Seit April 2017 fotografiere ich Übersetzerkolleginnen und ‑kollegen aus aller Welt, die in ganz unterschiedlichen Sprachkombinationen arbeiten. Die Fotos sind an verschiedenen Orten aufgenommen, viele in Übersetzerkollegien wie Straelen, Looren oder Arles, andere an den Wohnorten der Kolleginnen und Kollegen, z. B. in Berlin, New York oder Wien.
Seit dem Beginn der Reihe vor drei Jahren sind etwa 100 Porträts entstanden, von denen hier eine kleine Auswahl zu sehen ist (regelmäßig verfolgen kann man das Projekt bei Facebook). Begleitet werden die Porträts von kurzen Texten der Kollegen und Kolleginnen, die auf vielfältige Weise und in zahlreichen Sprachen von der Arbeit des literarischen Übersetzens erzählen.
„Ich liebe meinen Beruf, fühle mich gesegnet, dass ich ihn ausüben kann und darf, und auch wenn ich mich an manchen Tagen an den Schreibtisch quälen muss oder das aktuelle Projekt am liebsten an die Wand pfeffern würde, ich würde trotzdem nichts anderes machen wollen.“
Tanja Handels übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche und lebt in München
„Und der erste Satz lässt mich nicht in Ruhe, lässt mich nicht in Ruhe, auch wenn ich in der Venloer Straße spazieren gehe. Auch in zwanzig oder dreißig Tagen, nach vierzig oder sechzig Seiten wird mich der erste Satz noch immer nicht in Ruhe lassen.“
Malek Hosseini übersetzt aus dem Deutschen ins Persische und lebt in Teheran
„Inzwischen kann ich mir nichts anderes mehr vorstellen. Beim Übersetzen wird dir nie langweilig, jeder Text konfrontiert dich mit neuen Herausforderungen. Du grübelst, recherchierst, experimentierst, raufst dir die Haare, schreibst Sätze dreimal, viermal, zwanzigmal um und entscheidest dich am Ende doch für eine ganz andere Lösung.“
Katrin Segerer übersetzt aus dem Französischen und Englischen und lebt in Düsseldorf
„Ohr sein:
wach, hellhörig, zugewandt, kritisch,
standfest und offen zugleich,
so versuche ich, mich anzunähern,
Eigenheiten wahrzunehmen und zu würdigen –
bei Texten,
Menschen.“
Thomas Weiler übersetzt aus dem Russischen, Belarussischen und Polnischen ins Deutsche und lebt in Leipzig
„Es ist schwer, im Land der Ausgangssprache zu leben: Meine Übersetzungen schaffen es über Berge, wandern in die italienischen Bücherläden, werden gelesen und besprochen. Und ich bin in Leipzig die Frau der Gegenrichtung, die über den deutschen Markt nicht mitreden, sich um die Preise nicht bewerben und sich letztendlich nicht richtig messen kann – aber ich messe mich gerne, dadurch kommt man mit Menschen wirklich in Kontakt: Ein Gegenüber statt eine Gegenrichtung zu sein, das versuche ich gerade.“
Roberta Gado übersetzt aus dem Deutschen ins Italienische und lebt in Leipzig
„Wenn das Wort Arbeit etwas Mühsames, Anstrengendes bedeutet, so ist Übersetzen im besten Fall keine Arbeit, sondern eher Spiel. Ein einsames Spiel, das man doch mit Freundinnen und Freunden spielt, denn Wörter sind des Übersetzers gute Freundinnen und Freunde.“ – László Gyȍri
„Übersetzen ist für mich ein vertieftes, aufmerksames Lesen, während dessen ich vieles bemerke, was ich beim einfachen Lesen vielleicht überfliegen würde. Es ist also eine Unterhaltung, ein Vergnügen, ein Spaß, für den man auch noch bezahlt wird. Und nicht zuletzt kriegt man etwas von dem Glanz des Autors ab. Wie ich in einem Hundebuch über den irischen Setter las: Seine Schönheit und Eleganz überstrahlt auch das hässlichste Herrchen.“ – Zsuzsa Fodor
Zsuzsa Fodor und László Gyȍri übersetzen aus dem Deutschen ins Ungarische und leben in Budapest
„Übersetzen heißt Freiheit für mich. Schon immer. Ein Sprung in die Fremde, während man sich selbst nicht bewegt, eine Kunst, das Geschriebene auf Anhieb zu erfassen und es im selben Augenblick in einer anderen Sprache wiederzugeben, die Fähigkeit, mitten im Satz die Sprachrichtung zu wechseln und trotzdem das Thema zu behalten.“
Eva Profousová übersetzt aus dem Tschechischen ins Deutsche und lebt in Berlin
„Und bei jedem neuen Buch denke ich wieder: Hilfe, ich kann das nicht! Kann das mal bitte ein Profi machen? Bis ich beim ersten Überarbeitungsdurchgang merke: Puh, war doch ganz gut. Ich liebe es, zu recherchieren, Neues zu lernen und mein Übersetzerinnenzweidrittelwissen zu erweitern („Hab ich mal für eine Übersetzung nachgeguckt“) – und ärgere mich, wenn das zu viel Zeit frisst. Ich liebe es, wenn der Groschen fällt und ich genau das passende Wort finde. Und ich bin Fan von Lektorinnen und Lektoren. Die merken nämlich, wenn manchmal nur der Pfennig gefallen ist, und bessern das zum Schluss noch aus.“
Anna-Nina Kroll übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche und lebt in Essen
„Als ich Thomas Mann, Joseph Roth oder Karl-Markus Gauß übersetzte, war es mir immer, als ob ich kostenlos eine Schreibschule besuche. Jedem von diesen Meistern bin ich für immer dankbar, dass ich als Lehrling in seiner Werkstatt Zeit verbringen konnte.“
Milan Sóklic übersetzt aus dem Deutschen ins Kroatische und lebt in Pula/Kroatien
„Das Übersetzen ist immer ein schreckliches Experiment, wie Frankensteins Basteln an seinem Ungeheuer. Beim Schreiben geht es darum, Etwas aus dem Nichts zu schaffen – auch das zu müssen, ist schrecklich, weil es physisch fast unmöglich erscheint. Aber wenn Etwas dann doch dasteht, so ist es, als hätte man ein Wunder vollbracht – ein Wunder, das zugleich ganz natürlich ist.“
Isabel Fargo Cole übersetzt aus dem Deutschen ins Englische und lebt in Berlin