Apokalyptische Variationen
Antanas Škėma
Claudia Sinnig
Litauisch
Apokaliptinės Variacijos
Wer sich hierzulande und heutzutage Informationen über das Leben und Werk Antanas Škėmas (1910–1961) beschaffen will, wird durchaus fündig, doch besonders ergiebig ist das Ergebnis der Suche nicht. Im deutschsprachigen Raum ist der litauische Schriftsteller weitgehend unbekannt und wurde überhaupt erst 2017, als Litauen Schwerpunktland der Leipziger Buchmesse war, erstmals ins Deutsche übersetzt. Es handelte sich dabei um Škėmas einzigen Roman Das weiße Leintuch, ebenfalls übersetzt von Claudia Sinnig. Dabei gehört Antanas Škėma zu den interessantesten Neuentdeckungen der vergangenen Jahre. Nun, beinahe achtzig Jahre nach Škėmas Tod, gibt es ein zweites seiner Bücher auf Deutsch zu lesen, eine Sammlung kurzer Prosatexte, zwischen 1929 und 1960 entstanden, erschienen unter dem Titel Apokalyptische Variationen im Guggolz Verlag.
Die einzelnen Texte in Apokalyptische Variationen, oft Erzählungen, manche auch eher Skizzen oder Szenen, sind verschiedenen Publikationen entnommen und möglichst chronologisch angeordnet. Die musikalisch lautmalerische Art des Autors, sein Umfeld und Erlebtes in Worte zu fassen, zeigt sich bereits in seinen frühesten Werken. Schon bei der ersten Geschichte des damals 19-jährigen Autors, „Angst“, gerät man beim Lesen in den Sog der klangreichen Übersetzung.
Dong, Dong, Dong, Dong … hing feierlich in der Luft. Ein Invaliden-Orchester spielte einen traurigen Walzer, die Melodie ging unter die Haut. Dong, tönte es zum letzten Mal und verging in der linden Abendluft. Die Akkorde der Musik wurden eindringlicher und strenger. Hier und da spazierten Pärchen umher, glücklich mit sich und diesem Abend. Es wurde dunkel.
Beim Weiterlesen folgen wir Škėmas immer rhythmischer werdenden Erzählung in der literarischen Verarbeitung dessen, was prägende Erlebnisse im Leben des Autors gewesen sein müssen. Stellenweise ist diese Verarbeitung auf beinah absurde Art traurig. Der Autor selbst spricht in einem Zeitungsartikel anlässlich seines 40. Geburtstags, der ebenfalls im Buch enthalten ist, von einer „Parallelität von Groteske und Tragödie“. Und dennoch sind vor allem seine Beschreibungen und Schilderungen der Umgebung oft einfach unglaublich schön.
Vielleicht verschenkt ja dieser gebeugte Riese mit dem rissigen, bröckelnden Rücken ein vergessenes Geheimnis, vielleicht wird sich in jenen barocken Girlanden aus Blumen und Blättern eine Prophezeiung erfüllen, vielleicht wirst du in der kalten, trüben, in ihrer ewigen Stille furchterregenden Kirche nach langem Warten endlich sehen, wie der schreckliche Heilige vom Sockel steigt und mit schweren, steinernen Schritten das Gewölbe erschüttert wie der Komtur im Don Giovanni, und dir gleich einen zentnerschweren Schmetterling auf die Schultern legen und ein Wort aussprechen, ein bedrückendes Wort, das die schwarzen Gewölbe erbeben und die verrostete Orgel Töne der Vergeltung posaunen lässt. So leicht, so unvermeidlich war es, sich im alten Vilnius zu verirren.
Bei solch präzisen Beschreibungen wird es beim Übersetzen oft knifflig. Auf die Frage, ob das Litauische eine komplizierte Sprache sei und besondere Herausforderungen an deutsche Übersetzer stelle, antwortet Claudia Sinnig in einem Interview des Börsenblatts: „[…] es ist eine ungeheure formenreiche, differenzierte Sprache, das macht jede Übersetzung herausfordernd.“ Auch ohne Kenntnis des Litauischen ist diese Differenziertheit im deutschen Buch erkennbar. Die Präzision der Sprache hat die Übersetzerin mit einem besonderen Gespür für feine Bedeutungsnuancen übertragen.
Vor allem Erzähltechniken, die an einen Bewusstseinsstrom oder stream of consciousness erinnern, bei der Sätze oft nur assoziativ zusammenhängen und nur lose durch drei Punkte verbunden aneinandergereiht werden, machen die Schilderungen unmittelbar und eindringlich. Während die früheren Geschichten stellenweise (und da können einzelne Übersetzungsentscheidungen das Zünglein an der Waage sein) elegant an Klischees vorbeischrammen, werden sie mit zunehmender Lebenserfahrung des Autors immer dichter und und assoziativer. Besonders auffällig ist dies, wenn Antanas Škėma bestimmte Motive und Symboliken immer wieder aufgreift, diese aber im Laufe der Jahre und somit des Buches unterschiedlich verarbeitet. So etwa beim Stern-Motiv:
Tiefe Ruhe erfüllt dein Zimmer, und auf deinen Armen liegt der Abglanz der Sterne. Die Sterne stehen hoch am Himmel, ihre himmlischen, suchenden Strahlen bringen Seligkeit. Aber als sie deine ohnmächtigen Arme fanden, bist du erschauert. Der winzige Muskel an deinem linken Augenlid zuckt jetzt noch. Warum? Die Sterne stehen so hoch am Himmel, und das Licht des Himmels ist so segensreich.
In diesem ersten Beispiel aus einer der früheren Erzählungen liegen die Sterne, beziehungsweise ihr Abglanz, im übertragenen Sinne auf den Armen der Person, doch das Bild ist eindeutig und nicht weit hergeholt, um nicht zu sagen ein Gemeinplatz. Ein Vergleich mit dem Motiv in einer späteren Erzählung gegen Ende des Buches, verfasst von einem Autor mit mehr Schriftsteller- und Lebenserfahrung, zeigt seine stilistische Entwicklung:
Der schwarze Rabe von Edgar Allan Poe flatterte um ihn herum und fauchte immer nur das eine einzige Wort [nimmermehr]. Vom Himmel stiegen die Sterne herab. Und sie verblassten beim Näherkommen. Die verlöschenden Sonnen schlackerten wie rohes Eigelb über seinem Kopf.
Die Stimmung in den beiden Szenen ist eine völlig andere und sie stehen natürlich in unterschiedlichen Kontexten, doch die im zweiten Beispiel vom Himmel herabsteigenden Sterne, die verlöschen wie rohes Eigelb, zeigen eine wesentlich komplexere Metaphorik. Dies ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie sich Škėma als Mensch und Künstler im Laufe seines Lebens entwickelt hat. Claudia Sinnig war bei diesem Prozess nicht dabei. Doch allein die Tatsache, dass man ihn am deutschen Text so eindrucksvoll nachverfolgen kann, zeugt von ihrem tiefen Verständnis von Škėma und seinem schriftstellerischen Gesamtwerk.
Als weiteres Motiv ziehen sich Klänge wie ein roter Faden durch die Übersetzung und bereichern die Geschichten mit einer Hintergrundmusik. Stimmlagen einzelner Charaktere werden genau beschrieben, mal spricht ein Tenor, mal ein Bass, mal fliegt Strawinskys Feuervogel durch die Luft, in einer anderen Szene erstirbt Bachs Orgelklang, die Winde blasen metaphorisch ihre Trompeten. Auch Stille und Schweigen sind allgegenwärtig und werden als Kontraste hervorgehoben. Am Schluss hämmert nur noch die Celesta, „Dang ding ding dang“. Diese lautmalerischen Ausdrücke sind sowohl klanglich, rhythmisch als auch visuell, was das Schriftbild betrifft, besonders auffällig. All diese Aspekte sollte auch die deutsche Übersetzung aufzeigen, was nicht immer leicht ist, in diesem Fall aber wunderbar gelingt.
Die Themen der einzelnen Geschichten spiegeln die Biographie des Autors wider. In einer Art Einleitung zu einer Sammlung mehrerer zusammenhängender Erzählungen schreibt er selbst:
Beide Welten sind unwirklich: sowohl die reale als auch die von mir erschaffene. In der wirklichen Welt würden beide ineins verschmelzen.
Antanas Škėmas Lebenslauf ist, wenn auch für einen litauischen Schriftsteller nicht unbedingt außergewöhnlich, in vielerlei Hinsicht besonders und aufgrund äußerer Umstände von Anfang an international geprägt. Er wird 1910 im polnischen Łodź geboren, zu jener Zeit Teil des Russischen Reichs, wächst in Russland, der Ukraine und Litauen auf, flieht als junger Erwachsener vor der sowjetischen Besatzung nach Deutschland und emigriert 1949 schließlich in die Vereinigten Staaten, wo er sich in Chicago und New York niederlässt. 1961 stirbt er bei einem Autounfall in Pennsylvania. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich in diversen Zünften, ursprünglich studierte er Medizin und Jura, arbeitete in den 30er Jahren als Schauspieler und Theaterregisseur und in den USA auch als Fabrikarbeiter und Liftboy.
Die Sammlung der über Jahre hinweg entstandenen Werke wird durch diese vielfältigen Lebenserfahrungen getragen. Die einzelnen Geschichten stehen prinzipiell für sich, doch bestimmte Übersetzungs- und Verlagsentscheidungen verleiten dazu, sie im Kontext der Biographie ihres Autors zu lesen. Letztendlich erleichtern Glossar, ausführliche Anmerkungen und Nachwort in gewisser Weise die Arbeit der Übersetzerin, denn es ist eine Möglichkeit, Übersetzungsentscheidungen zu erklären und zusätzliche Informationen zu vermitteln. Vor allem aber kann darin historischer Kontext wiedergegeben werden, in dessen Recherche Claudia Sinnig offensichtlich viel Arbeit und Mühe gelegt hat.
Der letzte Abschnitt, der in seiner emotionalen Wirkungskraft kaum übertroffen wird, endet mit vier kurzen Sätzen: „Sie trägt ein blaues Jäckchen. Meine sechsjährige Madonna. Sie wird den Sohn gebären, der noch trauriger ist als sie selbst. Dang ding ding dang – hämmert die Celesta.“ Eigentlich müssten sie erst sacken, doch das Buch endet nicht hier. Unmittelbar folgt ein letztes Fundstück mit dem Titel „Antanas Škėma wird 40“. Diese letzte „Geschichte“, mehr autobiographisches Essay als Erzählung und ursprünglich als Zeitungsartikel erschienen, bestätigt die Annahme, die beim Lesen immer wieder aufkommt: Antanas Škėma hatte es in seinem Leben nicht leicht. Auch wenn der Text wie ein Nachtrag wirkt, der sich von den Erzählungen abhebt, vervollständigt er das Bild eines Schriftstellers, der in diesem Band sein Leben in Worte fasst und daraus fiktive Geschichte strickt.
Letztendlich am beeindruckendsten ist Škėmas Gabe, unterschiedliche Perspektiven und Fokalisierungen zu vermitteln. Sei es die personifizierte „Stille der Nacht“, die aus der ersten Person erzählt, oder eine Geschichte aus der Perspektive des Winds, der um seine Freundin, eine verstorbene Birke, trauert. Hinzu kommen Geschichten aus dem Blickwinkel von Kindern sowie von Erwachsenen, von Opfern und Tätern. Jede Perspektive zeichnet ein eigenes Bild und ist besonders effektiv, weil die Übersetzung für jede den passenden Ton findet. Die Stille der Nacht spricht sanft und einfühlsam („Beruhige dich, ruh dich aus, ich stehe dir bei, ich bin die Stille der Nacht.“), Saschka, Mitka und der kleine Martin sprechen, wie nur Kinder in unschuldiger Grausamkeit sprechen („Ich schlitze ihm den Bauch auf, und seine Därme fallen raus.“ „Du bist dumm! Die Augen müssen ihm ausgerissen werden.“ „Ich reiße seine Zunge raus und nagle sie ihm an die Stirn.“ „Du bist dumm! Zuerst müssen ihm die Augen ausgerissen werden.“).
Apokalyptische Variationen gehört zu den Büchern aus „kleinen“ Sprachen, die zwischen dominanteren Sprachen am Büchermarkt manchmal unterzugehen drohen, jedoch mit herausragender übersetzerischer Leistung glänzen. Claudia Sinnig vermittelt deutschsprachigen Leserinnen und Lesern ein Stück litauischer Literaturgeschichte in all seiner stilistischen Vielfalt und sprachlichen Präzision. Jede Erzählung ist ein Erlebnis und trotz oft tragischer und trauriger Inhalte bereitet die wortgewandte Verarbeitung auf jeder Seite Freude.
Drei Fragen an Claudia Sinnig
Antanas Škėma gilt als einer der großen Namen der litauischen Literatur. Was zeichnet ihn als Schriftsteller aus?
Škėma kam ja als erfahrener, bekannter Schauspieler (auf Litauens wichtigsten Bühnen in den 1930er und 1940er Jahren) zur Literatur. Deshalb war er sich des Gewichts und der Wirkung des sprachlichen Klangs hochgradig bewusst, und zwar nicht nur von Intonation und Melodie: Einer seiner Wegbegleiter sagte einmal, sinngemäß, es würde sich vermutlich in Škėmas Gesamtwerk keine einzige Stelle finden, an der zwei benachbarte Wörter mit demselben Konsonanten beginnen.
Diese Sensiblität und Sorgfalt im Umgang mit der Sprache hat gewiß auch damit etwas zu tun, dass Škėma von früh an polyglott gewesen ist. Er war ja in einem litauisch-polnischen Elternhaus aufgewachsen, zunächst im damals zum russischen Reich gehörigen Polen und hat dann (im Ersten Weltkrieg und im russischen Bürgerkrieg), also schon als Kleinkind, in Russland und in der Ukraine gelebt. Seine Zeitgenossen sagen, er habe lebenslang (immerhin: als Schauspieler und Literat!) Litauisch mit deutlichem slawischem Akzent gesprochen. Zudem hat Škėma einen Großteil auch seines späteren, „eigentlichen“ Schriftstellerlebens im Exil, also im fremdsprachigen Ausland verbracht: von 1944 bis 1949 in Deutschland und in den USA. (In dieser Hinsicht, also der selbstverständlichen und dann auch erzwungenen Mehrsprachigkeit, war er zu seiner Zeit bei Weitem nicht allein, sowohl unter den Literaten als auch unter den Menschen in Ostmitteleuropa insgesamt.)
Hinzu kommt Škėmas nicht minder ausgeprägtes, recht außergewöhnliches Interesse an der literarischen Form. Als angehender Schriftsteller hatte er sich den in dieser Hinsicht wohl strengsten, anspruchsvollsten Mentor gesucht, den die litauische Literatur zu seiner Zeit (und wahrscheinlich überhaupt) zu bieten hatte: den Lyriker Henrikas Radauskas (1910–1975), einen Anhänger des russischen Akmeismus, dessen Verse von einer unübertroffenen, geradezu legendären kristallinen Präzision und Schönheit sind. Und Radauskas, rigoroser Poeta doctus und kauziger Eigenbrötler, hat sich (was an ein Wunder grenzte und einem Ritterschlag gleichkam) des Debütanten angenommen und dessen ersten Jahre als Literat begleitet – als Gesprächspartner, als pedantischer erster Leser, als kritischer und zugleich wohlwollender Rezensent.
Eines solchen starken formellen Halts oder Korsetts hat Škėma wohl auch bedurft, denn die beiden offenkundigsten Besonderheiten seines Schaffens bestehen ja einerseits in einer unglaublich vielgestalten, ja widersprüchlichen Leidenschaft, in einem unbedingten, unduldsamen und aufrichtigen Mitteilungsbedürfnis von Traumatischem, Tabuisertem und Exzentrischem und, andererseits, in der ebenso kühnen wie notwendigen, ebenso radikalen wie plausiblen Modernisierung seiner eigenen und damit auch der litauischen Prosa.
Kurz: Die Besonderheit von Škėmas Schaffen besteht meines Erachtens in einer extremen, für ihn selbst, sein Umfeld und auch die Leserschaft schonungslosen und deshalb oft schmerzhaften Aufrichtigkeit – sprachlich, formell und inhaltlich.
Was waren besondere Herausforderungen beim Übersetzen seiner Apokalyptischen Variationen?
Ganz allgemein gesagt: Verständlichkeit, Klarheit und Kohärenz zu bewahren bzw. – für die deutschsprachige Leserschaft ohne Kontextkenntnis mit Anmerkungen und Nachwort – herzustellen. Dies erforderte, die Sinnlichkeit, Genauigkeit und Schlichtheit der Texte eingedenk der auch mir selbst zum Teil zu diesem Zweck erst zu erkundenden historischen, kulturellen, literarischen und regionalen Kontexte im Deutschen herauszuarbeiten.
Und im Einzelnen, zum Beispiel, mich Škėmas riskanter Gratwanderung zwischen Sentimentalem und Abgründigem aufrichtig auszusetzen, das heißt, sie nicht vage, verallgemeinert oder abstrakt, sondern so konkret, genau und greifbar wie möglich zu übertragen und sie so gut ich konnte zu bewältigen. Kontinuität und Entwicklung seines Schaffens von den eher traditionellen Anfängen bis hin zum fulminanten modernistischen Ende zu bewahren und damit, unter anderem, auch den „litauischen“ Blick in und auf New York oder Chicago wahrnehmbar zu lassen oder zu machen.
Die meisten deutschsprachigen Leserinnen und Leser wissen nur wenig über den kulturellen und historischen Kontext, in dem die Texte stehen. Muss man den kennen, um Škėma zu verstehen?
Ich glaube (und hoffe) nicht. Es ist ein ergreifendes Buch über die unentwegte Sehnsucht und Suche nach Hoffnung, wenigstens einem Fünkchen, in tiefen, verzweifelten Lebenskrisen und Gewissensnöten, also über sehr individuelle, geradezu intime Grenzerfahrungen, existenzielle Überforderungen, die genau dadurch, also durch das Persönliche, auch allgemeingültig, universell und gut nachvollziehbar sind.
Die Umstände oder Auslöser dieser Lebenskrisen sind ganz gewiss bedrückender und erdrückender als die Lebensbedingungen der meisten von uns: Krieg und Gewaltherrschaft, Ungewissheit und Angst, Exil und Not. Und doch leben auch wir in, wie es scheint, immer schwierigeren Zeiten und rücken solche Erfahrungen und Erlebnisse von Katastrophen und Tragödien in Vergangenheit, Gegenwart und, möglicherweise, in der Zukunft auch an uns näher heran. Škėmas Protagonisten sind ja zumeist durch und durch moderne Menschen, also skeptische und ungeduldige, leidenschaftliche und lebenshungrige, empfindliche, an sich selbst (ver)zweifelnde und fehlbare Individualisten, und sie ringen mit denselben Themen und Problemen wie wir, z. B. mit Trauma und Verrat, mit Unschlüssigkeit und Liebe und Einsamkeit.
Škėmas Prosastücke scheinen mir so anrührend, aber auch spannend und tröstlich, dass sie, eher umgekehrt, wie Brücken, Pfade oder Fenster zum Erkunden dieser unbekannten Kontexte einladen, provozieren oder hinführen könnten. Ich habe mein Möglichstes getan, diese Kontexte mit Erläuterungen aufscheinen zu lassen und Interesse an weiteren Erkundungen zu wecken, denn ich halte ein besseres Verständnis von ihnen für sehr wichtig, geradezu unerläßlich: Diese historischen Umstände, Ereignisse und Schauplätze betreffen auch uns, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart und in der Zukunft. Je mehr wir über sie wissen und uns ihrer bewusst sind, umso besser können wir uns in der Welt zurechtfinden, handlungsfähig sein – und uns schließlich auch selbst begreifen.