Hie­ro­ny­mus­tag 2020: Zeigt euch!

Schluss mit der Unsichtbarkeit: Das Projekt „Plainly Visible – Photographs of Translators“ setzt ein starkes Zeichen für die Sichtbarkeit des Übersetzerberufsstands. Von

Anna-Nina Kroll (fotografiert von Anja Kapunkt) übersetzt Literatur aus dem Englischen.

Seit April 2017 foto­gra­fie­re ich Über­set­zer­kol­le­gin­nen und ‑kol­le­gen aus aller Welt, die in ganz unter­schied­li­chen Sprach­kom­bi­na­tio­nen arbei­ten. Die Fotos sind an ver­schie­de­nen Orten auf­ge­nom­men, vie­le in Über­set­zer­kol­le­gi­en wie Strae­len, Loo­ren oder Arles, ande­re an den Wohn­or­ten der Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, z. B. in Ber­lin, New York oder Wien.

Seit dem Beginn der Rei­he vor drei Jah­ren sind etwa 100 Por­träts ent­stan­den, von denen hier eine klei­ne Aus­wahl zu sehen ist (regel­mä­ßig ver­fol­gen kann man das Pro­jekt bei Face­book). Beglei­tet wer­den die Por­träts von kur­zen Tex­ten der Kol­le­gen und Kol­le­gin­nen, die auf viel­fäl­ti­ge Wei­se und in zahl­rei­chen Spra­chen von der Arbeit des lite­ra­ri­schen Über­set­zens erzählen.


Die Übersetzerin Tanja Handels

„Ich lie­be mei­nen Beruf, füh­le mich geseg­net, dass ich ihn aus­üben kann und darf, und auch wenn ich mich an man­chen Tagen an den Schreib­tisch quä­len muss oder das aktu­el­le Pro­jekt am liebs­ten an die Wand pfef­fern wür­de, ich wür­de trotz­dem nichts ande­res machen wol­len.“

Tan­ja Han­dels über­setzt aus dem Eng­li­schen ins Deut­sche und lebt in München


Der Übersetzer Malek Hosseini

„Und der ers­te Satz lässt mich nicht in Ruhe, lässt mich nicht in Ruhe, auch wenn ich in der Ven­lo­er Stra­ße spa­zie­ren gehe. Auch in zwan­zig oder drei­ßig Tagen, nach vier­zig oder sech­zig Sei­ten wird mich der ers­te Satz noch immer nicht in Ruhe lassen.“

Malek Hoss­ei­ni über­setzt aus dem Deut­schen ins Per­si­sche und lebt in Teheran


Die Übersetzerin Katrin Segerer

„Inzwi­schen kann ich mir nichts ande­res mehr vor­stel­len. Beim Über­set­zen wird dir nie lang­wei­lig, jeder Text kon­fron­tiert dich mit neu­en Her­aus­for­de­run­gen. Du grü­belst, recher­chierst, expe­ri­men­tierst, raufst dir die Haa­re, schreibst Sät­ze drei­mal, vier­mal, zwan­zig­mal um und ent­schei­dest dich am Ende doch für eine ganz ande­re Lösung.“

Kat­rin Sege­rer über­setzt aus dem Fran­zö­si­schen und Eng­li­schen und lebt in Düsseldorf




„Ohr sein:
wach, hell­hö­rig, zuge­wandt, kri­tisch,
stand­fest und offen zugleich,
so ver­su­che ich, mich anzu­nä­hern,
Eigen­hei­ten wahr­zu­neh­men und zu wür­di­gen –
bei Tex­ten,
Men­schen.“

Tho­mas Wei­ler über­setzt aus dem Rus­si­schen, Bela­rus­si­schen und Pol­ni­schen ins Deut­sche und lebt in Leipzig


„Es ist schwer, im Land der Aus­gangs­spra­che zu leben: Mei­ne Über­set­zun­gen schaf­fen es über Ber­ge, wan­dern in die ita­lie­ni­schen Bücher­lä­den, wer­den gele­sen und bespro­chen. Und ich bin in Leip­zig die Frau der Gegen­rich­tung, die über den deut­schen Markt nicht mit­re­den, sich um die Prei­se nicht bewer­ben und sich letzt­end­lich nicht rich­tig mes­sen kann – aber ich mes­se mich ger­ne, dadurch kommt man mit Men­schen wirk­lich in Kon­takt: Ein Gegen­über statt eine Gegen­rich­tung zu sein, das ver­su­che ich gerade.“

Rober­ta Gado über­setzt aus dem Deut­schen ins Ita­lie­ni­sche und lebt in Leipzig

Die Überstzerin Roberta Gado



„Wenn das Wort Arbeit etwas Müh­sa­mes, Anstren­gen­des bedeu­tet, so ist Über­set­zen im bes­ten Fall kei­ne Arbeit, son­dern eher Spiel. Ein ein­sa­mes Spiel, das man doch mit Freun­din­nen und Freun­den spielt, denn Wör­ter sind des Über­set­zers gute Freun­din­nen und Freun­de.“ – László Gyȍri

„Über­set­zen ist für mich ein ver­tief­tes, auf­merk­sa­mes Lesen, wäh­rend des­sen ich vie­les bemer­ke, was ich beim ein­fa­chen Lesen viel­leicht über­flie­gen wür­de. Es ist also eine Unter­hal­tung, ein Ver­gnü­gen, ein Spaß, für den man auch noch bezahlt wird. Und nicht zuletzt kriegt man etwas von dem Glanz des Autors ab. Wie ich in einem Hun­de­buch über den iri­schen Set­ter las: Sei­ne Schön­heit und Ele­ganz über­strahlt auch das häss­lichs­te Herr­chen.“ – Zsuz­sa Fodor

Zsuz­sa Fodor und László Gyȍri über­set­zen aus dem Deut­schen ins Unga­ri­sche und leben in Budapest



„Über­set­zen heißt Frei­heit für mich. Schon immer. Ein Sprung in die Frem­de, wäh­rend man sich selbst nicht bewegt, eine Kunst, das Geschrie­be­ne auf Anhieb zu erfas­sen und es im sel­ben Augen­blick in einer ande­ren Spra­che wie­der­zu­ge­ben, die Fähig­keit, mit­ten im Satz die Sprach­rich­tung zu wech­seln und trotz­dem das The­ma zu behalten.“

Eva Pro­fou­so­vá über­setzt aus dem Tsche­chi­schen ins Deut­sche und lebt in Berlin



„Und bei jedem neu­en Buch den­ke ich wie­der: Hil­fe, ich kann das nicht! Kann das mal bit­te ein Pro­fi machen? Bis ich beim ers­ten Über­ar­bei­tungs­durch­gang mer­ke: Puh, war doch ganz gut. Ich lie­be es, zu recher­chie­ren, Neu­es zu ler­nen und mein Über­set­ze­rin­nen­zwei­drit­tel­wis­sen zu erwei­tern („Hab ich mal für eine Über­set­zung nach­ge­guckt“) – und ärge­re mich, wenn das zu viel Zeit frisst. Ich lie­be es, wenn der Gro­schen fällt und ich genau das pas­sen­de Wort fin­de. Und ich bin Fan von Lek­to­rin­nen und Lek­to­ren. Die mer­ken näm­lich, wenn manch­mal nur der Pfen­nig gefal­len ist, und bes­sern das zum Schluss noch aus.“

Anna-Nina Kroll über­setzt aus dem Eng­li­schen ins Deut­sche und lebt in Essen



„Als ich Tho­mas Mann, Joseph Roth oder Karl-Mar­kus Gauß über­setz­te, war es mir immer, als ob ich kos­ten­los eine Schreib­schu­le besu­che. Jedem von die­sen Meis­tern bin ich für immer dank­bar, dass ich als Lehr­ling in sei­ner Werk­statt Zeit ver­brin­gen konnte.“

Milan Sók­lic über­setzt aus dem Deut­schen ins Kroa­ti­sche und lebt in Pula/Kroatien



„Das Über­set­zen ist immer ein schreck­li­ches Expe­ri­ment, wie Fran­ken­steins Bas­teln an sei­nem Unge­heu­er. Beim Schrei­ben geht es dar­um, Etwas aus dem Nichts zu schaf­fen – auch das zu müs­sen, ist schreck­lich, weil es phy­sisch fast unmög­lich erscheint. Aber wenn Etwas dann doch dasteht, so ist es, als hät­te man ein Wun­der voll­bracht – ein Wun­der, das zugleich ganz natür­lich ist.“

Isa­bel Far­go Cole über­setzt aus dem Deut­schen ins Eng­li­sche und lebt in Berlin


 

 

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