5 Bücher aus den fla­chen Ländern

Auf der Suche nach außergewöhnlichem Lesestoff? Hier werdet ihr fündig: eine literarische Entdeckungsreise durch die Niederlande, Flandern und Curaçao. Von

Mit Midjourney in die "flachen Länder", die 2024 Ehrengäste bei der Leipziger Buchmesse sind.

In die­ser Rei­he stel­len Übersetzer:innen und Expert:innen Bücher aus „ihrem“ Land vor – span­nend, weg­wei­send, roman­tisch, sub­til, haar­sträu­bend oder urko­misch – aber in jedem Fall lesens­wert. Ob Klas­si­ker oder Zeit­ge­nös­si­sches, Kri­mis, Poe­sie oder Kin­der­bü­cher … die­se ganz per­sön­li­che Lese­lis­te lädt dazu ein, die lite­ra­ri­sche Land­schaft des Lan­des vom Sofa aus zu berei­sen. Viel Spaß beim Schmökern!


Gedich­te
Anne­ke Bras­sin­ga: Fata Mor­ga­na, dürs­te nach uns
Über­setzt von Ira Wil­helm. Matthes & Seitz

Die Gedich­te von Anne­ke Bras­sin­ga erfor­schen auf höchst eigen­sin­ni­ge Art und Wei­se das Mate­ri­al der Spra­che: Klän­ge, Asso­zia­tio­nen, alte, in Ver­ges­sen­heit gera­te­ne Aus­drü­cke und nie da gewe­se­ne Kom­po­si­ta, das Spiel mit Para­do­xen und Ambi­gui­tä­ten machen ihre Zei­len zu einem wah­ren Aben­teu­er. Sie lässt sich dabei nicht nur von der nie­der­län­di­schen Natur und von weit­läu­fi­gen Land­schaf­ten und Städ­ten inspi­rie­ren, son­dern schreibt auch Ver­se über die Lie­be, die Erin­ne­rung, die Wor­te selbst und sogar über ihr Mobi­li­ar. Der Spiel­platz ihrer Spra­che sprüht vor Lebens­kraft und Humor, umfasst aber auch stil­le, fast mys­tisch anmu­ten­de Gedich­te. Fata Mor­ga­na, dürs­te nach uns prä­sen­tiert eine Aus­wahl ihres dich­te­ri­schen Wer­kes von 1987–2015, von Ira Wil­helm vol­ler Sprach­freu­de übersetzt.


Roman
Lou­is Paul Boon: Der Kapel­le­kens­weg
Über­setzt von Gre­gor Sefe­rens. Luchterhand

Drei­mal wur­de der Roman Der Kapel­le­kens­weg des flä­mi­schen Autors Lou­is Paul Boon ins Deut­sche über­setzt, doch erst in der drit­ten Über­set­zung aus dem Jahr 2002 von Gre­gor Sefe­rens ent­fal­tet sich die Stimm­ge­walt des Ori­gi­nals. Eine die­ser Stim­men ist die des Fabrik­mäd­chens Ondi­ne, die im 19. Jahr­hun­dert in der klei­nen Indus­trie­stadt Ter-Muren auf­wächst und davon träumt, die sozia­le Lei­ter zu erklim­men. Ihr Leben, ein­ge­bet­tet in das Set­ting des auf­kom­men­den Sozia­lis­mus, wird mit Geschich­ten über den rück­sichts­lo­sen Rei­ne­ke Fuchs und den gut­gläu­bi­gen Ise­grim ver­wo­ben – Geschich­ten von Pro­fi­teu­ren und Opfern. Das alles wird vom Autor selbst kom­men­tiert, der in der Figur des Boont­je auf­tritt und zusam­men mit sei­nen Freun­den ein Buch schreibt, das das Leben so dar­stel­len soll, wie es wirk­lich ist, ein Buch wie „ein See, ein Oze­an, ein Cha­os“. Mit die­sem 1953 erschie­ne­nen Roman erreich­te die nie­der­län­disch­spra­chi­ge Nach­kriegs­li­te­ra­tur einen Höhe­punkt, der einer gan­zen Gene­ra­ti­on flä­mi­scher Autoren zum Vor­bild diente.


Essays
Char­lot­te Mut­s­aers: Kir­schen­blut
Über­setzt von Mar­le­ne Mül­ler-Haas. Hanser

Wie über­ra­schend, ele­gant, ori­gi­nell, inspi­rie­rend, lus­tig und ver­spielt Essays sein kön­nen und gleich­zei­tig auch zum Nach­den­ken anre­gen, zeigt der Essay­band Kir­schen­blut aus der Feder von Char­lot­te Mut­s­aers, einer der span­nends­ten nie­der­län­di­schen Autor:innen der Gegen­wart. Tau­send­sas­sa Mut­s­aers ver­zückt die Leser mit Pro­sa­tex­ten, die sich an der Gren­ze zwi­schen Bild und Text bewe­gen, sie jon­gliert mit uner­war­te­ten Ver­knüp­fun­gen von weit aus­ein­an­der­lie­gen­den The­men und setzt sich mit flin­ken Sprün­gen über alle Gen­re­gren­zen hin­weg. Mit Lie­be, intel­li­gen­tem Humor und einem Hauch Melan­cho­lie schreibt sie über Vir­gi­nia Woolf, Dora Car­ri­ng­ton, Geor­ge Perec und vie­le ande­re. Die­se Samm­lung von Tex­ten aus ihren zahl­rei­chen Essay­bän­den wird mit einem wohl­über­leg­tem Selbst­in­ter­view von und mit der Autorin abge­schlos­sen – typisch Mut­s­aers. Für ihre Über­set­zung erhielt Mar­le­ne Mül­ler-Haas 2002 den Else-Otten-Übersetzerpreis.


Kin­der­buch
Bart Moey­aert: Am Anfang
Über­setzt von Mir­jam Press­ler. Peter Hammer

Bibel­ge­schich­ten für Kin­der gibt es vie­le, aber eine Nach­er­zäh­lung der Schöp­fungs­ge­schich­te, die so rüh­rend und lus­tig von Bart Moey­aert erzählt und so wun­der­voll von Wolf Erl­bruch illus­triert wur­de, gibt es nur ein­mal. Die Sym­bio­se des flä­mi­schen Kinder‑, Jugend- und Erwach­se­nen­buch­au­tors und des deut­schen Illus­tra­tors erin­nert auf ganz beson­de­re Wei­se an „zwei Kin­der, die im sel­ben Gar­ten gespielt haben“. In die­sem Buch, in dem Gott beim Schöp­fungs­pro­zess von einem kri­ti­schen Erzäh­ler befragt wird, prä­sen­tiert sich der Autor bei der Erschaf­fung von bedeu­tungs­vol­len Räu­men und Momen­ten der Stil­le als Meis­ter der Sug­ges­ti­vi­tät. Sei­ne Leich­tig­keit und der treff­si­che­re Stil machen deut­lich, dass sich Kin­der- und Jugend­li­te­ra­tur in Bezug auf die lite­ra­ri­sche Qua­li­tät nicht vor ande­ren Gen­res ver­ste­cken muss. Mir­jam Press­ler, „sei­ne Stim­me in der ande­ren Spra­che“, wie Moey­aert sie lie­be­voll nann­te, hat das 2004 mit dem „Der sil­ber­ne Grif­fel“ aus­ge­zeich­ne­te Kin­der­buch Am Anfang über­zeu­gend ins Deut­sche übersetzt.


Roman
Frank Mar­ti­nus Ari­on: Dop­pel­tes Spiel
Über­setzt von Lisa Men­sing. Büchergilde

Dop­pel­tes Spiel des aus Cura­çao stam­men­den Autors Frank Mar­ti­nus Ari­on erschien 1973 und war damals der aller­ers­te antil­lia­ni­sche Roman, der kom­plett aus Schwar­zer Per­spek­ti­ve geschrie­ben war. Die Ereig­nis­se des 400 Sei­ten star­ken Buchs spie­len sich inner­halb eines Sonn­tag­nach­mit­tags und ‑abends in der Nähe von Wil­lem­stad in der ehe­ma­li­gen nie­der­län­di­schen Kolo­nie Cura­çao ab. Was als unschul­di­ge Run­de Domi­no zwi­schen vier schwar­zen Män­nern anfängt, ent­wi­ckelt sich zu einem gro­ßen Men­schen­auf­lauf und endet mit Mord und Tot­schlag. Die Geschich­te ist mal sati­risch, mal tra­gi­ko­misch, und weil sie von einem distan­zier­ten Erzäh­ler erzählt wird, muss man beim Lesen selbst inter­pre­tie­ren, wie es auf der Insel um die kolo­nia­le Geschich­te Cura­ça­os, die poli­ti­sche Situa­ti­on, Loya­li­tät und Freund­schaft, Klas­sen­un­ter­schie­de und Män­ner-Frau­en-Ver­hält­nis­se bestellt ist. Lisa Men­sings Neu­über­set­zung von 2022 über­trägt den Text behut­sam und trans­por­tiert die Atmo­sphä­re und den Stil des Romans aus­ge­zeich­net ins Deutsche.


In eige­nen Sphären

In ihrem Roman „Umlauf­bah­nen“ hin­ter­fragt Saman­tha Har­vey die mensch­li­che Exis­tenz im Uni­ver­sum – und erhielt… 
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Ver­lo­re­ne Kindheit

Im Debüt­ro­man der nea­po­li­ta­ni­schen Anwäl­tin Fran­ce­s­ca Maria Ben­ven­uto erzählt ein straf­fäl­li­ger Jugend­li­cher aus dem Gefängnis… 

Im Por­trait: Tho­mas Weiler

Der Über­set­zer Tho­mas Wei­ler hat ein auf­re­gen­des Jahr hin­ter sich: Für sei­ne Über­set­zung von Alhierd… 

Ita­lie­ni­sche Vielfalt

Im Rah­men des Gast­land­auf­tritts Ita­li­ens auf der Frank­fur­ter Buch­mes­se 2024 stel­len renom­mier­te Übersetzer:innen bei uns… 

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