Wel­che Über­set­zung soll ich lesen? – Jane Eyre

Charlotte Brontës „Jane Eyre“ ist weltweit einer der am meisten übersetzten Klassiker. Über zwanzig Mal wurde der Roman allein ins Deutsche übertragen. Welche Übersetzung ist die beste Wahl? Von

Die Autorin Charlotte Brontë, porträtiert von Evert A. Duyckinck in einem Museum, wo Menschen sie fotografieren. Bild: Unsplash.
Die Autorin Charlotte Brontë, porträtiert von Evert A. Duyckinck. Bild: Unsplash.

Wie ent­schei­det man, wel­che Über­set­zung man liest? Vor die­ser Fra­ge dürf­ten die meis­ten von uns irgend­wann ste­hen. Oft ist der Zufall aus­schlag­ge­bend: Wir lesen die Über­set­zung, die der Buch­la­den unse­res Ver­trau­ens ver­kauft. Manch­mal lesen wir die Über­set­zung, die bei Eltern oder Freund:innen im Regal steht. Oder wir lesen die Über­set­zung, die als Geschenk unterm Weih­nachts­baum liegt.

Mei­ne Jane-Eyre-Über­set­zung gehör­te eigent­lich mei­ner Tan­te. Ich hat­te als Teen­ager Aus­schnit­te einer Ver­fil­mung im Fern­se­hen gese­hen und in der Fami­lie nach­ge­fragt, ob jemand die­se Jane Eyre ken­ne. Beim nächs­ten Besuch brach­te mir mei­ne Tan­te den Roman mit, der seit­dem in mei­nem Besitz ist. Dass es sich bei der Aus­ga­be nicht nur um irgend­ei­ne, son­dern kon­kret um die Über­set­zung von Ingrid Rein han­delt, fand ich erst her­aus, als ich das Buch für die­sen Bei­trag aus dem Regal holte.

Jane Eyre steht in sehr vie­len Bücher­re­ga­len die­ser Welt. Literaturwissenschaftler:innen schät­zen, dass der Roman über 600 Mal über­setzt wur­de und das in über 60 Spra­chen. Allein im Deut­schen gibt es wohl über zwan­zig Über­set­zun­gen und Bear­bei­tun­gen. Mir hät­ten damals also vie­le ande­re Jane-Eyre-Über­set­zun­gen in die Hän­de fal­len kön­nen. Es war aber viel­leicht ein Glücks­fall, dass es die Über­set­zung von Ingrid Rein war.

Denn unab­hän­gig davon, wie ich die­se Fas­sung aus heu­ti­ger Sicht bewer­ten wür­de, ist eines klar: Ich konn­te den Roman damals dank man­geln­der Sprach­kennt­nis­se nur in der Über­set­zung ent­de­cken. Und dass mich das Buch wie so vie­le Ande­re in den Bann der Bron­të-Schwes­tern gezo­gen hat, ver­dan­ke ich sei­ner Über­set­ze­rin. Jane Eyre wur­de bis Ende des 20. Jahr­hun­derts wie so vie­le Klas­si­ker gekürzt, adap­tiert oder gar gänz­lich umge­schrie­ben. Ver­mut­lich hät­te ich mit einer „Johan­na Ehre“ – so deutsch­te man den Namen in einer der ers­ten Über­set­zun­gen ein – weni­ger anfan­gen kön­nen als mit Reins moder­ner Heldin.

Char­lot­te Bron­tës zwei­ter Roman Jane Eyre war bereits kurz nach sei­ner Erst­ver­öf­fent­li­chung im Jahr 1847 ein Hit. Wil­liam M. Tha­ckeray (des­sen Toch­ter berich­te­te, ganz Lon­don habe das Buch nicht weg­le­gen kön­nen) bezeich­ne­te den Roman als das „Meis­ter­werk eines gro­ßen Genies“. Sei­ne Autorin, deren wah­re Iden­ti­tät man trotz ihres Pseud­onyms „Cur­rer Bell“ nach dem Tod der Schwes­tern schnell auf­deck­te, wur­de über Nacht berühmt. Ers­te Über­set­zun­gen erschie­nen nur weni­ge Mona­te nach der Erst­aus­ga­be. Auch in Deutsch­land, wo Bücher aus Eng­land in Mode waren, wur­de bereits 1848 eine ers­te Über­set­zung veröffentlicht.

Laut der Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin Lyn­ne Tat­lock gehör­te Jane Eyre damit also bereits um 1900 zur Stan­dard­lek­tü­re der Deut­schen, obgleich vie­le nur Zugang zu stark gekürz­ten Ver­sio­nen hat­ten. Der Text wur­de als Büh­nen­stück auf­be­rei­tet, was zu dem Erfolg bei­trug. Beliebt waren außer­dem Adap­tio­nen für Kin­der und Jugend­li­che, in denen die  deli­ka­ten oder kon­tro­ver­sen Stel­len gestri­chen wur­den. Eine sol­che Pra­xis war nicht nur in Deutsch­land weit ver­brei­tet. Auch in vie­len ande­ren Kul­tur­räu­men pass­te man den Text den jewei­li­gen Zwe­cken und Ziel­grup­pen an, wie das Oxfor­der For­schungs­pro­jekt „Pris­ma­tic Jane Eyre“ anschau­lich auf­zeigt. Jane Eyre ver­fügt als Über­set­zung gewis­ser­ma­ßen über ein Eigen­le­ben, das nicht immer vie­le Gemein­sam­kei­ten mit Char­lot­te Bron­tës Ori­gi­nal aufweist.

Aktu­ell sind etwa sechs deut­sche Über­set­zun­gen von Jane Eyre im Han­del erhält­lich. Die Ältes­te stammt von Maria von Borch, die im 19. Jahr­hun­dert vor allem skan­di­na­vi­sche Lite­ra­tur (dar­un­ter sehr viel von Hen­rik Ibsen) ins Deut­sche brach­te. Ihre Über­set­zung erschien um 1887 bei Reclam und wird noch immer von klei­ne­ren Ver­la­gen ver­legt. Außer­dem ist sie auf Guten­berg ein­seh­bar. Alle wei­te­ren hier von mir bespro­che­nen Über­set­zun­gen sind in den letz­ten fünf­zig Jah­ren ent­stan­den. Ingrid Reins Über­set­zung wur­de 1990 eben­falls von Reclam ver­legt und im Rah­men der „Klassikerinnen“-Reihe neu auf­ge­legt. Die Über­set­ze­rin ver­füg­te zu dem Zeit­punkt bereits über Bron­të-Erfah­rung; nur vier Jah­re zuvor hat­te sie näm­lich Emi­ly Bron­tës Sturm­hö­he neu übersetzt.

1998 leg­te dtv mit einer wei­te­ren Über­set­zung von Gott­fried Röckel­ein nach, die noch immer ver­legt wird. Hel­mut Kos­sodo hat­te Jane Eyre in den Sieb­zi­gern über­setzt; sei­ne Fas­sung (Insel Ver­lag) war noch lan­ge im Umlauf und ist auch noch immer als Taschen­buch­aus­ga­be erhält­lich. Inzwi­schen hat der Insel Ver­lag eine Über­tra­gung von Mela­nie Walz (2015) her­aus­ge­bracht, bei der es sich gewis­ser­ma­ßen um die aktu­ells­te Neu­über­set­zung han­delt. Außer­dem gibt es noch die Über­set­zung von Andrea Ott, die 2001 bei Manes­se erschien. 

Bei all die­sen Übersetzer:innen han­delt es sich um Pro­fis. Wer gern eng­li­sche Klas­si­ker liest, soll­te sich die Namen notie­ren, denn gemein­sam sind sie für sehr vie­le Neu­über­set­zun­gen der ver­gan­ge­nen Jah­re ver­ant­wort­lich. Ob Jane Aus­ten, Geor­ge Eli­ot oder Hen­ry James – vie­le ihrer Wer­ke stam­men auf Deutsch aus der Feder von den genann­ten Übersetzer:innen. Neben den erwähn­ten Jane-Eyre-Über­set­zun­gen gibt es noch min­des­tens zehn wei­te­re Fas­sun­gen. In die­sem Bei­trag berück­sich­ti­ge ich aber nur Über­set­zun­gen, die der­zeit auf ein­fa­chem Wege zu kau­fen sind.

Wer die Geschich­te bereits kennt, kann die nächs­ten zwei Absät­ze gern über­sprin­gen. Für alle Jane-Eyre-Neu­lin­ge hier aber eine kur­ze Ein­füh­rung in den Roman, bevor wir uns den Über­set­zun­gen wid­men: Die Fra­ge, wel­che Art von Roman Jane Eyre ist, beschäf­tigt die Lite­ra­tur­wis­sen­schaft schon seit Jahr­zehn­ten. Es han­delt sich im wei­tes­ten Sin­ne um einen Bil­dungs­ro­man. Sei­ne Haupt­fi­gur Jane wächst als Wai­se (der Roman ist auch unter dem Titel Die Wai­se von Lowood bekannt) im Haus ihrer kalt­her­zi­gen Tan­te Mrs. Reed auf, wo sie von ihren Cou­sins schi­ka­niert wird. Nach einer Aus­ein­an­der­set­zung schickt man sie auf die Mäd­chen­schu­le Lowood, die von Typhus heim­ge­sucht und von dem Geist­li­chen Mr. Brock­le­hurst streng geführt wird. Jane erhält dort zwar wenig zu essen, bekommt aber Zugang zu einer soli­den Aus­bil­dung. Mit 18 Jah­ren ver­lässt sie schließ­lich das Inter­nat, um in Thorn­field Hall als Gou­ver­nan­te zu arbeiten.

Thorn­field Hall gehört einem gewis­sen Mr. Roches­ter, der sich als Byro­nic Hero ent­puppt – er ist von mür­ri­scher Natur und trägt eini­ge dunk­le Geheim­nis­se mit sich; Jane ver­liebt sich trotz­dem in ihren Haus­her­ren. In Thorn­field Hall kommt es zu merk­wür­di­gen Vor­fäl­len: Immer wie­der hört Jane nachts ein selt­sa­mes Geläch­ter, eines Abends fan­gen Roches­ters Bett­vor­hän­ge Feu­er und ein Besu­cher wird atta­ckiert. Der Roman zählt damit auch zur Schau­er­li­te­ra­tur, die in Eng­land eine gro­ße Tra­di­ti­on hat. Anders als ihre Vorgänger:innen wie Hor­ace Wal­po­le oder Ann Rad­clif­fe ver­legt Bron­të den Schau­platz des Grau­ens jedoch in das häus­li­che Set­ting ihres Hei­mat­lands, und gibt ihm einen rea­len Ursprung: Es ist Roches­ters weg­ge­sperr­te Ehe­frau, die in Thorn­field Hall ihr Umwe­sen treibt und von ihm als „ver­rückt“ ein­ge­stuft wird. Als Jane am Tag der geplan­ten Hoch­zeit mit Mr. Roches­ter davon erfährt, läuft sie über Nacht davon. 

Trotz aller Wid­rig­kei­ten han­delt es sich bei Jane Eyre um eine der gro­ßen Lie­bes­ge­schich­ten der Welt­li­te­ra­tur, und die tief emp­fun­de­nen Emo­tio­nen der bei­den Figu­ren schla­gen sich auch in der Spra­che nie­der, die schon manch einem vik­to­ria­ni­schen Kri­ti­ker stel­len­wei­se zu viel war. Dass Jane Eyre jedoch immer wie­der neue Leser:innen fin­det, liegt vor allem an der eigen­tüm­li­chen und fas­zi­nie­ren­den Erzähl­stim­me. Die gro­ße Vir­gi­nia Woolf hat­te beim wie­der­hol­ten Lesen von Jane Eyre zunächst Angst, dass die Haupt­fi­gur alt­ba­cken und zu vik­to­ria­nisch rüber­kom­men wür­de – das Gegen­teil war jedoch der Fall. 

Gut hun­dert Jah­re nach Woolfs Urteil dürf­ten auch moder­ne Leser:innen welt­weit den Zugang zum Text vor allem über sei­ne Ich-Erzäh­le­rin fin­den. Roma­ne in der Ich-Form waren kei­ne Sel­ten­heit, aber kaum eine Stim­me hat für so viel Furo­re gesorgt wie Jane Eyre. Man mun­kel­te sogar, dass Dickens sei­nen David Cop­per­field ähn­lich kon­stru­iert hät­te (was die­sem gar nicht gefiel, denn er konn­te mit den Bron­të-Schwes­tern nichts anfan­gen). Wenn wir uns die Über­set­zun­gen anschau­en, ist es erstre­bens­wert, genau das im Hin­ter­kopf zu behal­ten: Jane Eyre ist nichts ohne Jane Eyre. Oder wie die Über­set­zungs­wis­sen­schaft­le­rin Katha­ri­na Reiß bekräf­tigt: „Jedes geschil­der­te Ereig­nis im Roman, jede Figur, jede dar­ge­stell­te Land­schaft dient der Kon­tu­rie­rung der weib­li­chen Haupt­fi­gur und muss in eben­die­sem Licht gewer­tet werden.“

Einen ers­ten Ein­druck der Über­set­zun­gen erhält man, wenn man sich zunächst einen der wohl berühm­tes­ten Jane-Eyre-Sät­ze über­haupt anschaut. Am Ende des Romans (Ach­tung Spoi­ler) fin­den Jane und Mr. Roches­ter wie­der zuein­an­der. Das letz­te Kapi­tel des Romans beginnt daher wie folgt.

Rea­der, I mar­ried him.

Mein teu­rer Leser, ich hei­ra­te­te ihn. (Maria von Borch, 1887)
Lie­ber Leser, wir haben gehei­ra­tet. (Hel­mut Kos­sodo, 1979)
Lie­ber Leser, ich habe ihn gehei­ra­tet. (Ingrid Rein, 1990)
Lie­be Leser: Ich hei­ra­te­te ihn. (Gott­fried Röckel­ein, 1998)
Ich habe ihn gehei­ra­tet, lie­ber Leser. (Andrea Ott, 2001)
Leser, ich habe ihn gehei­ra­tet. (Mela­nie Walz, 2015)

Und die­ser eine Satz hat es in den Über­set­zun­gen in sich. Eini­ge Din­ge dürf­ten auf­merk­sa­men Leser:innen direkt ins Auge sprin­gen. Fan­gen wir aber mit dem Offen­sicht­li­chen an: In der Über­set­zung von Hel­mut Kos­sodo wird aus dem „ich“ ein „wir“. Nun könn­te man argu­men­tie­ren, dass Jane vor eini­gen Kapi­teln auf­ge­zeigt hat, dass sie und Mr. Roches­ter gleich­be­rech­tigt sind. Das „wir“ wür­de dem­nach bei­spiels­wei­se Gemein­schaft sug­ge­rie­ren, wäre es an eben die­ser Stel­le nicht so völ­lig fehl am Platz.

Streng genom­men könn­te man Kos­sodos Über­set­zung direkt weg­le­gen, denn offen­bar ist dem Über­set­zer die Essenz des Romans ent­gan­gen. Als finan­zi­ell unab­hän­gi­ge Frau, die weni­ge Kapi­tel zuvor Tei­le ihrer Fami­lie wie­der­ent­deckt hat, braucht Jane Eyre kei­nen Ehe­mann, sagt sie doch über sich selbst: „Ich bin ein frei­er Mensch mit einem eige­nen Wil­len“ (Walz). Und die­ser eige­ne Wil­le macht Jane zu einer der fas­zi­nie­rends­ten Hel­din­nen der eng­lisch­spra­chi­gen Lite­ra­tur­ge­schich­te – und den Text zu einem der ers­ten (auch wenn das in der Lite­ra­tur­wis­sen­schaft durch­aus umstrit­ten ist) femi­nis­ti­schen Romane. 

Inter­es­sant ist in dem Satz auch der „Leser“. Es han­delt sich dabei kei­nes­wegs um die ein­zi­ge Leser­an­spra­che in dem Roman; die Anspra­che wird hin und wie­der ver­wen­det, um vor Augen zu füh­ren, dass Jane in ihrer fik­ti­ven Welt ihre Auto­bio­gra­phie (der Roman trägt auch den Unter­ti­tel „An Auto­bio­gra­phy“) schreibt. Mela­nie Walz hat den Satz wort­wört­lich über­setzt. Ihr „Leser“ wirkt im Deut­schen aber doch recht karg, fast schon abge­hackt. Womög­lich war die Über­le­gung, dass auch im Eng­li­schen das gän­gi­ge „dear“ vor „rea­der“ fehlt und der Satz viel­leicht gera­de des­halb so mar­kant ist.

Im Sin­ne der Natür­lich­keit haben sich aber alle ande­ren Übersetzer:innen dazu ent­schie­den, den „Leser“ mit einem Zusatz zu ver­se­hen. Auf­merk­sa­men Kritiker.innen wird zudem auf­fal­len, dass immer von „Leser“ die Rede ist, obgleich im Deut­schen natür­lich auch das Wort „Lese­rin“ exis­tiert. Der Begriff „Rea­der“ ist im Eng­li­schen viel neu­tra­ler, und in ihren Anmer­kun­gen schreibt Walz, dass Bron­të den Roman zunächst unter der männ­li­chen Pseud­onym ver­öf­fent­licht und mög­li­cher­wei­se auch ein männ­li­ches Publi­kum vor Augen hat­te. Den­noch darf man die Fra­ge stel­len, ob nicht inzwi­schen geschlech­ter­ge­rech­te Spra­che an die­ser Stel­le ange­bracht wäre – zumal ein Groß­teil des Lese­pu­bli­kums von Jane Eyre noch immer pri­mär weib­lich sein dürfte.

Aber wid­men wir uns schö­ne­ren The­men, näm­lich der Gram­ma­tik und dem Satz­bau. Gott­fried Röckel­ein und Maria von Borch über­set­zen hier im Prä­ter­itum, die rest­li­chen Übersetzer:innen grei­fen zum Per­fekt. Letz­te­res sorgt dafür, dass der Satz weni­ger steif wirkt und sogar auf eine gewis­se Münd­lich­keit ver­weist. Man kann das direkt tes­ten, indem man den Satz laut liest – „habe gehei­ra­tet“ wird dabei deut­lich weni­ger Pro­ble­me berei­ten als „hei­ra­te­te“. In Jane Eyre wird ohne­hin viel gere­det, und auch hier „spricht“ Jane, nur eben nicht mit einer ande­ren Figur, son­dern mit dem „Leser“. 

Sehr auf­fäl­lig ist an die­ser Stel­le auch, dass Andrea Ott den „Leser“ ans Ende des Sat­zes schiebt. Der Satz­bau wird also gewis­ser­ma­ßen umge­kehrt. Das führt jedoch lei­der dazu, dass der „Leser“ in ihrer Ver­si­on ein biss­chen unter­geht und die Dekla­ra­ti­on abge­schwächt wird. Grund­sätz­lich zeigt die­ser ein­zel­ne Satz aller­dings schon ein wich­ti­ges Merk­mal von ihrer Über­set­zung auf: Otts Über­tra­gung ist ten­den­zi­ell die frei­es­te. Mit­un­ter war ich über­rascht, was sie aus eini­gen Sät­zen gemacht hat, ohne dabei jedoch die Ver­bin­dung zum Ori­gi­nal­text zu kappen.

Mit die­sen ers­ten Ein­drü­cken im Hin­ter­kopf schau­en wir auf einen wei­te­ren Text­aus­schnitt. An die­ser Stel­le beschreibt Jane ihr Ver­hält­nis zu Adè­le, dem „Mün­del“ von Mr. Rochester:

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She made reasonable pro­gress, enter­tai­ned for me a viva­cious, though per­haps not very pro­found, affec­tion; and by her sim­pli­ci­ty, gay pratt­le, and efforts to plea­se, inspi­red me, in return, with a degree of attach­ment suf­fi­ci­ent to make us both con­tent in each other’s socie­ty. This, par paren­t­hè­se, will be thought cool lan­guage by per­sons who enter­tain solemn doc­tri­nes about the ange­lic natu­re of child­ren , and the duty of tho­se char­ged with their edu­ca­ti­on to con­cei­ve for them an ido­latrous devo­ti­on: but I am not wri­ting to flat­ter paren­tal ego­tism , to echo cant , or prop up hum­bug; I am mere­ly tel­ling the truth.

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Was Jane da beschreibt, dürf­te noch heu­te manch einen auf­hor­chen las­sen: Eine Frau, die zugibt, dass sie Kin­der ganz in Ord­nung fin­det, aber mehr auch nicht? Char­lot­te Bron­të ver­packt das alles in eine sehr dich­te Spra­che. Schon die vik­to­ria­ni­sche Leser­schaft emp­fand den Stil der Bron­tës mit­un­ter als gewöh­nungs­be­dürf­tig, ein biss­chen ver­trackt oder – abge­se­hen von den emo­ti­ons­ge­la­de­nen Dia­lo­gen – sogar etwas alt­ba­cken. Die Ein­schü­be und die Zei­chen­set­zung sind zudem für die recht kom­ple­xen Gedan­ken­gän­ge nicht immer von Vor­teil; der Hang zur Bil­dungs­spra­che („par paren­t­hè­se“) auch nicht. Gleich­zei­tig wirkt Bron­tës Sprach­ge­brauch an die­ser Stel­le, wo ihre Erzäh­le­rin sich selbst als unvor­ein­ge­nom­me­ne Beob­ach­te­rin (sie sagt ja nur die Wahr­heit!) sti­li­siert, auch kraft­voll und zielgerichtet. 

Maria von Borch ahmt in ihrer Über­set­zung, dabei vor allem im ers­ten Teil, den Satz­bau recht akri­bisch nach und lässt ihn trotz sei­ner Län­ge in einem umständ­lich for­mu­lier­ten Neben­satz („um uns ein gewis­ses Beha­gen an unse­rer gegen­sei­ti­gen Gesell­schaft fin­den zu las­sen“) enden. Im zwei­ten Teil zieht sie den Ein­schub („par paren­t­hè­se“) zwar nach hin­ten, aber das dürf­te kaum die Les­bar­keit erhö­hen. Man müss­te die Stel­le mehr­mals lesen, um sie in Gän­ze zu begreifen.

In eine ganz ande­re Rich­tung schlägt hin­ge­gen die Über­set­zung von Hel­mut Kos­sodo, die wir eigent­lich ein­gangs schon zur Sei­te gelegt hat­ten. Hier lie­fert er uns einen wei­te­ren Grund, sei­ne Über­set­zung nicht zur Hand zu neh­men: Bei sei­nen Kolleg:innen fällt der Absatz näm­lich deut­lich län­ger aus als das Ori­gi­nal, bei ihm wird jedoch alles etwas kür­zer. Das betrifft zum einen sei­ne Sät­ze. Die­se lässt er dan­kens­wer­ter Wei­se öfter mal in einem Punkt statt einem Kom­ma enden, aber die sich wie­der­ho­len­den „und“-Konstruktionen sind auch kei­ne beson­ders gefäl­li­ge Lösung. Außer­dem lässt er eini­ge inhalt­li­che Din­ge unter den Tisch fal­len. War­um wur­de bei­spiels­wei­se der Kli­max „to flat­ter paren­tal ego­tism, to echo cant, or prop up hum­bug“ nicht voll­stän­dig übersetzt?

Bei der Über­set­zung von Gott­fried Röckel­ein ste­chen ande­re Ele­men­te her­vor. Zum Bei­spiel ten­diert der Über­set­zer gene­rell zu star­ken Adjek­ti­ven. Von „abge­dro­sche­nen Phra­sen“ oder “schein­hei­li­gem Gere­de” wird hier erzählt; „kühl und distan­ziert“ ist die „cool lan­guage“. Sol­che Ver­stär­kun­gen mögen an der zitier­ten Stel­le nicht stö­ren, fal­len mit Blick auf die Gesamt­über­set­zung aber doch nega­tiv auf. So wird Jane von ihrem tyran­ni­schen Cou­sin in Röckel­eins Über­set­zung als „Mist­stück“ („bad ani­mal“, von ande­ren mit „Biest“ über­setzt) bezeich­net. An ande­rer Stel­le ist von „Luder“ die Rede, obwohl im Ori­gi­nal an der Stel­le „rat“ („Rat­te“) steht – um das zu kon­tex­tua­li­sie­ren: Jane wird von ihrem Cou­sin gemobbt, sie ist aber erst zehn; ihr Cou­sin weni­ge Jah­re älter. „Misstück“ ist da ein selt­sa­mes Schimpf­wort. Noch schlim­mer ist ledig­lich die Stel­le, an der Röckel­ein sie als „unat­trak­tiv“ (im Ori­gi­nal steht an der Stel­le „qua­ke­rish“) bezeich­net. Jane Eyre ist laut den Beschrei­bun­gen kei­ne kon­ven­tio­nel­le Schön­heit – das Gegen­teil ist der Fall – aber das macht sie noch lan­ge nicht „unat­trak­tiv“, zumal bei sei­ner Über­set­zung des Wor­tes „qua­ke­rish“ noch ganz ande­re Nuan­cen ver­lo­ren gehen.

Auch Andrea Ott weiß eige­ne Akzen­te zu set­zen. Das gestelz­te „par paren­t­hè­se“ scheint in ihrer Über­set­zung auf den ers­ten Blick zunächst ver­schwun­den zu sein, wird aber durch den recht ele­gan­ten Ein­schub „neben­bei gesagt“ auf­ge­grif­fen. Danach taucht plötz­lich die „heh­re Lehr­mei­nung“ auf. In ande­ren Über­set­zun­gen sind das die „erha­be­nen“ oder gar „hei­li­gen Dok­tri­nen“. Ott hält sie also nicht blind an den Aus­gangs­text, nimmt aber alles mit, was das Ori­gi­nal zu bie­ten hat – zumeist ohne Bedeutungsverlust.

Auch Mela­nie Walz hat als Über­set­ze­rin schon vie­le alte Tex­te vom Staub befreit. Das gelingt ihr oft­mals durch eine „Weniger-ist-mehr“-Herangehensweise, wie wir bereits bei der ers­ten zitier­ten Stel­le sehen konn­ten. Ihre Jane-Eyre-Über­set­zung schwankt jedoch zwi­schen bemer­kens­wer­ter Schlicht­heit und mit­un­ter merk­wür­dig umständ­li­chen, alter­tüm­li­chen For­mu­lie­run­gen wie „bezeig­te mir“ oder „unse­re Gesell­schaft für uns bei­de erfreu­lich zu machen“. Auch die Über­set­zung „lie­be­die­ne­ri­sche Sprüch­lein“ klingt wie aus dem Mund von Mrs. Reed, Jane Eyres Tan­te, und nicht von der Prot­ago­nis­tin selbst.

Am sichers­ten wird die­ser Absatz von Ingrid Rein über­setzt, die ins­ge­samt ein aus­ge­präg­tes Gespür für Tem­po und Rhyth­mus hat. Im ers­ten Satz sind die Bezü­ge und die Ver­bin­dun­gen viel deut­li­cher als in ande­ren Über­set­zun­gen, zum einen durch die klar mar­kier­te Atem­pau­se nach dem „gefaßt“, die sich stark am Ori­gi­nal ori­en­tiert. Zum ande­ren wird der Satz nicht durch schlecht plat­zier­te Ein­schü­be über­frach­tet. Und auch bei der Wort­wahl gibt es nichts zu bemän­geln; Rein legt kei­ne Hol­per­stei­ne in den Weg, die uns stut­zig machen könnten. 

Neben sol­chen Auf­fäl­lig­kei­ten in der Syn­tax und im Aus­druck gibt es einen wei­te­ren über­set­ze­ri­schen Aspekt in Jane Eyre, mit dem man sicher­lich eine Dis­ser­ta­ti­on fül­len könn­te, näm­lich die Ver­wen­dung von Sie­zen und Duzen. Mary Frank hat dar­über einen gan­zen Auf­satz geschrie­ben, in dem sie sich die Über­set­zun­gen von Mela­nie Walz, Hel­mut Kos­sodo und Maria von Borch anschaut und dort beob­ach­tet, wie sich Ein­satz von „Sie“ und „du“ bei­spiels­wei­se mit dem Ver­hält­nis zwi­schen Jane und Mr. Roches­ter ver­än­dert. In die­ser Hin­sicht hat das Deut­sche manch­mal dem Eng­li­schen etwas vor­aus, weil so Zwi­schen­tö­ne hör­bar sind, die der Erzäh­lung auf beson­de­re Art und Wei­se die­nen kön­nen. Wie bei­spiels­wei­se hier: 

“What do you want?” I asked, with awk­ward dif­fi­dence.
“Say, ‘What do you want, Mas­ter Reed?’” was the answer.

»Da bin ich, was wünscht Ihr?« frag­te ich mit schlecht erheu­chel­ter Gleich­gül­tig­keit.
»Sag: was wün­schen Sie, Mr. Reed,« lau­te­te sei­ne Ant­wort.
(Maria von Borch, 1887)

»Was willst du?« frag­te ich ver­le­gen und miß­trau­isch. »Sag ›Was wün­schen Sie, Mas­ter Reed?‹« war die Ant­wort (Hel­mut Kos­sodo, 1979)

»Was willst du?« frag­te ich zag­haft und ver­le­gen. »Das heißt: ›Was wün­schen Sie, Mas­ter Reed‹«, lau­te­te die Ant­wort. (Ingrid Rein, 1990)

»Was willst du?« frag­te ich unbe­hol­fen und schüch­tern. »Das heißt: ›Was wün­schen Sie, Mas­ter Reed‹«, lau­te­te die Ant­wort. (Gott­fried Röckel­ein, 1998)

«Was wol­len Sie?», frag­te ich unbe­hol­fen und schüch­tern. «Sag: ‹Was wün­schen Sie, Mas­ter Reed?›», gab er zur Ant­wort. (Andrea Ott, 2001)

»Was willst du?«, frag­te ich lin­kisch und schüch­tern. »Das heißt: ›Was wol­len Sie, Mas­ter Reed?‹«, lau­te­te die Ant­wort. (Mela­nie Walz, 2015)

Nicht weni­ger inter­es­sant wäre es, die Über­set­zun­gen mit Blick auf die Dar­stel­lung von Kolo­nia­lis­mus und Ras­sis­mus zu lesen. Dass der Plot von Jane Eyre mit den kolo­nia­len Ambi­tio­nen des Bri­ti­schen Welt­reichs eng ver­knüpft war, hat erst die post­ko­lo­nia­le Wen­de in der eng­lisch­spra­chi­gen Lite­ra­tur­wis­sen­schaft wirk­lich ins Ram­pen­licht gerückt. Mr. Roches­ters ers­te Ehe­frau Ber­tha Jor­kins stammt aus Jamai­ca; Jane wie­der­um erbt Geld von ihrem Onkel in Madei­ra und wird gefragt, ob sie als Mis­sio­nars­frau nach Indi­en rei­sen möchte. 

Das Über­le­gen­heits­ge­fühl der Bri­ten äußer­te sich jedoch nicht nur über ter­ri­to­ria­le Expan­sio­nen oder kolo­nia­len Reich­tum, son­dern auch über prak­ti­zier­ten Ori­en­ta­lis­mus in den eige­nen vier Wän­den, der Mit­te des 19. Jahr­hun­derts kei­nes­wegs unge­wöhn­lich war. Mr. Roches­ter lädt zu sich eine Gefolg­schaft, bestehend aus Janes Riva­lin Ms. Ing­ram, nach Thorn­field Hall ein. Dort ver­gnügt man sicher auf vie­ler­lei Art und Wei­sen, unter ande­rem mit Verkleiden:

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Sea­ted on the car­pet, by the side of this basin, was seen Mr . Roches­ter, cos­tu­med in shawls, with a tur­ban on his head. His dark eyes and swarthy skin and Pay­nim fea­tures sui­ted the cos­tu­me exact­ly: he loo­ked the very model of an Eas­tern emir, an agent or a vic­tim of the bowstring.

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Die Per­so­nen­be­schrei­bun­gen funk­tio­nie­ren in Jane Eyre oft­mals über die Ein­ord­nung der Haut­far­be. Häu­fig wer­den Frau­en, die Jane als Bedro­hung emp­fin­det, als „dark“ bzw. „dun­kel“ bezeich­net, bei­spiels­wei­se Mrs. Reed oder Ms. Ing­ram. Auch Mr. Roches­ters Haut­far­be wird als „dun­kel“ (Walz); „braun“ (Ott) oder „bräun­lich“ (von Borch) beschrie­ben. In der Über­set­zung von Kos­sodo fehlt das Adjek­tiv, auch in der Über­set­zung von Maria von Borch wird auf einen sol­chen Zusatz hin und wie­der ver­zich­tet. Ob die­se Ein­ord­nung von Mr. Roches­ter posi­tiv oder nega­tiv zu lesen ist, wur­de in der Lite­ra­tur­wis­sen­schaft viel debat­tiert. In jedem Fall fin­det eine Exo­ti­sie­rung statt, die gleich­zei­tig auch sei­ne grim­me Männ­lich­keit verstärkt.

Denn Mr. Roches­ter ist ein „ori­en­ta­li­scher Emir“ oder „ara­bi­scher Wür­den­trä­ger“, wie es bei Andrea Ott heißt. Er herrscht nicht nur über Thorn­field Hall; er herrscht gewis­ser­ma­ßen auch über Jane und ist ihr „Mas­ter“, gewis­ser­ma­ßen also auch eine poten­ti­el­le Gefah­ren­quel­le. Die Beschrei­bung wird durch die „Pay­nim fea­tures“ zusätz­lich ver­stärkt. Das Wort „Pay­nim“ ist in sei­ner Bedeu­tung nicht ganz ein­deu­tig und bezeich­net eine nicht-christ­li­che, in vie­len Fäl­len mus­li­mi­sche Per­son. Dar­aus ergibt sich auch die Band­brei­te an Bedeu­tun­gen in den ver­schie­de­nen Über­set­zun­gen. Dort ist von „heid­ni­schen“ (Kos­sodo), „ori­en­ta­li­schen“ (Rein), „musel­ma­ni­schen“ (Röckel­ein) oder  „öst­li­chen“ (Ott) Zügen die Rede. Auch eine Über­set­zung wie „moham­me­da­ni­schen“ (Walz) ist kei­nes­wegs abwe­gig, son­dern recht kon­se­quent. Mr. Roches­ter wird näm­lich noch an zwei ande­ren Stel­len der­art charakterisiert. 

Für eine wei­te­re über­set­ze­ri­sche Her­aus­for­de­rung sorgt in dem Absatz der Ver­weis auf eine „Schnur“ oder einen „Pfeil“ (von Borch) ganz am Ende des letz­ten Sat­zes. Was ist damit gemeint? Röckel­ein hat sei­ner Über­set­zung eine Erklä­rung hin­zu­ge­fügt und spricht von dem „bevor­zug­ten tür­ki­schen Exe­ku­ti­ons­uten­sil“. Hel­mut Kos­sodo hin­ge­gen hat sei­ne bevor­zug­te Über­set­zungs­stra­te­gie ange­wandt und den Halb­satz direkt unter­schla­gen, wäh­rend Andrea Ott den Satz recht anschau­lich und expli­zit auf­drö­selt. Dan­kens­wer­ter­wei­se gibt es auch Über­set­zun­gen wie die von Ingrid Rein, die mit einem Anmer­kungs­ap­pa­rat ver­se­hen ist. Ohne eine sol­che Anmer­kung dürf­te der Teil­satz in vie­len Über­set­zun­gen schlicht­weg untergehen. 

Schau­en wir uns noch eine letz­te Stel­le an, bevor wir zu einem fina­len Urteil kom­men. Bei der fol­gen­den Sze­ne han­delt es sich um einen der frü­hen Schlüs­sel­mo­men­te zwi­schen Jane und Mr Rochester:

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He had been loo­king two minu­tes at the fire, and I had been loo­king the same length of time at him, when, tur­ning sud­den­ly, he caught my gaze fas­ten­ed on his phy­sio­gno­my. “You exami­ne me, Miss Eyre,” said he: “do you think me hand­so­me?” I should, if I had deli­be­ra­ted, have repli­ed to this ques­ti­on by some­thing con­ven­tio­nal­ly vague and poli­te; but the ans­wer somehow slip­ped from my ton­gue befo­re I was awa­re — “No, sir.” “Ah! By my word! the­re is some­thing sin­gu­lar about you,” said he: “you have the air of a litt­le non­net­te; quaint, quiet, gra­ve, and simp­le, as you sit with your hands befo­re you, and your eyes gene­ral­ly bent on the car­pet (except, by-the-bye, when they are direc­ted pier­cin­g­ly to my face; as just now, for ins­tance); and when one asks you a ques­ti­on, or makes a remark to which you are obli­ged to rep­ly, you rap out a round rejoin­der, which, if not blunt, is at least brusque. What do you mean by it?”
“Sir, I was too plain; I beg your par­don. I ought to have repli­ed that it was not easy to give an impromp­tu ans­wer to a ques­ti­on about appearan­ces; that tas­tes most­ly dif­fer; and that beau­ty is of litt­le con­se­quence, or some­thing of that sort.” “You ought to have repli­ed no such thing. Beau­ty of litt­le con­se­quence, indeed! […]”

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Was Jane Eyre als Hel­din aus­zeich­net, ist an die­ser Stel­le deut­lich erkenn­bar. Es hält sich das Gerücht, dass Frau­en in den ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten vor allem still in der Ecke geses­sen hät­ten. Und in man­chen vik­to­ria­ni­schen Roma­nen ist das tat­säch­lich so – man den­ke nur an Dickens Angel in the House Agnes Wick­field oder die blas­se Amy Dor­rit. Auch Jane Eyre kennt ihren Platz in der Gesell­schaft (daher ver­sucht sie, ihre Aus­sa­ge zu revi­die­ren) und ist in vie­ler­lei Hin­sicht eine Außen­sei­te­rin. Trotz­dem nimmt sie sel­ten ein Blatt vor den Mund und hat mehr Rück­grat als alle ande­ren Figu­ren in dem Roman.

Vor allem in den cle­ve­ren Dia­lo­gen ist Jane Eyre daher bei aller emo­tio­na­len Auf­rich­tig­keit auch sehr wit­zig und unter­halt­sam. Und man darf erleich­tert fest­stel­len, dass Jane und Mr. Roches­ter in all den hier bespro­che­nen Über­set­zun­gen eini­ger­ma­ßen über­zeu­gend flir­ten. Stut­zig wird man höchs­tens bei dem her­vor­ste­chen­den „drol­lig“ in Röckel­eins Über­set­zung oder dem „put­zig“ bei Andrea Ott. Das eng­li­sche „quaint“ mag ja vie­le Bedeu­tun­gen haben, aber „alt­mo­disch“ (Walz) oder „sitt­sam“ (Rein) dürf­te es bes­ser treffen. 

Auf­fäl­lig ist hier außer­dem, dass in der Kos­sodo-Über­set­zung von „Herr Roches­ter“ und „Fräu­lein Eyre“ die Rede ist. Das mar­kiert sei­ne Über­set­zung noch deut­li­cher als aus der Zeit gefal­len. Und auch sonst las­sen sich hier eini­ge ande­re, bereits ange­schnit­te­ne Sym­pto­me wie­der­fin­den. So „knallt“ Jane in Röckel­eins Über­set­zung Mr Roches­ter eine „Ent­geg­nung“ hin, die nicht nur „barsch“, son­dern auch „grob“ ist. Man neigt mal wie­der leicht zur Über­trei­bung. Kein Wun­der also, dass der Insel Ver­lag eine Neu­über­set­zung in Auf­trag gege­ben hat.

Doch auch sei­ne Nach­fol­ge­rin Mela­nie Walz kramt mit „Mei­ner Treu!“ noch eine wei­te­re alt­deut­sche Bezeich­nung her­vor, die recht fehl am Platz wirkt. Außer­dem klingt das „bevor ich es gewahr wur­de“ eben­falls sehr gestelzt. Gleich­zei­tig über­setzt sie „the­re is some­thing sin­gu­lar about you“ recht gerad­li­nig mit „Sie sind eine selt­sa­me Per­son“, viel­leicht um die Balan­ce zu halten.

Nicht beson­ders über­zeu­gend ist die Über­set­zung von Maria von Borch. War­um, wird an der zitier­ten Stel­le deut­lich: Die Über­set­zung ist erstaun­lich nah am Ori­gi­nal, klingt dadurch aber mit­un­ter im Deut­schen wenig idio­ma­tisch. Zum Bei­spiel, wenn Janes Blick an sei­ne „Phy­sio­gno­mie gehef­tet“ ist. An ande­rer Stel­le über­setzt sie „she now came upon the sce­ne“ mit „ Jetzt erschien sie auf der Sce­ne“ oder „What the deuce is to do now?“ mit „Was zum Teu­fel ist jetzt zu machen?“. Außer­dem haben es eini­ge Halb­sät­ze schlicht nicht in ihre Über­set­zung geschafft – es feh­len also hier und da wich­ti­ge inhalt­li­che Nuan­cen. Zwar ist die Über­set­zung schnell und güns­tig erhält­lich, wird aber oft­mals von den jewei­li­gen Her­aus­ge­bern über­ar­bei­tet, sodass man mit­un­ter nicht sicher sein kann, wel­chen Text man da eigent­lich vor sich lie­gen hat.

Auch die Über­set­zun­gen von Hel­mut Kos­sodo oder Gott­fried Röckel­ein sind nicht zu emp­feh­len. Ers­te­re, weil auch sie zu stark ver­knappt wur­de (es ist erstaun­lich, dass der Insel Ver­lag die Über­set­zung über­haupt noch ver­kauft), und natür­lich wegen der Über­set­zung des alles ent­schei­den­den Sat­zes. Letz­te­re, weil Röckel­ein zu har­schen Über­stei­ge­run­gen neigt, die letzt­lich nicht dem Text, und schon gar nicht sei­ner Erzäh­le­rin die­nen. Und wir hat­ten zu Beginn der Über­set­zungs­kri­tik ja fest­ge­stellt, dass gera­de im Fall von Jane Eyre jedes noch so klei­ne Detail der Zeich­nung der Haupt­fi­gur dient.

Die Über­set­zung von Mela­nie Walz ist sti­lis­tisch lei­der eben­falls an eini­gen Stel­len uneben. Den­noch bie­tet sie mit dem Kom­men­tar der Über­set­ze­rin einen guten Zugang zum Text und lässt sich trotz eini­ger Aus­flü­ge in die Ver­gan­gen­heit des deut­schen Sprach­ge­brauchs recht gut lesen. Deut­lich bes­ser liest sich jedoch Andrea Otts manch­mal etwas unge­wöhn­li­che, aber doch selbst­be­wusst-unab­hän­gi­ge Übersetzung. 

In Otts Über­tra­gung ste­chen hin und wie­der eini­ge Ent­schei­dun­gen beson­ders her­vor – das aber vor allem im direk­ten Ver­gleich mit dem Ori­gi­nal und ande­ren Über­set­zun­gen. Wür­de man ihre Fas­sung nur für sich lesen, wür­de ich behaup­ten, dass so manch eine Eigen­tüm­lich­keit gar nicht wei­ter auf­fal­len wür­de. Tat­säch­lich führt ihre Über­set­zung eini­ger­ma­ßen ein­drück­lich vor Augen, was eine Neu­über­set­zung im Ide­al­fall zu leis­ten ver­mag: näm­lich einen gelieb­ten Text in fri­scher Spra­che neu oder wie­der zu entdecken.

Wer sich an den Anfang die­ser aus­führ­li­chen Bespre­chung erin­nert, fragt sich nun viel­leicht: Und was ist mit Ingrid Reins Über­set­zung? An der gibt es mei­ner Mei­nung nach wenig aus­zu­set­zen. Tat­säch­lich ist ihre Über­set­zung fünf­und­zwan­zig Jah­re älter als die zuletzt erschie­ne­ne Neu­über­set­zung, was man ihr aber kaum anmerkt. Reins Ver­si­on wirkt mit­un­ter fri­scher als manch eine nach­fol­gen­de. Gute Nach­rich­ten also! Mei­ne ers­te Jane-Eyre-Über­set­zung ist mit­samt aller erhel­len­den Anmer­kun­gen der Über­set­ze­rin genau­so fes­selnd, wie ich sie in Erin­ne­rung hat­te. Und darf wei­ter­hin in mei­nem Regal stehen. 

Wei­te­re Bei­trä­ge der Rei­he „Wel­che Über­set­zung soll ich lesen“ fin­det ihr hier.



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