengelndem Kleinkind auf dem Schoß, weil es nämlich so war, und Lektor*innen wissen eine Prise Menschlichkeit zu schätzen.
Schreib keine zu lange Mail, in der Kürze liegt die Würze.
Schreib eine Mail, die lang genug ist, um Interesse zu wecken.
Hak nach, aber nicht zu oft, oder zu früh.
Sag nicht Keine Eile!, wenn eine Lektorin dir verspricht, zeitnah zu antworten, das passiert eh nicht.
Sag nicht Keine Sorge!, wenn eine Lektorin dein Projekt nach zehn Monaten ablehnt und sich für die späte Antwort entschuldigt, du hast dir nämlich sehr wohl Sorgen gemacht, stimmt’s?
Sag Danke für Ihre Zeit, überquellende Postfächer und drohende Deadlines haben wir doch alle, und den Kopf voll mit allzu realen existenziellen Sorgen.
Sei nicht zu formell, sonst outest du dich als älteren Millennial.
Sei nicht zu locker, sonst verschreckst du die älteren Millennials.
Sag nicht Ich bin gespannt auf ihre Rückmeldung!, niemand mag Schleimer.
Sag nicht Mir ist aufgefallen, dass Sie gar nichts von XYZ in Ihrem aktuellen Programm haben, niemand mag Kritiker.
Verwende eine verbindliche Abschiedsfloskel wie Wärmstens oder Herzlich, Adverbien vermitteln unmittelbar Intimität.
Antworte nicht mit einem traurigen Tier-GIF, auch wenn die betreffende Lektorin selbst eins als Antwort schickt (das bedeutet NEIN).
Antworte nicht mit einem Scherz oder einem Kommentar zum Wetter – Frühling im Anmarsch! –, auch wenn die Lektorin einen als Antwort schickt – Fröhlicher Herbstanfang! – (das bedeutet VIELLEICHT).
Leg nicht all deine Eier in einen Korb, ich meine, eine Lektorin, am Ende wartest du Jahre auf eine Antwort.
Leg all deine Eier in einen Korb, wenn es der edelste Korb ist, den du je gesehen hast, perfekt geformt für deine Einer, ich meine, Bücher.
Hol nicht deine Autorin oder die Agentin deiner Autorin mit ins Boot, zu viele Köche verderben den Brei.
Hol deine Übersetzer-Freundinnen mit ins Boot, allein in einen Drink zu heulen macht unglücklich.
Such dir keine Sprachen bzw. Länder aus, für die sich niemand interessiert.
Such dir Sprachen bzw. Länder aus, für die sich niemand interessiert, solange du dich für sie interessierst und Zeit erübrigen kannst.
Bezieh dich nicht auf Tagespolitisches, was könntest du dazu schon sagen?
Korrektur, bezieh dich sehr wohl auf Tagespolitisches, Schreiben ist immer politisch und alle Übersetzerinnen sind Autorinnen, also sind alle Übersetzerinnen politisch, also hast du dazu eine ganze Menge zu sagen.
Pflege einen stabilen Social Media-Auftritt, versuche zwischen 1- und 1000-mal pro Jahr zu posten.
Wobei, lass das mit Social Media besser sein, du willst ja nicht die bösen Maschinen füttern.
Wobei, mach weiter! Maschinen machen Fehler, und wenn du genügend Sand ins Getriebe wirfst, dann rostet es vielleicht, oder es gibt den Geist auf, und/oder geht irgendwann in Flammen auf.
(Noch besser, wirf mit Büchern; lass uns gemeinsam die bösen Maschinen mit Büchern bewerfen!)
Pitch nicht zwei Bücher auf einmal – zum Beispiel einen Roman, der nach dem Arabischen Frühling in Tunesien spielt, und eine feministische Kritik des Gesundheitssystems – sonst denkt die Lektorin noch, es ginge um ein Buch, antwortet enthusiastisch Klingt großartig! Machen wir!, und du musst die Sache vorsichtig richtigstellen und sie rudert enthusiastisch zurück, Vielleicht nächstes Mal!
Pitch kein Buch, das du gar nicht wirklich übersetzen willst, nur weil es hip/zeitgemäß/sexy etc. ist.
Pitch ein Buch, das hoffnungslos unhip oder unzeitgemäß ist oder gerade so sexy wie ein Paar klobige Doc Martens (wobei, eigentlich sind die schon ein bisschen sexy, oder?), einfach weil du es magst.
Erst Tippen, dann Denken. Wenn du zum Beispiel einen Palästina-Roman pitchst – ein Buch, das so schön und wahrhaftig ist, dass du beim Übersetzen weinen musst – und die Lektorin antwortet, sie hätten schon einen Palästina-Roman – mit dem Subtext: Noch einen brauchen wir sicherlich nicht! – schreib nicht zurück: Brauchen wir wohl! Die meisten haben sich bei solchen Dingen eh schon auf eine Meinung eingeschossen. Denk es dir einfach, oder erzähl es einer Freundin, oder schmuggel es in einen albernen kleinen Essay: Brauchen. Wir. Wohl!
Wobei, schreib doch zurück (mach es!!!), wenn du nichts sagst, wer sonst? (Die Antwort lautet: ein paar, aber nicht viele.)
Biete keine unbezahlte Übersetzungsprobe an.
Biete eine unbezahlte Übersetzungsprobe an, wenn es das beste Buch ist, das du je gelesen hast, und es dich auf jeden Fall umbringen wird, wenn du es nicht übersetzt.
Übertreib nicht (Es sterben tatsächlich Menschen, schon vergessen?), versuch es lieber mit zurückhaltender Aufrichtigkeit.
Mach keine unbezahlte Fleißarbeit, sag zum Beispiel nicht zu, einen „Überblick“ der „besten“ „Nordafrikanischen“ Literatur zu erstellen.
Mach unbezahlte Fleißarbeit, aber nur, wenn du zum Beispiel klarstellen willst, dass Nordafrika keine Einheit ist – Tunesien ist nicht Algerien ist nicht Marokko und so weiter – aber denk daran, es freundlich zu sagen.
Nein, sag es nicht freundlich, sag es so, wie du willst, denn Tunesien ist nicht Algerien ist nicht Marokko und so weiter, und das sollte den Leuten klar sein.
Sei großzügig: Wenn dich zum Beispiel drei Nachwuchsübersetzerinnen jeweils fragen, ob du vorhast, ein Buch zu übersetzen, das du seit vier Jahren erfolglos zu pitchen versuchst (dieser tunesische Roman, den scheinbar niemand haben will…), lass vielleicht einfach los. Ja, mach ruhig. Versuch du’s mal.
Sei sparsam bei der Interpunktion: Ausrufezeichen für die USA, Punkte für die Briten, außer die Briten leben in den USA. In diesem Fall: Nur zu!
Verschwende keine Zeit damit, Verlagen hinterherzulaufen. Sobald du dein Baby gefunden hast, dein Magnum Opus, deinen wasserdichten Booker-Kandidaten, poste dazu einen Tweet (X?) und lass sie zu dir kommen.
Wenn sie nicht zu dir kommen, halt an deinem Baby fest (aber nicht zu fest, Babys sind zerbrechlich), bis du über einen traditionelleren Weg deinen Verlag gefunden hast. Das Ganze ist wie die Suche nach einem Seelenverwandten – zeitintensiv. Aber irgendwo da draußen ist doch bestimmt diese eine Person? Vielleicht wird sie sich ein bisschen zieren, vielleicht wird sie dir schreiben, sie sei interessiert aber habe kein Akquise-Budget, irgendwas von wegen Warten auf das nächste Geschäftsjahr, aber sie sei wirklich großer Fan und wolle unbedingt mit dir arbeiten. Und das ist schon in Ordnung, du kannst warten, Die Liebe ist langmütig und freundlich, und so weiter.
Hüte dich vor großen Verlagshäusern – viel Geld, aber wenig Herzblut.
Hüte dich vor kleinen Verlagshäusern – wenig Geld, viel Herzblut, aber manche nutzen dich trotzdem aus (Siehe: Zuschreibung [Mangel an]; Bezahlung [dürftig]).
Hüte dich vor Verallgemeinerungen: Verleger sind auch nur Menschen, und die meisten Menschen sind meistens gut.
Misch deine Metaphern nicht, das wirkt in deiner Zielsprache schluderig oder gar faul.
Misch deine Metaphern, eine Literaturübersetzerin ist ganz sicher nicht schluderig oder faul.
Sei geduldig, besonders jetzt, und such dir vielleicht ein zweites Standbein, besonders jetzt, und bewirf die bösen Maschinen weiter mit Büchern, mit Liebe aber auch mit Hass, genau, bewirf die bösen Maschinen mit Hass-Liebe. Und wenn dein Wurfarm müde wird, ruh dich aus, das Bücher-Business ist kein Sprint (genau wie die Revolution), und während du dich ausruhst, lies.
Genau, lies, übersetze, und so weiter und so fort.
