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Ensemble Resonanz remixt Bach

Als im Okto­ber 2019 meine erste Kolumne bei TraLaLit erschien, war noch nicht abzuse­hen, dass das Jahr 2020 von ein­er glob­alen Pan­demie geprägt sein würde, die in rasender Geschwindigkeit auch das weltweite Konz­ert­geschehen auf den Kopf stellen würde. 

Für Fans der musikalis­chen Über­set­zung war dieses ein faszinieren­des Jahr voller unge­wohn­ter Hör­erleb­nisse. Ange­fan­gen bei der extrem reduzierten und verdichteten Fas­sung der Matthäus­pas­sion im April, habe ich diese Entwick­lung über das Jahr hin­weg auch mit mein­er Kolumne begleit­et.

Gottwald remixt Mahler

Die Coro­na-Pan­demie ist nicht ger­ade die große Stunde Gus­tav Mahlers. Seine gigan­toman­is­chen Sym­phonien mit manch­mal bis zu Tausend Mitwirk­enden sind mit den Abstands- und Hygien­ebe­din­gun­gen dieser Tage nicht ger­ade ein­fach in Ein­klang zu brin­gen. Dafür ste­ht Mahler jedoch in ander­er Form im öffentlichen Inter­esse: Ein Roman über ihn hat sich näm­lich auf die Spiegel-Best­sellerliste ver­laufen und diese seit Wochen nicht verlassen.

Der öster­re­ichis­che Schrift­steller Robert Seethaler ver­sucht in seinem ger­ade ein­mal 126 großzügig geset­zte Seit­en lan­gen Roman Der let­zte Satz eine Art lit­er­arischen Remix über den let­zten Satz aus Mahlers Neunter Sym­phonie, er scheit­ert jedoch krachend. Glauben Sie mir, sein Text ist aufge­set­zt, blasiert und öde, und kein­er dieser drei Sün­den hat sich Mahler je auch nur mit ein­er Note schuldig gemacht. Wenn Der let­zte Satz über­haupt zu etwas gut ist, dann zu dem Beweis, dass man als soge­nan­nter Best­seller­autor auch ohne jeglichen lit­er­arischen oder intellek­tuellen Ehrgeiz neue Pro­duk­te kreieren kann, die dann auch noch gekauft wer­den. Lesen Sie dieses Buch nicht, vergeu­den Sie nicht Ihre Lebenszeit.

Summer remixt Schumann

Eins der außergewöhn­lich­sten Debü­tal­ben dieses Jahres ist in ein­er ganz und gar eige­nen Welt erschienen. Es han­delt sich nicht um Klas­sik, obwohl Ken­ner roman­tis­ch­er Klavier­musik immer wieder aufhorchen und sich an ver­traute Klänge erin­nert fühlen wer­den. Es ist kein Pop, auch wenn man dessen Ein­fluss auf diese Musik nicht leug­nen kann. Es ist kein Jazz, obwohl die Inter­pretin zu den tal­en­tiertesten Jaz­zpi­anistin­nen Deutsch­lands gehört.

Schmitt remixt Beethoven

Die Coro­na-Pan­demie hat auch im Konzertleben der Repub­lik einiges durcheinan­dergewirbelt. Fes­ti­vals wur­den entwed­er ganz abge­sagt oder fan­den im kle­in­sten erden­klichen Rah­men statt. Und auch am Ende dieses außergewöhn­lichen Som­mers ist keine Verän­derung in Sicht: Während das Wirtschaft­sleben allerorten zu ein­er wenn auch verän­derten Nor­mal­ität zurück­kehrt, sind Musik­erin­nen und Musik­er nach wie vor in Kurzarbeit (im besten Fall) bzw. arbeit­s­los (im schlimmsten).

Berberian und Andriessen remixen die Beatles

Am 5. Juli 1925, also vor ziem­lich genau 95 Jahren, kam im US-Bun­desstaat Mass­a­chu­setts eine der faszinierend­sten musikalis­chen Per­sön­lichkeit­en des 20. Jahrhun­derts auf die Welt. Ob ihr Name, Cathy Berber­ian, zu mehr Wel­truhm gelangt wäre, wäre sie ein Mann gewe­sen, ist eine Frage, die zu erörtern hier nicht der Ort ist. Fest ste­ht: Er gebührt ihr.

Dietsch remixt Wagner

Die Remixe, mit denen wir uns in dieser Kolumne beschäfti­gen, entste­hen in der Regel nach dem Vor­bild berühmter Werke. Wenn wir davon aus­ge­hen, dass ein Remix das musikalis­che Pen­dant zu ein­er lit­er­arischen Über­set­zung ist, dann muss es ein Orig­i­nal geben, das als Vor­lage dient, oder?

Lamprecht, Albach und Kristjánsson remixen Bach

Hat die klas­sis­che Musik eine Zukun­ft? Haben uns Bach, Mozart & Co. heute noch etwas zu sagen, und wenn ja: was? Erfüllen Orch­ester, Chöre und Ensem­bles ihre gesellschaftliche Auf­gabe allein im Bewahren der musikalis­chen Tra­di­tion, oder müssen sie darüber hin­aus­re­ichen und ‑wirken?

Busoni remixt Bach

In der let­zten Kolumne haben wir den ersten großen Inter­pre­ten der Werke Johann Sebas­t­ian Bachs ken­nen gel­ernt: Bach selb­st. Sprin­gen wir nun rund 100 Jahre in der Zeit voraus und wid­men uns der zweit­en großen Epoche der Bach-Bear­beitung: der Romantik.

Bach remixt Bach

Bish­er sind wir in dieser Kolumne recht kur­sorisch durch die Musikgeschichte geschlen­dert und nicht im Sinne ein­er kohärenten „His­to­rie des Remix“ durch die Epochen gewandert. 

Man kön­nte den Ein­druck gewin­nen, das Bear­beit­en fremder Musik kenne keine Tra­di­tio­nen oder Zusam­men­hänge. Dabei ist das Gegen­teil der Fall. Remix war zwar immer ein Bestandteil abendländis­ch­er Musikkul­tur – aber wie alle Kun­st­for­men ist er durch Hoch- und Tief­phasen gegan­gen und hat Schulen gebildet, die über Jahre stil­bildend wirkten.

Richter und Rasmussen remixen Vivaldi

Anto­nio Vivald­is Konz­ertzyk­lus „Die vier Jahreszeit­en“, kom­poniert im Jahr 1725, gehört zu den meist­ge­spiel­ten Werken des Klas­sik-Main­streams über­haupt; wer möchte, kann dieses Werk an jedem Woch­enende irgend­wo hören, ohne beson­ders weit fahren zu müssen. Im Novem­ber ver­gan­genen Jahres gelang es dem Elbphil­har­monie Orch­ester Ham­burg den­noch, mit ein­er Auf­führung dieses Werkes eini­gen Medi­en­rum­mel zu erzeugen.