Übersetzungskritik kann sinnvollerweise nur üben, wer in der Lage ist, Original und Übersetzung kritisch zu vergleichen. So ist es immer wieder zu lesen, wenn über die Bedingungen der Möglichkeit der Übersetzungskritik reflektiert wird.
TraLaLit schreibt dennoch auch über übersetzte Texte, deren Original wir nicht kennen. Weil unseren Rezensentinnen und Rezensenten die entsprechenden Sprachkenntnisse fehlen, oder weil uns aus diesem oder jenem Grund kein Exemplar des Originals zugänglich war.
Was soll das? Widerspricht ein derartiges Vorgehen nicht dem Anliegen eines „Magazins für übersetzte Literatur“?
Vergleichende Übersetzungskritik im oben beschriebenen Sinne ist und bleibt die Königsdisziplin des Genres, dieses Format ist aber auch aufwendig und im Feuilleton-Alltag nicht praktikabel. Die Forderung, immer erst das Original eines Textes aufzutreiben, zu lesen und zu beurteilen, ehe man sich mit einem Urteil an die Öffentlichkeit wagen dürfe, ist wohlfeil, aber realitätsfern. Und außerdem: Welche Leserin, welcher Leser beherrscht alle Sprachen der Welt und könnte solch ein Urteil nachvollziehen?
Viel wichtiger ist unserer Ansicht nach, die Literaturkritik in ihrer derzeitigen Form durch konsequente Übersetzernennung ein Stück besser zu machen. Wir wollen deshalb unter Beweis stellen, dass sich auch ohne detaillierte Vergleichskritik Interessantes über Übersetzungen sagen lässt. Anderes, und vielleicht weniger Fundiertes, aber nicht minder Interessantes.
Zudem ist die Beschäftigung mit Übersetzungen gerade deshalb so spannend, weil uns das Übersetzen Türen in alle Winkel und Regionen der Erde eröffnet. Gerade diese Weltoffenheit macht das Thema so faszinierend. Eine Beschränkung auf die Sprachen, die wir als Redaktion zufällig beherrschen, bedeutete aber zugleich eine Beschränkung unseres literarischen Horizontes, den das Übersetzen ja gerade zu erweitern sucht.
Da wir uns der Probleme bewusst sind, die Übersetzungskritik ohne Originalkenntnis birgt, halten wir folgende drei Grundsätze dabei immer ein:
- Vergleichende Rezensionen unter Einbeziehung des Originaltextes sind und bleiben das Ideal. Wann immer möglich, greifen wir auf die Vorlage zurück und machen sie zum Maßstab unserer Auseinandersetzung mit dem deutschen Text. Nur wenn niemand mit den entsprechenden Sprachkenntnissen erreichbar oder der Originaltext unzugänglich ist, veröffentlichen wir Rezensionen ohne Originalkenntnis.
- Jedes Urteil über den rezensierten Text wird korrekt zugeordnet, nach dem Grundsatz: Inhalt und Form stammen von der Autorin, Sprachgestalt vom Übersetzer. Übersetzernennung ist bei uns selbstverständlicher Bestandteil jedes Textes.
- Beiträge ohne Originaleinsicht sind immer mit einem entsprechenden Hinweis über dem Text gekennzeichnet. So weißt du als Leserin, woran du beim Lesen bist und kannst das Urteil unserer Rezension einschätzen. Solltest du über die entsprechenden Sprachkenntnisse verfügen und Einwände gegenüber der Darstellung haben oder Expertise ergänzen wollen, freuen wir uns über einen Hinweis im Kommentarbereich unter dem Text, im Kontaktformular oder per Mail an redaktion@tralalit.de.