Die Nacht vor Weihnachten

Eine ster­nen­kla­re Nacht, ver­schnei­te Dör­fer, klir­ren­de Käl­te – selbst wenn es die­ses Jahr mit wei­ßen Weih­nach­ten wie­der Essig wird, ver­setzt uns die­se wun­der­ba­re Erzäh­lung in Win­ter­stim­mung: „Wie schön wäre es jetzt, mit über­ein­an­der­ge­schla­ge­nen Bei­nen auf der Ofen­bank zu lie­gen, in aller Ruhe ein Pfeif­chen zu rau­chen und durch die seli­ge Schläf­rig­keit hin­durch die Kol­jad­ki und Lie­der der fröh­li­chen Bur­schen und Mäd­chen zu hören, die sich in Scha­ren unter den Fens­tern drän­gen.“ Im ukrai­ni­schen Dorf Dikan­ka schläft in die­ser tru­beli­gen Weih­nachts­nacht kein Mensch: Wäh­rend die jun­gen Leu­te sin­gend um die Häu­ser zie­hen, scheint die älte­re Gene­ra­ti­on samt und son­ders damit beschäf­tigt, sich zu heim­li­chen Stell­dich­eins in frem­de Häu­ser zu schlei­chen. Nur der Schmied Waku­la bleibt dem aus­ge­las­se­nen Trei­ben miss­mu­tig fern, denn Oxa­na, die eit­le Dorf­schö­ne (von der man „bei­na­he in aller Welt, auf der einen Sei­te von Dikan­ka eben­so wie auf der ande­ren Sei­te von Dikan­ka“ spricht), hat ihn mal wie­der ver­schmäht – er soll ihr erst wie­der unter die Augen tre­ten, wenn er ihr „Schu­he wie die der Zarin“ mit­bringt. Doch um die zu bekom­men, müss­te es schon mit dem Teu­fel zuge­hen. Prak­ti­scher­wei­se weilt der in die­ser Nacht höchst­per­sön­lich unter ihnen (wovon die Dörf­ler, obwohl sie ihn stän­dig im Mun­de füh­ren, natür­lich nichts ahnen). Eigent­lich will sich der Höl­len­fürst an Waku­la rächen, weil der ihn auf einem Bild in der Kir­che höchst unvor­teil­haft dar­ge­stellt hat. Doch der eben­so from­me wie bau­ern­schlaue Waku­la dreht den Spieß um und rei­tet auf dem Rücken des Teu­fels zum Zaren­pa­last nach St. Peters­burg. Mit lei­sem Spott und lie­be­vol­ler Iro­nie führt Gogol sei­ne Figu­ren in all ihrer Selbst­ver­liebt­heit, Treu­lo­sig­keit, Wich­tig­tue­rei und Tratsch­sucht vor. Doro­thea Trot­ten­berg mischt nicht weni­ger kunst­voll als das rus­si­sche Vor­bild leben­di­ge Schil­de­run­gen mit volks­tüm­li­chen Ele­men­ten, sodass sich ihre Neu­über­set­zung genau­so ver­gnüg­lich liest wie das Ori­gi­nal. Herr­lich illus­triert von Mehrdad Zae­ri, zeigt die Geschich­te, wie weit man es mit etwas Chuz­pe und Gott­ver­trau­en brin­gen kann. HW

Niko­lai Gogol/Dorothea Trot­ten­berg: Die Nacht vor Weih­nach­ten (Ночь перед Рождеством). Insel 2020, 125 Sei­ten, 14 Euro
 

Maca­dam oder Das Mäd­chen von Nr.12

Liest man die fran­zö­si­sche Ver­si­on, Maca­dam, hat man schnell das Gefühl, der Erzäh­ler sitzt einem gegen­über. Liest man die Über­set­zung von Sina de Mal­a­fo­s­se, Maca­dam oder Das Mäd­chen von Nr. 12, ist es genau­so. Jedes Mal, wenn eine der 11 Geschich­ten aus dem Erzähl­band von Jean-Paul Didier­lau­rent zu Ende ist, herrscht Stil­le – und Lust und Neu­gier auf die nächs­te Kurz­ge­schich­te. In medi­as res begin­nen die Geschich­ten, kurz, dicht, strin­gent auf­ge­baut, span­nend, schnell am Punkt: Die uner­hör­te, uner­war­te­te Neu­ig­keit wird erzählt, sei es von dem Pfar­rer, dem eine Ver­eh­re­rin bei der Beich­te so auf die Ner­ven geht, dass er sich heim­lich ein Gerät zulegt, womit er sich zer­streut; oder die wun­der­vol­le Lie­bes­ge­schich­te von Mat­hil­de, dem Mäd­chen von Nr. 12, und deren Begeg­nung mit einem Unbe­kann­ten… oder das böse Geheim­nis des Bewoh­ners der Anla­ge „Les Gly­ci­nes“ in der Kurz­ge­schich­te „Bru­me“, mit der Didier­lau­rent den Prix Heming­way 2010 erhal­ten hat. Lust auf mehr? Dann lies eine wei­te­re Geschich­te aus dem Erzähl­band des Elsäs­sers Jean-Paul Didier­lau­rent, den Sina de Mal­a­fo­s­se über­setzt hat. Es ist ihr gelun­gen, die sprach­li­chen Bil­der gut umzu­set­zen, mit denen Didier­lau­rent ger­ne spielt. Die All­tags­spra­che, sowie die unter­schied­li­chen Sprach­ebe­nen in der Umgangs­spra­che, hat sie sehr gekonnt in eine ein­fa­che, kraft­vol­le, jedoch nicht der­be Spra­che über­tra­gen. Die im Fran­zö­si­schen viel häu­fi­ger ver­wen­de­ten Kraft­aus­drü­cke hat sie geglät­tet: So wird aus dem der­ben „il l’emmerdait“ ein „er konn­te sie mal kreuz­wei­se“. Emo­tio­na­le Momen­te, die Hoff­nun­gen in der Lie­bes­ge­schich­te von Mat­hil­de sind viel­leicht manch­mal ein biss­chen kit­schig über­setzt, neh­men aber der Geschich­te weder Tie­fe noch Iro­nie: „Seit­her leb­te Mat­hil­de nur noch für die­se kur­ze Begeg­nung, die jeden Tag ihr Dasein ver­süß­te.“ („Mat­hil­de ne vivait plus que pour cet­te brè­ve ren­cont­re qui, tous les jours, venait enchan­ter son exis­tence.“) 11 Geschich­ten mit Charme und Lebens­klug­heit – genau rich­tig für Win­ter­aben­de. HM

Didier­lau­rent, Jean-Paul/­Si­na de Mal­a­fo­s­se: Maca­dam oder Das Mäd­chen von Nr. 12 (Maca­dam). dtv 2017, 160 Sei­ten, 14,90 Euro

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