„Ich war beses­sen von die­ser Stimme“

Schon als Jugendlicher war der norwegische Autor Leif Høghaug von James Joyce fasziniert. Ein paar Jahrzehnte später sitzt er an einem außergewöhnlichen Projekt – der Übersetzung von Joyces Roman „Finnegans Wake“. Interview:

Der Autor und Übersetzer Leif Høghaug neben „Finnegans Wake“. Foto: Rolf M. Aagaard

Aus dem Nor­we­gi­schen über­setzt von Mat­thi­as Fried­rich. Zur nor­we­gi­schen Ver­si­on des Inter­views geht’s hier.

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Laut James Joy­ce neh­men die Zeit, der Fluss und der Berg in Fin­ne­gans Wake eine tra­gen­de Rol­le ein, aber der Roman ist auch ein Buch der Nacht. Er nimmt uns mit ins Reich der Träu­me, wo wir einen geheim­nis­vol­len Prot­ago­nis­ten namens HCE tref­fen, ein Akro­nym für Hum­phrey Chimp­den Ear­wi­cker, Here Comes Ever­y­bo­dy, Haveth Child­ren Ever­y­whe­re und vie­le ande­re. Er ist mit Anna Livia Plu­ra­bel­le (ALP) ver­hei­ra­tet. Gemein­sam haben sie drei Kin­der, den Schrei­ber­ling Shem, den Post­mann Shaun sowie Iso­bel (Issy), und besit­zen einen Pub in einem Stadt­teil Dub­lins. Wäh­rend HCE fast in eins mit Irlands grü­nen Hügel­käm­men geht, ein biss­chen wie die iri­sche Sagen­ge­stalt Finn Mac­Cool, ist ALP der Fluss, der ihn umfließt; und der Post­mann Shaun ver­mit­telt die Tex­te, die der Schrei­ber­ling Shem ver­fasst. Die gesam­te Roman­hand­lung ver­teilt sich über eine ein­zi­ge Nacht: Der Fami­li­en­va­ter HCE liegt träu­mend im Bett; er ist ein reu­iger Sün­der, der (viel­leicht) sei­ne eige­ne Toch­ter begehrt. Er drückt sich (un)geschickt aus, will (nicht) erzäh­len, was los war oder ist. 

Doch trotz die­ses „Plots“ ist es fast unmög­lich, einen roten Faden zu fin­den: Fin­ne­gans Wake, erst­mals 1939 ver­öf­fent­licht, lässt sich über­haupt nicht als klas­si­scher Fami­li­en­ro­man fas­sen. Wie Klaus Rei­chert in sei­ner Ein­lei­tung zu einer Suhr­kamp-Antho­lo­gie mit über­setz­ten Aus­zü­gen her­aus­stellt, ist er etwas völ­lig Neu­es, nahe­zu Unbe­kann­tes, eine „Hohl­form“ des­sen, was wir für gewöhn­lich als Fami­li­en­ro­man iden­ti­fi­zie­ren: das natu­ra­lis­ti­sche Modell, mit Émi­le Zola als pro­mi­nen­tes­tem Ver­tre­ter. Fin­ne­gans Wake springt mal hier‑, mal dahin, die Figu­ren sup­pen inein­an­der, Wor­te wer­den unver­ständ­lich, unter­wegs tau­chen halb­ver­zerr­te Zita­te auf. Joy­ces Text lässt sich also eher als eine Art Mate­ri­al­samm­lung zu Arche­ty­pen mit Fami­li­en­be­zug beschrei­ben, die außer­dem zu einem irisch gepräg­ten Kul­tur­raum gehö­ren. Aber hier herrscht nicht nur das blan­ke Cha­os, Joy­ce hat näm­lich eine ganz kon­kre­te Fra­ge: Wie hat sich die Mensch­heit ent­wi­ckelt? Das ist sein (unmög­li­ches) Pro­jekt. Und wie die Ant­wort dar­auf aus­se­hen könn­te, deu­tet der ita­lie­ni­sche Phi­lo­soph Giam­bat­tis­ta Vico mit dem zykli­schen Geschichts­mo­dell an, das er in sei­ner Sci­en­za Nuo­va dar­legt: Auf einer indi­vi­du­el­len Ebe­ne wie­der­holt jeder Mensch die Ent­wick­lungs­sta­di­en der Kul­tur. Die Kul­tur steigt auf, ent­fal­tet sich, steigt wie­der ab. Dann beginnt alles von vor­ne. Der Mensch fin­det Trost in den vor­her­seh­ba­ren Gefü­gen der Reli­gi­on, besie­gelt sei­ne gesell­schaft­li­che Zukunft durch die Ehe­schlie­ßung, und wenn er stirbt, wird er auf eine Wei­se bestat­tet, die sich von Kul­tur zu Kul­tur unterscheidet.

Pas­sen­der­wei­se beginnt auch Joy­ces Roman mit einer Beer­di­gung. Tim Fin­ne­gan, ein betrun­ke­ner Mau­rer, bekannt aus einer iri­schen Bal­la­de namens „Finnegan’s Wake“ (mit Apo­stroph), fällt von einer Lei­ter und ist tot. Beim Lei­chen­schmaus wird mehr als genug Alko­hol gereicht, und da erhebt sich der Mann wie­der. Das ist natür­lich ein christ­li­ches Motiv – Jesu Wie­der­auf­er­ste­hung –, aber Joy­ce lässt den Glau­ben nicht für sich allei­ne ste­hen, son­dern ver­knüpft alles, was er über sei­ne katho­li­sche Her­kunfts­ge­sell­schaft weiß, mit Vicos Phi­lo­so­phie. Er beschreibt das iri­sche Volk, die „Fin­ne­gans“, als Kol­lek­tiv, das von der Geschich­te und von der Reli­gi­on nie­der­ge­drückt wird – des­halb steht der Roman­ti­tel auch ohne Apo­stroph. Spi­ri­tu­el­le Ritua­le, Ehe, Bei­set­zun­gen – all das geschieht wie­der und wie­der, wird in einem ewi­gen Kreis­lauf, den Vico als „ricor­so“ bezeich­net, immer neu aus­ge­han­delt. Für Tim Fin­ne­gan hat das eine gewis­se Situa­ti­ons­ko­mik zur Fol­ge: Ein sturz­be­sof­fe­ner Mann liegt mau­se­tot auf dem Bett, aber durch gewis­se Umstän­de wird er mit Brannt­wein benetzt, was ihn auf­weckt und unter den Leben­den wüten lässt. 

Der Fall – heißt: der Tod, aber auch der mora­li­sche Fehl­tritt, der den Men­schen ins Strau­cheln bringt – ist das Leit­mo­tiv in Fin­ne­gans Wake, einem Text, der in sich selbst genau­so außer Rand und Band gerät wie ein iri­scher Lei­chen­schmaus. Sei­ne Spra­che ist ja auch eben das: ein gro­ßes Ver­gnü­gen – das Buch ist auf Eng­lisch oder, wie Rei­chert es in sei­ner Ein­lei­tung zitiert, in einer poly­pho­nen „nat lan­guage“ ver­fasst, die dem Eng­li­schen nur (bedingt) ähnelt. Hier strö­men vie­le ver­schie­de­ne Spra­chen inein­an­der und bil­den einen „river­run“. „Nat“ ist dänisch für „Nacht“, ist aber auch homo­phon mit „nut“, was sowohl „Nuss“ als auch „bekloppt“ bedeu­ten kann. Die Nacht- und Nuss­spra­che ist so katho­lisch im Kopf wie atmo­sphä­risch dicht. Fin­ne­gans Wake ist auch wegen sei­ner Viel­stim­mig­keit für vie­le so schwer zu lesen, aber oft gibt es Aha-Erleb­nis­se – oder, mit Joy­ce gespro­chen, Epi­pha­ni­en. Hier kön­nen wir uns ins Mate­ri­al ein­gra­ben: Erd­schicht für Erd­schicht mit merk­wür­di­gen Wort­bil­dun­gen. Und obwohl wir nicht immer ver­ste­hen, was wir da im Schutt auf­stö­bern, sto­ßen wir ab und an auf Alt­be­kann­tes: aus dem Eng­li­schen – oder sogar aus unse­rer eige­nen Muttersprache.

Vico hat gesagt, jedes Wort erzäh­le eine klei­ne Geschich­te, und das hat für Joy­ces Text gra­vie­ren­de Kon­se­quen­zen. In den Augen des Dich­ters spei­chern Wor­te Bedeu­tun­gen, sie las­sen sich mit unzäh­li­gen Sinn­schich­ten auf­fül­len. Wir, die ihn lesen, müs­sen die Bestand­tei­le ent­schlüs­seln. Joy­ce lässt sich von unge­fähr sech­zig Spra­chen anre­gen, wes­halb wir so vie­le Lexi­ka brau­chen wie nur irgend mög­lich. Dabei müs­sen wir jedoch im Hin­ter­kopf behal­ten, dass Joy­ce nicht nur zufäl­li­ge Wör­ter mit­ein­an­der in Ver­bin­dung setzt, son­dern sie in einer Kam­mer plat­ziert, die so bis oben­hin mit obsku­ren Zita­ten und Andeu­tun­gen gefüllt wird. Alles wird mit dem ver­dreh­ten Blick der Nacht betrach­tet – und was da im Dun­keln vor sich geht, kann man unmög­lich über­bli­cken. Die Fan­ta­sie der Leser:innen wird her­aus­ge­for­dert. Der Text ent­wi­ckelt sich zu so etwas wie einem pro­to­ty­pi­schen Adven­ture Game, das sei­nem Publi­kum die Mög­lich­keit ein­räumt, auf jedem belie­bi­gen Level zu starten.

Wer so eine Pro­sa über­setzt, ver­mag nur schwer Schritt zu hal­ten mit denen, die poten­zi­ell alles in sie hin­ein­le­sen kön­nen, und muss sich ent­schei­den: Soll ich ver­su­chen, mei­ne eige­ne Les­art des Tex­tes wie­der­zu­ge­ben? Oder soll ich mich an einer Nach­ah­mung von Joy­ces „nat lan­guage“ pro­bie­ren – d. h., Deutsch, Fran­zö­sisch, Nie­der­län­disch oder was auch immer mei­ne Mut­ter­spra­che ist, als Grund­la­ge her­an­zie­hen und sie so ver­frem­den, dass sie vie­le ande­re Spra­chen beher­ber­gen kann? Die meis­ten wür­den wohl den zwei­ten Vor­schlag bevor­zu­gen, weil eine Inter­li­ne­ar­ver­si­on schnell zu sper­rig wird, beson­ders bei so einem eigen­sin­ni­gen Text wie Fin­ne­gans Wake.

Auch wenn man sich ger­ne erzählt, die­ser Roman sei gar nicht zu über­set­zen, gibt es sat­te sech­zehn Über­set­zun­gen auf ins­ge­samt drei­zehn Spra­chen: Fran­zö­sisch (Laver­gne 1982; Michel 2004), Deutsch (Stün­del 1993), Japa­nisch (Yanase 1993; Hama­da 2012), Hol­län­disch (Bin­der­vo­et und Hen­kes 2002), Korea­nisch (Kim 2002), Por­tu­gie­sisch (Schü­ler 2003), Pol­nisch (Bart­ni­cki 2012), Grie­chisch (Anev­la­vis 2013), Spa­nisch (Zaba­loy 2016), Tür­kisch (Sevimay 2016), Ita­lie­nisch (Maz­za 2018; Schenoni, Ter­ri­no­ni und Pedo­ne 2019), Pseu­do­la­tei­nisch (Roberts 2019) und Ser­bisch (Sto­ja­ko­vić 2020). Dar­auf weist Patrick O’Neill in sei­ner Stu­die Tales Of Trans­la­ti­on hin. Eben­so gibt es über drei­ßig Teil­über­set­zun­gen, dar­un­ter Spra­chen wie Irisch oder Alt­ägyp­tisch. Außer­dem, schreibt O’Neill, sei­en drei­zehn voll­stän­di­ge Über­set­zun­gen in Arbeit. Eine davon ist Leif Høghaugs norwegische.

Nor­we­gisch ist aus vie­ler­lei Grün­den eine vor­treff­li­che Spra­che für solch ein Pro­jekt. Es gibt zwei offi­zi­el­le Vari­an­ten: das auf dem Däni­schen basier­te Bok­mål, und Nyn­orsk, eine Schrift­spra­che, die der Sprach­for­scher und Dich­ter Ivar Aasen aus nor­we­gi­schen Dia­lek­ten schuf. Zudem gibt es hun­der­te Mund­ar­ten. Damit kann das Nor­we­gi­sche über einen gigan­ti­schen Wort­schatz ver­fü­gen – was einer Über­set­zung von Fin­ne­gans Wake eine gute mate­ri­el­le Aus­gangs­la­ge gibt. Aber auch Joy­ce selbst lie­fert Argu­men­te, wes­halb eine Über­set­zung die­ses Romans ins Nor­we­gi­sche loh­nens­wert sein könn­te. Bevor Joy­ce Hen­rik Ibsen kann­te, war er ein Ire, danach ein Euro­pä­er, so for­mu­liert es Richard Ell­mann in sei­ner Bio­gra­phie des Autors. Als die Zeit­schrift The Fort­night­ly Review Joy­ces’ Bespre­chung von Ibsens Wenn wir Toten erwa­chen ver­öf­fent­lich­te, ein Stück, das er in Wil­liam Archers eng­li­scher Fas­sung gele­sen hat­te, erhielt Joy­ce einen Dan­kes­brief vom nor­we­gi­schen Dra­ma­ti­ker selbst und fass­te den Ent­schluss, moder­ne Spra­chen zu stu­die­ren – zunächst Fran­zö­sisch und Ita­lie­nisch; in der Fol­ge aber auch Dänisch-Nor­we­gisch. Ibsen war ein Vor­bild, weil er – wie Joy­ce – einem klei­nen Volk ent­stamm­te und im Exil gelebt hat­te; Joy­ce ver­knüpf­te sei­ne eige­ne iri­sche Geschich­te mit der norwegisch-dänischen. 

Des­halb ver­wun­dert es nicht, dass es in Fin­ne­gans Wake vor Nor­we­gen­be­zü­gen nur so wim­melt, nicht zuletzt in der bekann­ten „Byg­mes­ter Finnegan“-Passage im ers­ten Kapi­tel: Das ist eine Anspie­lung auf den Bau­meis­ter Sol­ness, ein Dra­ma, das Par­al­le­len zur Geschich­te über den Mau­rer Tim Fin­ne­gan in der iri­schen Bal­la­de auf­weist. Sol­ness, der Prot­ago­nist, hat bei einem Richt­fest für einen von ihm erbau­ten Kirch­turm die zwölf­jäh­ri­ge Hil­de ken­nen­ge­lernt und ihr ein König­reich ver­spro­chen. Jetzt, zwölf Jah­re spä­ter, sucht sie ihn auf, um die­ses Ver­spre­chen ein­zu­for­dern. Sol­ness, der an Höhen­angst lei­det, steigt auf den Kirch­turm und stürzt in die Tie­fe. Das Stück ist eine wei­te­re Erzäh­lung über einen mora­li­schen Fehl­tritt, der töd­li­che Kon­se­quen­zen hat. Aber Joy­ce fügt dem „Byg­mes­ter Fin­ne­gan“ noch ein paar wei­te­re Bedeu­tungs­ebe­nen hin­zu. Bei ihm bezieht sich der „Byg­mes­ter“ sich nicht nur auf Ibsens Sol­ness, son­dern auch auf den „bug­mas­ter“ – d.h., den Roman­prot­ago­nis­ten Hum­phrey Chimp­den Ear­wi­cker und den „bug“, das „insect“ (das sich auch als „incest“ falsch­le­sen lässt, eine Andeu­tung von HCEs Ver­bre­chen). Bei Joy­ce ver­schrän­ken sich Zwei­deu­tig­kei­ten und Wort­wit­ze oft miteinander.

All das erschwert natur­ge­mäß die Arbeit des Über­set­zers. Aber Leif Høghaug ist mit Her­aus­for­de­run­gen nicht unver­traut. Er hat das Kom­mu­nis­ti­sche Mani­fest und Juli­an Tala­man­tez Bro­laskis schwer über­trag­ba­ren Gedicht­band Advice For Lovers ins Nor­we­gi­sche gebracht, eben­so hat er 2019 einen Roman im Hade­län­der Dia­lekt ver­öf­fent­licht (Der Käl­be­rich; Ü.: Mat­thi­as Fried­rich). Als er 2016 die Gele­gen­heit erhielt, einen Aus­zug aus sei­nem der­zei­ti­gen Über­set­zungs­pro­jekt in der Zeit­schrift Vin­duet zu publi­zie­ren, schrieb er in sei­nem Vor­wort: „Eine alles ande­re als leich­te Auf­ga­be, aber nicht unmög­lich … Ich arbei­te gera­de an der Über­set­zung und kann nun mit­tei­len, dass sie ver­öf­fent­licht wird, irgend­wann: als nor­we­gi­scher Fin­ne­gans Wake. Nyn­orsk, ver­mischt mit Hade­län­der Dia­lekt und vie­len ande­ren Mund­ar­ten – und Sprachen.“ 

Das „irgend­wann“ ist hier­bei der Knack­punkt. Als der Sam­la­get-Ver­lag 2016 eine Pres­se­mit­tei­lung her­aus­gab, peil­te man eine Ver­öf­fent­li­chung für 2020 an. Dar­aus wur­de nichts, und mitt­ler­wei­le sagt Høghaug selbst, er rech­ne erst 2030 mit dem Erschei­nen des Tex­tes. Das nicht nur, weil die Arbeit so ver­trackt ist, son­dern auch aus wirt­schaft­li­chen Grün­den: „… es liegt am ver­damm­ten Geld!“, sag­te Høghaug unlängst in einem Inter­view mit dem staat­li­chen Rund­funk­sen­der NRK. „Hät­te ich nur die Mög­lich­keit bekom­men, zwei Jah­re in Voll­zeit dar­an zu arbei­ten! Die Land­be­zirks­ver­wal­tung in Opp­land hat mir für die­se Arbeit ein Sti­pen­di­um von 200.000 Kro­nen gewährt, was natür­lich irre toll ist. Aber wie weit kommt man damit? Ist das ein hal­ber Jah­res­lohn?“ Trotz die­ser Pro­ble­me hat er bis­lang rund 250 von ins­ge­samt 625 Sei­ten über­setzt, und die­ses Jahr, zum 100. Jubi­lä­um der Ver­öf­fent­li­chung von Ulys­ses, kam mit Fin­ne­gans Wake: fyrs­te bok, fyrs­te kapit­tel eine Art Sin­gle­aus­kopp­lung. Sie wur­de am 16. Juni ver­öf­fent­licht, dem Bloomsday – jenem Tag, an dem Ulys­ses spielt. Das ist ein Grund zum Fei­ern – und für ein Gespräch mit Leif Høghaug über die Arbeit an sei­ner Übersetzung.

Herr Høghaug, in einem Inter­view mit dem Online­por­tal BOK365 erwäh­nen Sie, die Idee für Ihren Roman Der Käl­be­rich sei Ihnen bei der Über­set­zung des Kapi­tels über Shem den Schrei­ber­ling aus Fin­ne­gans Wake gekom­men. Inwie­weit hat James Joy­ce Ihr eige­nes Schrei­ben beeinflusst?

Ich war gera­de erst fünf­zehn Jah­re alt gewor­den, da las ich Joy­ce zum ers­ten Mal. In der umfang­rei­chen Biblio­thek mei­ner Eltern fand ich West­lich des Monds: 56 fan­tas­ti­sche Geschich­ten aus der gan­zen Welt [Ves­ten­for måne: 56 fan­tas­tis­ke fortel­lin­ger fra hele ver­den], eine Antho­lo­gie, die 1972, zwei Jah­re vor mei­ner Geburt, von den bei­den Sci­ence-Fic­tion-Autoren Jon Bing und Tor Åge Brings­værd bei Den Nor­ske Bok­klub­ben ver­öf­fent­licht wor­den war, und dar­in stieß ich auf einen kur­zen Aus­zug aus Ulys­ses in der Über­set­zung der Her­aus­ge­ber. Ich las. Und die Lek­tü­re mach­te etwas mit mir. Defi­ni­tiv. Nur was? Wie kann ich jetzt, fast 35 Jah­re spä­ter, behaup­ten, dass ich weiß, was genau die­ses „Etwas“ war? Mei­ne Erin­ne­rung gibt mir meh­re­re Ver­sio­nen die­ses für mich ent­schei­den­den Ereig­nis­ses zur Aus­wahl, und in der Ver­si­on, die ich hier und jetzt am klars­ten vor Augen habe, stand ein wich­ti­ger Ent­schluss bereits fest: „Ich will Schrift­stel­ler wer­den.“ Das hat­te der Fünf­zehn­jäh­ri­ge sich selbst gesagt. Eben aus die­sem Grund hielt er sich in der elter­li­chen Biblio­thek auf und such­te nach soge­nann­ter rele­van­ter Literatur. 

Die Lite­ra­tur – ehe­mals eine Traum­welt, in der er sich mit den Prot­ago­nis­ten iden­ti­fi­zie­ren konn­te (Ivan­hoe, Robin Hood, Davy Cro­ckett, Tar­zan usw.) – hat­te sich bin­nen kur­zer Zeit in ein merk­wür­di­ges, pracht­vol­les Text­uni­ver­sum ver­wan­delt, ja, in eine „Schreib­werk­statt“ mit gigan­ti­schen Aus­ma­ßen. Und hier umkreis­ten die Fra­gen die Schrift­stel­ler­pla­ne­ten, Fra­gen, die ver­mut­lich alle­samt aus ein- und der­sel­ben Fra­ge her­vor­ge­gan­gen waren, aus der gro­ßen Fra­ge, der Fra­ge, die – soll­te man mei­nen – die Bewoh­ner jedes ein­zel­nen Pla­ne­ten auf ihre je eige­ne Wei­se beant­wor­te­ten: Wie schrei­ben? Das Por­tal in die­ses Text­uni­ver­sum hat­te sich ihm bei der Lek­tü­re von Knut Ham­suns Segen der Erde auf­ge­tan. Und an die­ser Stel­le habe ich kei­ner­lei Zwei­fel, dass die Erin­ne­rung zutrifft – in dem alten, abge­grif­fe­nen Band war ich auf Sei­te 12 ange­langt, und fol­gen­der Satz ließ mich aus den Lat­schen kip­pen: „Nachts war er gie­rig nach ihr und bekam sie.“ (Ü.: Alken Bruns) Was für ein Satz! Ja, was für ein Satz! Ich las den Satz als Satz. Direkt auf den Punkt und ohne Kom­ma. Vom mani­fes­tier­ten Wunsch hin zur Erfül­lung des Wun­sches. Eine nächt­li­che Ereig­nis­ket­te von A bis Z. In ein- und dem­sel­ben kur­zen Satz.

Und der Beschluss wur­de gefasst: „Ich will Schrift­stel­ler wer­den.“ An Ort und Stel­le. Auf Sei­te 12 im Segen der Erde. Das Por­tal, über das die Erin­ne­rung in der Zukunft sprach; jetzt hat­te es sich auf­ge­tan – und aus der Distanz, mit dem Fern­rohr, bewun­der­te ich Ham­suns Sät­ze. Denn so fühl­te es sich wohl an. Dass die Distanz enorm war. Die Distanz zwi­schen die­sen gött­li­chen Sät­zen und Klein-Leif. Aber so oder so: Der Beschluss stand fest, und als ich den Segen der Erde aus­ge­le­sen hat­te, rich­te­te ich das Fern­rohr auf ande­re Pla­ne­ten, und dann … die umfas­sen­de elter­li­che Biblio­thek … die Antho­lo­gie … der Fünf­zehn­jäh­ri­ge liest Joy­ce in Bings und Brings­værds Über­set­zung. „Unser klei­nes Detail“, schreibt das SF-Duo im Ein­lei­tungs­text, „stammt aus der stim­mungs­vol­len Beschrei­bung von Kiernans Pub und ist über­setzt nach der Pen­gu­in-Aus­ga­be von 1968, S. 294 f. Die Skiz­ze ist les­bar als Par­odie auf den Chau­vi­nis­mus, und die her­vor­ste­chen­de Ähn­lich­keit mit moder­nen Pop-Lyrics ist doch ziem­lich kuri­os.“ Der Aus­zug, „unser klei­nes Detail“, besteht aus zwei Absät­zen. Der ers­te davon lautet: 

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The figu­re sea­ted on a lar­ge bould­er at the foot of a round tower was that of a broadshould­e­red deep­ches­ted stron­glim­bed fran­key­ed red­hai­red free­ly­freck­led shag­gy­be­ard­ed wide­mou­thed lar­ge­no­sed longhea­ded deep­voi­ced bare­kne­ed braw­ny­han­ded hairy­l­eg­ged rud­dy­faced sine­wyar­med hero. From should­er to should­er he mea­su­red seve­ral ells and his rock­li­ke moun­tai­nous kne­es were cover­ed, as was like­wi­se the rest of his body whe­re­ver visi­ble, with a strong growth of taw­ny prick­ly hair in hue and tough­ness simi­lar to the moun­tain gor­se (Ulex Euro­peus). The wide­win­ged nostrils, from which brist­les of the same taw­ny hue pro­jec­ted, were of such capa­cious­ness that within their caver­nous obscu­ri­ty the fieldlark might easi­ly have lodged her nest. The eyes in which a tear and a smi­le stro­ve ever for the mas­tery were of the dimen­si­ons of a good­si­zed cau­li­flower. A powerful cur­rent of warm breath issued at regu­lar inter­vals from the pro­found cavi­ty of his mouth while in rhyth­mic reso­nan­ce the loud strong hale rever­be­ra­ti­ons of his for­mi­da­ble heart thun­de­red rumblingly caus­ing the ground, the sum­mit of the lof­ty tower and the still lof­tier walls of the cave to vibra­te and tremble.

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Skikkel­sen som satt på den store ste­nen ved foten av run­de­tår­net var en breds­kuld­ret barm­di­ger armsterk skar­pøyd rød­hå­ret fritt freg­net striskjeg­get bred­mun­net stor­ne­set lang­skal­let dyprøs­tet bar­bent hand­fast hår­bent rød­mus­set mus­kels­vul­men­de helt. Fra skuld­er til skuld­er mål­te han man­ge fav­ner, og de klip­pe­li­ke fjell­knær­ne var, som res­ten av krop­pen hvor den stakk frem, dek­ket med stritt gyl­dent stivt hår, som i far­ve og styr­ke min­net om fjell­tor­ner (Ulex Euro­peus). Fra de bre­de nese­bo­re­ne stakk det ut bust med sam­me far­ve, så tett at ler­ken lett kun­ne ha byg­get rede der inne. Øyne­ne, hvor smil og tårer kjem­pet om over­ta­ket, var store som tun­ge blom­kå­ler. En sterk strøm av varm pust kom regel­mes­sig fra den dype munn­hu­len, mens ryt­misk reson­ans fra de ster­ke ras­ke sla­ge­ne i et enormt hjer­te tord­net rom­len­de og fikk bak­ken, top­pen av det høye tår­net og de enda høye­re veg­ge­ne i hulen til å skjel­ve og vibrere.

(Ü.: Jon Bing und Tor Åge Bringsværd)

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Die Gestalt, wel­che auf einem gro­ßen Fels­block am Fuße eines Rund­turms saß, war die eines breit­schult­ri­gen, derb­brüs­ti­gen, stark­glied­ri­gen, frei­äu­gi­gen, rot­haa­ri­gen, satt­sam besom­mer­sproß­ten, sche­ckig­bär­ti­gen, breit­mäu­li­gen, groß­na­si­gen, lang­köp­fi­gen, tief­stim­mi­gen, barknie­i­gen, schwiel­hän­di­gen, haa­rig­bei­ni­gen, rot­ge­sich­ti­gen, seh­nig­ar­mi­gen Hel­den. Von Schul­ter zu Schul­ter maß er meh­re­re Ellen, und sei­ne fels­haf­ten, gebir­gi­gen Knie waren, wie ins­glei­chen auch sein übri­ger Leib, wo immer die­ser sicht­bar, mit einem star­ken Wuch­se von loh­brau­nem Sta­chel­haar bedeckt, wel­ches nach Fär­bung und Fes­tig­keit dem Gebirgs­gins­ter (Ulex euro­peus) ähn­lich sah. Die weit­ge­schwun­ge­nen Nüs­tern, aus wel­chen Bors­ten der näm­li­chen loh­brau­nen Fär­bung her­vor­stan­den, waren von sol­cher Weit­räu­mig­keit, daß in ihrem Höhl­endun­kel leicht wohl die Feld­ler­che ihr Nest hät­te bau­en kön­nen. Die Augen, in wel­chen die Trä­ne und das Lächeln fort­wäh­rend um die Herr­schaft strit­ten, waren von den Maßen eines aus­ge­wach­se­nen Blu­men­kohls. Ein mäch­ti­ger Strom war­men Atems ging in regel­mä­ßi­gen Abstän­den von der tie­fen Höh­lung sei­nes Mun­des aus, wäh­rend in rhyth­mi­schen Wider­klan­ge die lau­ten, star­ken, gesun­den Hall­tö­ne sei­nes furcht­ba­ren Her­zens rum­pelnd erdon­ner­ten und den Boden, die Spit­ze des ragen­den Turms und die ragen­dern Wän­de noch der Höh­le erzit­tern lie­ßen und beben.

(Ü.: Hans Wollschläger)

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Sät­ze. Sät­ze von einem ande­ren Pla­ne­ten. Sät­ze, die das Bild eines son­der­ba­ren Kör­pers her­auf­be­schwö­ren. Erin­ne­run­gen flüs­tern mir ins Ohr: „Hier hast du’s. Die Erklä­rung, wes­halb du fast 35 Jah­re lang regel­mä­ßig das Fern­rohr auf den Pla­ne­ten Joy­ce gerich­tet hast. Die Bil­der die­ser son­der­ba­ren Kör­per. Ist Der Käl­be­rich nicht auch ein Ver­such, sol­che Bil­der her­auf­zu­be­schwö­ren? Son­der­ba­re Kör­per, her­auf­be­schwo­ren durch dia­lek­ta­le und ‚ungram­ma­ti­sche‘ Sät­ze à la Hade­land?“ Fin­ne­gans Wake, das Kapi­tel über Shem den Schrei­ber­ling. Ich zitie­re erst aus dem Ori­gi­nal­text, dann aus mei­ner eige­nen (in Arbeit befind­li­chen) Übersetzung: 

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Shem’s bodi­ly getup, it seems, included an adze of a skull, an eight of a lark­seye, the whoel of a nose, one numb arm up a slee­ve, for­tyt­wo hairs off his uncrown, eigh­te­en to his mock lip, a trio of bar­bels from his mega­geg chin (sowman’s son), the wrong should­er hig­her than the right, all ears, an arti­fi­ci­al ton­gue with a natu­ral curl, not a foot to stand on, a handful of thumbs, a blind sto­mach, a deaf heart, a loo­se liver, two fifths of two buttocks, one gleets­teen avoir­du­po­ider for him, a man­root of all evil, a salmonkelt’s thinskin, eels­blood in his cold toes, a blad­der tris­ten­ded, so much so that young Mas­ter Shem­my on his very first debouch at the very dawn of pro­to­histo­ry see­ing hims­elf such and such, when play­ing with thist­le­words in their gar­den nur­sery, Grie­fo­tro­fio, at Phig Stre­at 111, Shu­v­lin, Old Hoe­l­and, (would we go back the­re now for sounds, pil­lings and sen­se? would we now for annas and annas? would we for full-score eight and a liret­ta? for twel­ve blocks one bob? for four tes­ters one groat? not for a dinar! not for jo!) dic­ti­ted to of all his litt­le brot­hron and sweestu­re­ens the first ridd­le of the uni­ver­se: asking, when is a man not a man?: tel­ling them take their time, yung­fries, and wait till the tide stops (for from the first his day was a fort­night) and offe­ring the pri­ze of a bit­ters­weet crab, a litt­le pre­sent from the past, for their cop­per age was yet unmin­ted, to the winner.

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Shems kropps­le­ge upps­tåen, ser det ut te, tel­te ein dik­sel ta ein skal­le, eit aug­ni ta eit vond­au­ge, det høle ta ein nase, ein num­men arm i ermet, tvåog­førr hårom frå nein­kro­na hass, atten åt slar­v­læ­pa hass, ein trio skjegg­klum­par frå mega­geit­hu­kua hass (snau­manns son), den låg­re skul­dra høg­re enn den høg­re, høyr øyr, ei kunst­ig tun­ge med ein natur­leg krull, og utan fot­fes­te, ei handfull tom­mel­tot­tar, ein blind mage, eit dauvt hjar­ta, ei laus lever, ein femt­edel ta två rump­eballar, eit gli­destei­na einings­sys­tem hadd’n, ein man­na­rot te all vonds­kap, ein slaks kel­tars tynn­hud, åleg blod i dei kal­de tåtil­len hass, ei blæ­re så tris­t­an­na, så mykje sånn atte unge Herr Shem­my i si aller fyrs­te inn­trøing då pro­to­his­to­ria steig fram såg seg sjølv sånn og sånn, når’n lei­ka med stik­kli­te uglo­ser i hagan dei­ra, Grie­fo­tro­fio, i Phig Stre­at 111, Shu­v­lin, Gam­le Halland, (om me no sku ta turen dit att mot hører, krøn­chis­tøk­ker og mennt? om me no sku mot annas og annas? om me sku mot ensem­bla åtte og ei liret­te? mot tolv stå­ler ein shil­ling? mot fire spi­se­da­lar ein mark? ikkje mot ein dinar! ikkje mot jo!) dic­ta­ta åt alle dei vet­le bro­dron og sweestryr sine all­hei­mens fyrs­te gåte: spør­jan­de, ti er ein mann ikkje ein mann?: sei­er åt dei inga hast, jung­frær, og vent te tid­vat­net stop­par (førr frå den fyrs­te var dan hass fjor­ten dar) og gjev til­bod på eit bit­ter­søtt æble, ei lita gåve frå fort­ida, førr dei­ra koparål­der var enno kje pre­ga, åt vinnaren.

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Schem hat eine kör­per­li­che Aus­stat­tung, so scheint es, ein­schließ­lich eines mit mit einem Breit­beil bear­bei­te­ten Schä­del, einem Ach­ten eines Ler­chen­Au­ges, das Låch einer Nase, einen star­ren Ärmel auf­krem­peln, zwei­und­vier­zig Haa­re von einer Unk­ro­ne, acht­zehn von sei­ner mockie­ren­den Lipe, ein Trio von Bart­fä­den von sei­nem megae­cki­gen Kinn (Lach­sens Sohn), die fal­sche Schul­ter höher als die rech­te, alle Ohren, eine künst­li­che Zun­ge mit einer natür­li­chen Locke, kein Fuß zum Drauf­ste­hen, eine Hand­voll Dau­men, ein blin­der Magen, ein tau­bes Herz, eine aus­schwei­fen­de Leber, zwei Fünf­tel von zwei Hin­ter­ba­cken, ein glatt­stei­ne­res Geh­wicht für ihn, eine Men­schen­Wur­zel allen Übels, eines gelaich­ten Lach­ses Dünn­haut, Aals­Blut in sei­nen kal­ten Zehen, ein Winds­Beu­tel breu­tet, so sehr, so daß der jun­ge Meis­ter Schäm­mi bei sei­nem ers­ten Auf­tau­chen gera­de zur Däm­me­rung des Erst­wis­sens sich selbst so und so sah, als sie mit ihren Dis­tel­Wor­ten in ihrer Baum­Schu­le spiel­ten, Wasen­schofft, in der Schweihns Strat­ze 111, Duf­flin, Alt Hirr­land (wür­den wir dort­hin zurück­ge­hen für Sum­de, Phil­lings und Sen­nies? wür­den wir es nun für Annas sund Annas? wür­den wir es für ’ne Voll­stie­ge acht und ein Lir­chen? für zwölf Klöt­ze und einen Schil­ling? für vier Sech­s­pen­nies und ein Grot? nicht für ein Dinar! ganz bestimmt nicht!) dik­tier­te all sei­nen klei­nen Bru­dorn und Schwüß­tern die ers­ten Rät­sel des Uni­ver­sum: und frag­te: Wann ist ein Mann kein Mann? und emp­fahl ihnen: Nehmt euch Zeit, JungsFrau­en, und war­tet bis die Tide ein­hält denn der ers­te sei­ner Tage war eine Vierz­Nacht) und bot den Preis eines bit­ter­sü­ßen Holz­ap­fels, ein klei­nes Geschenk aus der Ver­gan­gen­heit, denn ihre Kup­fer­Zeit war noch unge­würzt, für den Gewinner.

(Ü.: Die­ter Stündel)

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Und hier noch ein Aus­zug aus dem Käl­be­rich, den mei­ne Erin­ne­rung zitie­ren möchte: 

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Og’n sov­ne. Svav hal­le nat­ta (trur je) men kav røt­ne kars­krot­ten låg ikke roli og svet­ten rænt og klæa vart blau­te, hæn drøm­te no rart no og så var’e mår­rån og’n vak­ne ta at a rus­ke i’n. Hu ruske’n i håret, svet­te man­ken, svar­te man­ken, grå væ tin­nin­ga og det­ti huet hass, du … Et blekkspænn ta et hue, et kråså­far­int blekkspænn. Se. En bålk i pæn­na. En bål­ke nåså. Mår ha brøk­ki nåsån en gong den­ni fig­gurn her. Å hend­te? Tja. Slags­mål? Ramle’n i fyl­la? Ei bilulykke? Ja kænskje var’e hæn som syk­le og ving­le og bil den skøvvt seg fram i svin­g­en og d’smæll og’n flak­se og flaug i lufta og en engel had­de ti tak i’n og’n læn­ne i grøfta og’n skreik, hæn låg der i en fjør­høvv og’n skreik, mæ brøk­ki bein og brøk­kin nåså? Hæn. Kænskje. Var’e hæn? Og des­si svar­te bus­te­te øvve­bry­na, des­si ski­fer­grå øvva, den­ni snur­pe­te skei­ve munn, den­ni klom­pen ta ei huku og hæs­jen er tynn og veik, et under åssen hæs­jen mak­ter bæra blekkspænn­huet og så har vi des­si uts­tik­ken­des skuld­ren og den­ni fla­te bryst­kas­sa, hu dama siar’n skar vren­ge ta seg blau­te svar­te T‑skjorta mæ råk­ke­mot­tiv og vise fram fla­te bryst­kas­sa men dæ vil’n ikke og’n sier at ingen fræm­ne får lov tæll å inns­pi­se­re den­ni opp­blås­te ugreie magan, ingen, siar’n, d’høller i mas­se­vis at arma er bare, des­si tyn­ne sene­te kunst­ie arma og des­si stub­be­fin­gra, møk­ke­te stub­be­fin­gra og ælle ti næg­la har’n gnø­gi nes­ten helt ner og du vil je skar dra ta meg blau­te jog­ge­boksa, blau­te unner­boksa, vil se både krab­ba­ten og ræva men dæ kænn’u dri­te en lang en i, je tak­ke ta meg klæa og des­si bei­na er like tyn­ne og sene­te og kunst­ie som arma, vær­ke­bei­na og føt­ten og tæn: ældri her i væla, ældri nonn­gong får’u se føt­ten og tæn mine, je tak­ke ta meg lud­da mine.

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Und er schlief. Schlief (glau­be ich) die gan­ze Nacht lang, aber das durch und durch ein­ge­mo­der­te Manns­ge­häu­se war unru­hig, der Schweiß floss in Strö­men und die Kla­mot­ten wur­den schli­cke­rig, er träum­te was Komi­sches, der Mor­gen brach her­an und er wach­te auf, weil eine an ihm rüt­tel­te. Sie riss ihm an den Haa­ren, der ver­schwitz­ten Mat­te, der schwar­zen Mat­te, schlä­fen­grau, und an sei­ner Rübe … ner Blech­büchs von Rübe, ner wind­schaf­fe­nen Blech­büchs. Schau. Ne Beu­le in der Stirn. Ne gedell­te Nase. Die­se Figur hier muss sich wohl mal die Nase gebro­chen haben. Was geschah? Tja. Prü­ge­lei? Hacke­dicht hin­ge­pur­zelt? Ein Auto­un­fall? Viel­leicht radel­te und schlen­ker­te ja er, und das Auto schoss aus der Kur­ve, er flog und flum­mi­te und segel­te durch die Luft, ein Engel hat­te ihn zu fas­sen gekriegt und er lan­de­te schrei­end im Gra­ben, er lag mit gebro­che­nem Bein und gebro­che­ner Nase in einem Feder­hau­fen und schrie? Er. Viel­leicht. War er es? Und die­se schwar­zen buschi­gen Brau­en, die­se schie­fer­grau­en Augen, die­ser kräu­se­li­ge schie­fe Mund, die­ser Bat­zen von Kinn, und der Hals ist dünn und schwäch­lich, was Wun­der, wie die­ser Hals über­haupt die Blech­büch­sen­rü­be zu tra­gen ver­mag, und dann haben wir die­se kno­chi­gen Schul­tern und die­sen plat­ten Brust­korb, die Lady sagt, er sol­le sich aus dem schli­cke­ri­gen schwar­zen T‑Shirt mit Rock­mo­tiv zwän­gen und sei­nen plat­ten Brust­kas­ten vor­füh­ren, aber das will er nicht, und er sagt, dass die­sen auf­ge­bläh­ten, ver­stimm­ten Bauch kein Fremd­ling inspi­zie­ren dür­fe, kei­ner, sagt er, rei­che doch, dass die Arme nackt sei­en, die­se dün­nen seh­ni­gen gemo­del­ten Arme und die­se Stum­mel­fin­ger­chen, die schmutz­star­ren­den Stum­mel­fin­ger­chen, und abge­kaut habe er fast alle zehn Nägel, und Sie wol­len, dass ich mir die schli­cke­ri­ge Jog­ging­ho­se, die schli­cke­ri­ge Unter­ho­se aus­zie­he, Sie wol­len den Kra­bat und den Arsch sehen, aber da kön­nen Sie ne Wurst drauf schei­ßen, ich zieh mich doch nicht aus, und die­se Haxen sind genau­so dünn und seh­nig und gemo­delt wie die Arme, die Wund­ha­xen und die Füße und die Zehen: Nie­mals in die­ser Welt, nie­mals krie­gen Sie mei­ne Füße und mei­ne Zehen zu sehen, ich zieh mir mei­ne Strick­so­cken nicht aus.

(Ü.: Mat­thi­as Friedrich)

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Wenn ich hier­mit also die Fra­ge beant­wor­tet habe, wel­chen Ein­fluss Joy­ce auf mein eige­nes Schrei­ben aus­ge­übt hat … Wie auch immer, ich hof­fe, die­se Ange­le­gen­heit zumin­dest ein biss­chen geklärt zu haben. – Und viel­leicht wird das Gan­ze kla­rer, wenn ich hin­zu­fü­ge, dass Humor und Per­spek­ti­ve wich­ti­ge Stich­wor­te sind. Joy­ce ist ein gro­ßer Humo­rist, ein Gal­genhumo­rist, und er ist der Meis­ter der Per­spek­tiv­ver­schie­bun­gen. Ich will nicht ange­ben, aber in einem humor­vol­len Moment wie die­sem erlau­be ich mir, aus Had­le Ofte­dal Ander­sens Kri­tik zu Kom­mu­ni­on 2017 zu zitie­ren, mei­nem zwei­ten Gedicht­band: „Die Lek­tü­re von Leif Høghaugs Kom­mu­ni­on 2017 ist wie die Lek­tü­re von James Joy­ces Ulys­ses. Man tritt ein in ein laby­rin­thi­sches Werk, in dem stän­dig die Per­spek­ti­ve bricht.“

Wann und unter wel­chen Umstän­den haben Sie zum ers­ten Mal von Fin­ne­gans Wake gehört?

Nach­dem ich den über­setz­ten Aus­zug aus Ulys­ses in Bings & Brings­værds Antho­lo­gie gele­sen hat­te, eig­ne­te ich mir nach und nach mehr Wis­sen über die­sen Schrift­stel­ler namens Joy­ce an. Bing & Brings­værd hat­ten ihn als einen der „Eck­stei­ne der moder­nen Lite­ra­tur“ vor­ge­stellt, als den „Schöp­fer der Form, die stream of con­scious­ness heißt, und jetzt woll­te ich mehr wis­sen.  Zuhau­se in der elter­li­chen Biblio­thek schlug ich den elf­ten Band der Lite­ra­tur­ge­schich­te der Welt (Edvard Bey­er et al., 1974) auf. Im Kom­pen­di­um (Gyl­dend­als gro­ßes Kon­ver­sa­ti­ons­le­xi­kon, zwei­te Aus­ga­be, 1965), das ich jetzt wie­der auf­ge­schla­gen vor mir lie­gen habe, steht, Fin­ne­gans Wake (oder: Finnegan’s Wake; das Lexi­kon schreibt den Titel falsch) han­de­le „von einer ein­zi­gen Nacht“ und sei „die Geschich­te eines Traums, aber ohne die rea­lis­ti­sche Erzäh­lung, die das Fun­da­ment des Ulys­ses aus­macht. Finnegan’s Wake [sic] ist ein über alle Maßen dunk­les Werk, ver­fasst in einer Spra­che, deren Anspie­lungs­reich­tum und sym­bo­li­sche Unter­tö­ne selbst die beflis­sens­ten Joy­ce-Bewun­de­rer außen vor gelas­sen haben.“ Nun ja, „ein über­aus dunk­les Werk“. Nun ja, nun ja. Hier läuft man Gefahr, außen vor gelas­sen zu wer­den. So beflis­sen kann man nie sein, und trotz­dem … Nein, mei­ne ers­te sub­stan­zi­el­le Ein­füh­rung in Fin­ne­gans Wake hat mir ver­mut­lich die Lite­ra­tur­ge­schich­te der Welt ver­mit­telt. Das Kapi­tel brach­te ein Zitat aus dem Buch – und wenig über­ra­schend eines, das etwas über den Ein­fluss nor­we­gi­scher Lite­ra­tur auf den Iren James Joy­ce aus­sag­te, mit Ibsen an vor­ders­ter Front: 

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Who­saw the jackery dares at hand­grip­per thi­sa breast? Dose mak­kers gin­ger. Some one we was with us all fours. Adver­si­an. The spiking Duy­vil! First liar in Lond­send! Wulv! See your scar­go­re on that skeeps­brow! And tho­se mei­sies! Sul­ken taarts! Man sicker at I ere bluf­fet kon­ser­va­ti­ve? Shucks! Such rats­house bugs­mess so I can­not bare­ly con­cei­ve of! Lowest base­meant in hys­try! Ibs­ce­n­est nansence!

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Wer­sah den Jacke­rer angrei­fen wagen die­se Brust? Tatens Freun­de des Ing­wer Irgend einem waren mit uns alle Vie­re. Adver­s­a­ri­en! Der spre­chen­de Düvil! Ers­ter Lüg­ner in Land­send! Wulv! Sie dein Skär­gaard an die­sem Skepps­bro! Udn die­se Mei­schen! Sol­che Thörtzchen! Man sacket, dat ick wüd­de kon­ser­va­tiv? Unsinn! Sol­ches Rat­haus­Ge­schäft, so kann ich mir bloß kei­ne Vor­stel­lung machen! Nied­rigs­tes Fun­da­ment in der Hys­te­rie! Ibs­zöns­ter Nansens!

(Ü.: Die­ter Stündel) 

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Ich weiß es noch ganz genau. Wie ich zum ers­ten Mal die­sen kur­zen Aus­zug las. Wie­der „zum ers­ten Mal“ – und wie­der „ein kur­zer Aus­zug“. Hat­te das Ulys­ses-Extrakt die Fas­zi­na­ti­on, die der Segen der Erde in mir geweckt hat­te, noch ver­stärkt, so wur­de ich jetzt, nach­dem ich die­ses son­der­ba­re Welt­li­te­ra­tur­frag­ment gele­sen hat­te, ver­mut­lich in einen Zustand ver­setzt, der von etwas weit­aus Stär­ke­rem als Fas­zi­na­ti­on domi­niert war. Ver­wun­de­rung? Ja. Aber der Zustand, um den es hier geht, lässt sich zumin­dest im Nach­hin­ein bes­ser mit Wor­ten und Sät­zen beschrei­ben, die wir unmit­tel­bar mit der Bru­ta­li­tät der Ver­liebt­heit ver­bin­den. Beses­sen­heit. Da haben wir’s. Ich war beses­sen von die­ser Stim­me, die jetzt (in mei­ner Welt) ihren „Ibs­ce­n­est nan­sence“ aus­ge­ru­fen hat­te. Das Echo hall­te – und hall­te wei­ter … „Ich will Schrift­stel­ler wer­den“, hat­te ich gesagt. Und ich begann mit dem Schrei­ben. Ich schrieb „merk­wür­di­ge Tex­te“. Dann las ich Dub­li­ners – in Olav Angells Über­set­zung (Gyl­dend­al Norsk For­lag, 1974). Und ich schrieb mehr.

Wie kam es, dass Sie sich an einer Über­set­zung von Fin­ne­gans Wake ver­su­chen woll­ten – und was hat­ten die Ver­la­ge dazu zu sagen?

Irgend­wann zwi­schen Janu­ar und Juni 2016 erzäh­le ich Pre­ben Jor­d­al, dem – dama­li­gen – Her­aus­ge­ber der Zeit­schrift Vin­duet, dass ich ein „außer­ge­wöhn­li­ches“ Über­set­zungs­pro­jekt begon­nen hat­te. Ich sage, ich wür­de ihm ger­ne einen Aus­zug dar­aus schi­cken, die ers­ten zehn Sei­ten, und weil die­ses Gespräch weder per Tele­fon noch per Mail statt­fin­det, ist es natür­lich ver­lo­ckend, sich der leben­di­gen Schil­de­rung hin­zu­ge­ben: Her­aus­ge­ber Jor­d­als ent­ge­gen­kom­men­des Äuße­res als Aus­druck von Esprit etc. Ja, er will es ger­ne lesen – und das not­wen­di­ge Lek­to­rat vor­neh­men. Das freut mich sehr, und in den fol­gen­den Wochen schlie­ße ich die Arbeit an der nor­we­gi­schen Fas­sung des erwähn­ten Aus­zugs ab, also die ers­ten zehn Sei­ten – oder genau­er: an einer Nor­we­gi­sie­rung die­ser Sei­ten; die­se Sei­ten in nor­we­gi­scher Umschrift, eine Arbeit, die mit einer mir vom Ver­lag Det Nor­ske Sam­la­get in Auf­trag gege­be­nen Über­set­zung par­al­lel läuft; ich dich­te Juli­an Tala­man­tez Bro­laskis Ovid-inspi­rier­tes Advice For Lovers nach, ein Buch, das künf­ti­ge Leser (wahr­lich pro­phe­ti­sche Wor­te mei­ner­seits!) aus meh­re­ren Grün­den sehr zu schät­zen wis­sen werden. 

David Aasen, mein her­vor­ra­gen­der Lek­tor bei Sam­la­get, hat Bro­laskis Genie erkannt und mich gebe­ten, die­se durch­ge­dreh­ten Lie­bes­ge­dich­te nach­zu­dich­ten. Wird mir das gelin­gen? Fall­hö­he, Fall­hö­he. Wie tief kann man fal­len? Dann ist es soweit: Ich schi­cke den Wake-Aus­zug, die ers­ten zehn Sei­ten der Umschrift, an Her­aus­ge­ber Jor­d­al. Lek­tor Aasen ist dar­über in Kennt­nis gesetzt; in einer Bespre­chung in sei­nem Büro erwäh­ne ich das Pro­jekt, und er meint, ich sol­le es ihm auch ger­ne schi­cken, und jetzt also ist es soweit und ich schi­cke Lek­tor Aasen den Aus­zug. Her­aus­ge­ber Jor­d­al ant­wor­tet, das sei für Vin­duet durch­aus inter­es­sant; der Aus­zug wer­de in Nr. 4/2016 gedruckt. Lek­tor Aasen schreibt, Sam­la­get wer­de ger­ne die gesam­te Über­set­zung ver­öf­fent­li­chen, wenn die­se vor­lie­ge! Oh, ich schwe­be vor Glück. Schwe­re­los im prak­ti­schen Text­uni­ver­sum. Glück. 

Dann schlie­ße ich einen Ver­trag mit Sam­la­get ab und sage sowas wie: „Wenn ich die Finan­zie­rung hier­für auf die Rei­he krie­ge, wer­de ich bis 2020 damit fer­tig.“ Die Finan­zie­rung. Auf einen Auf­schwung folgt ein Abschwung, und der Abschwung ist eine melan­cho­li­sche Erzäh­lung über Geld­sor­gen. Na, wer will das Pro­jekt „Fin­ne­gans Wake in nor­we­gi­scher Umschrift“ för­dern? Ihr? Nein. Du? Nein. Oder: Sie, mein Herr, O poten­zi­el­ler Mäzen? Nix. „Nachts war er gie­rig nach Geld und bekam es nicht.“ Aber 2018 bewer­be ich mich bei der Land­be­zirks­ver­wal­tung von Opp­land um ein Sti­pen­di­um, ich bekom­me eine Zusa­ge und 200 000 Kro­nen. Ergo kann ich unge­stört arbei­ten, solan­ge das Geld reicht. Aber was sind 200 000 Kro­nen anno 2018 im ölspru­deln­den König­reich Nor­we­gen  schon wert? Fra­gen Sie nicht! Sei­en Sie ganz der Alte: der „Idea­list“, der sich von den sta­peln­den Rech­nun­gen nicht beein­dru­cken lässt. Ich schrei­be den Käl­be­rich. Ich schrei­be über „die anzug­tra­gen­den Män­ner“, wasch­ech­te nor­we­gi­sche Kapi­ta­lis­ten in der „Unter­welt“:

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Neri unner­væ­la ærre prod­duks­jon. Stor prod­duks­jon. Dress­klæd­de og væl­duf­ten­des og godt tre­ne kara. Dom prod­du­se­rer dup­pe­dit­ter. Ækte dup­pe­dit­ter. Bit­tes­må data­dings­er du kænn svæl­je æller stap­pe opp i ræva og så bler’u fresk og får ro i sjela.
Peeng. Dom tje­ner ved­ders­tygg­li my peeng. Dom sen­ner dup­pe­dit­ta opp tæll over­fla­ta og folk dom kjø­per og dom svæl­jer æller stap­per og pen­ga strøm­mer nero­ver som møk­ka i soil­røra og spru­ter ut her i unner­væ­la og kara i pene dyre dress­er får vatn i munn og dom gapar og gapar. Dup­pe­dit­ter. D’er ækte dup­pe­dit­ter folk vil ha. Du skjøn­ner dæ at men­nes­je­fol­ka på over­fla­ta dom stres­ser så jæv­li, stres­ser før­dæat­te ingen ta dom som mår gjøra no kla­rer å gjøra ælt dæ dom sjøl­ve og folk rundt dom sier’om mår gjøra. Stress og mas. Er så my stress og mas. Frå mår­rås tæll kvæls. Frå kvæls tæll mår­rås. Ærru vak­jin æller sæver’u? Levan­des æller døvv? Nei nei nei d’speller inga rol­le som hælst. Stress og mas bler’e uansett.
Men å skar en stak­ka­rs faen gjøra?
Hør nå: Stak­ka­rs faen, hæn skar svæl­je en dup­pe­ditt æller stap­pe en dup­pe­ditt opp i ræva, skar’n, faen.

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Unten in der Unter­welt geht es um die Pro­duk­ti­on. Die gro­ße Produktion.
Anzug­tra­gen­de und wohl­duf­ten­de und durch­trai­nier­te Jungs. Sie pro­du­zie­ren Din­ge­lings. Ech­te Din­ge­lings. Win­zig klei­ne Daten­dings­das, die du run­ter­schlu­cken oder dir in den Arsch pfrop­fen kannst, und dann wirst du gesund und fin­dest Seelenruh.
Geld. Abscheu­lich viel Geld ver­die­nen sie. Sie schi­cken die Klein­din­ge­lings hin­auf an die Ober­flä­che, die Leu­te kau­fen und schlu­cken run­ter oder pfrop­fen, und das Geld strömt hin­ab wie Kacke in die Abfluss­roh­re und sprutzt hier unten in der Unter­welt hin­aus, den Ker­len in den ele­gan­ten teu­ren Anzü­gen läuft im Mund das Was­ser zusam­men und sie klap­pen und klap­pen das Maul auf. Din­ge­lings. Ech­te Din­ge­lings wol­len die Leu­te haben. Ver­stehst du, dass das Men­schen­ge­schlecht oben auf der Ober­flä­che des­halb so einen irren Stress schiebt, weil kei­ner von denen, die was machen müs­sen, irgend­was von dem gewuppt kriegt, von dem die Leu­te sagen, dass sies machen müs­sen. Stress und Gekrit­tel. Gibt so viel Stress und Gekrit­tel. Von früh bis spät. Von spät bis früh. Wachst oder schlum­merst du? Am Leben oder tot? Nein nein nein, spielt über­haupt gar kei­ne Rol­le. Stress und Gekrit­tel sind garantiert.
Aber was soll ein armer Teu­fel denn dann tun?
Hört her: Der arme Teu­fel soll n Din­ge­lings run­ter­schlu­cken oder sich n Din­ge­lings in den Arsch pfrop­fen, ja, das soll der Teu­fel tun.

(Ü.: Mat­thi­as Friedrich)

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2022: Die Sin­gle­aus­kopp­lung Fin­ne­gans Wake: fyrs­te bok, fyrs­te kapit­tel erscheint bei Sam­la­get. Die­se Ver­öf­fent­li­chung bedeu­tet mir enorm viel. Auf­schwung. Und viel­leicht gibt es in nächs­ter Zeit mehr Sin­gle­aus­kopp­lun­gen, bis die gesam­te Über­set­zung zwi­schen zwei Buch­de­ckeln ver­sam­melt ist.

Joy­ce war ein Schrift­stel­ler mit engen Bin­dun­gen zu Irland. Sie sind unweit von Oslo auf­ge­wach­sen, im Distrikt Hade­land – einer Kul­tur­land­schaft, die in Ihren Büchern einen zen­tra­len Platz ein­nimmt, nicht zuletzt im Käl­be­rich, der im Dia­lekt die­ser Gegend geschrie­ben ist. Wel­che Rol­le spielt Ihre eige­ne Orts­ver­bun­den­heit für die Über­set­zung von Fin­ne­gans Wake, ein Buch, das auf Eng­lisch ver­fasst ist, zugleich aber auch in meh­re­ren wei­te­ren dut­zend Sprachen?

Auf die Gefahr hin, als eng­stir­ni­ger Lokal­pa­tri­ot dazu­ste­hen, ant­wor­te ich: die größ­te. Mei­ne Orts­ver­bun­den­heit spielt für mei­ne Arbeit als Wake-Über­set­zer die größ­te Rol­le. Die Hügel­land­schaft in Hade­land lässt sich mit ein­fa­chen roman­ti­schen Wor­ten als gott­ge­schaf­fe­ne Kon­kre­ti­sie­rung ästhe­ti­scher Ideo­lo­gie „erklä­ren“. Man kann durch die Gegend wan­dern, und die gan­ze Zeit, nicht nur dann, wenn man auf einer Anhö­he steht, erfährt man, wie sich die Land­schaft ver­än­dert, und da ich mich über­haupt nicht ori­en­tie­ren kann, habe ich mich schon oft kom­plett ver­lau­fen und bin in den selt­sams­ten Ecken wie­der her­aus­ge­kom­men. „For the record“, ich bin in Lørens­kog gebo­ren (A. d. Ü.: in einer benach­bar­ten Kom­mu­ne, nicht in Hade­land) und habe dort die ers­ten zwei Jah­re mei­nes Lebens ver­bracht – erin­ne­re mich aber an nichts mehr; für mich ist Lørens­kog ein lee­rer Ort. Hade­land hin­ge­gen ist voll, übervoll. „Es gibt mehr Ding’ im Him­mel und auf Erden, als eure Schul­weis­heit sich träumt, Horatio“. 

Leif, mein Groß­va­ter müt­ter­li­cher­seits, kam von der West­küs­te; gegen Ende der 1930er war er als frisch aus­ge­bil­de­ter Mol­ke­rei­ar­bei­ter nach Hade­land gezo­gen, wo er für den Rest sei­nes Lebens blieb – und von ihm lern­te ich, im Frem­den das Bekann­te zu ent­de­cken; er brach­te mir bei, dass die nahe, greif­ba­re Welt gleich­zei­tig fern­liegt und die regu­lie­ren­de Kul­tur ein wir­kungs­vol­les Trug­bild ist … „Mei­ne Orts­ver­bun­den­heit“: 18 vol­le Jah­re lang, zwi­schen 1976 und 1994, lässt sich der Ort über­haupt nicht als „das Hade­län­di­sche“ bestim­men (was das auch immer sein mag); nein, will man den Ort defi­nie­ren, muss man das Geplap­per über Iden­ti­tät igno­rie­ren, das loka­le Fest­red­ner von sich geben. Mein Groß­va­ter Leif – der Exi­lant, der Humo­rist, der Anar­chist – erzählt ande­re Geschich­ten. Er über­setzt „Hade­land“ in eine ande­re Spra­che. 1994 zie­he ich nach Oslo und 2011 „wie­der heim“ nach Hade­land. Und es ist immer noch wich­tig – über­le­bens­wich­tig –, ande­re Geschich­ten zu erzäh­len. Im fol­gen­den Aus­zug aus Fin­ne­gans Wake: fyrs­te bok, fyrs­te kapit­tel höre ich den kräf­ti­gen West­küs­ten­dia­lekt mei­nes Großvaters: 

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Now after all that far­f­at­ch’d and perag­ri­ne or ding­nant or cle­re lift we our ears, eyes of the dark­ness, from the tome of Liber Livi­dus and, (toh!), how pai­si­bly eire­ni­cal, all dim­me­ring dunes and glo­ame­ring glades, selfs­tret­ches afo­re us our fredeland’s plain! Lean neath stone pine the pas­tor lies with his crook; young pri­cket by pricket’s sis­ter nib­bleth on retur­ned viri­di­ties; amaid her rocking gras­ses the herb tri­ni­ty shams low­li­ne­ss; sky­up is of ever­grey. Thus, too, for donkey’s years. Sin­ce the bouts of Hebear and Hairy­man the corn­flowers have been stay­ing at Bal­ly­mun, the dus­kro­se has choo­sed out Goatstown’s hedges, two­lips have pres­sed toga­ther­them by sweet Rush, town­land of twi­ned­lights, the whitet­horn and the redt­horn have fairy­gey­ed the may­val­leys of Knock­ma­roon, and, though for rings round them, during a chi­li­ad of peri­he­ly­gangs, the Formore­ans have britt­led the tooath of the Danes and the Oxman has been pest­e­red by the Fire­bugs and the Joyn­ts have thrown up jer­ry­buil­ding to the Kevan­ses and Litt­le on the Green is childs­fa­ther to the City (Year! Year! And laugh­te­ars!), the­se pax­se­al­ing but­ton­ho­les have qua­dril­led across the cen­tu­ries and whiff now whafft to us, fresh and made-of-all-smi­les as, on the eve of Killallwho.

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Og etter alt det­ta usyn­s­an­le­ge og flik­kan­de ell ding­nan­te ell kle­re lyft­ar me no øyro våre, mør­kre­b­lik­ket, frå den­na mur­stein Liber Livi­dus kal­la og, (sjå!), kor mage­leg eire­nisk, alle ukli­re klit­tar og skim­ran­de lis­nin­gar, segstrekk bakom oss vårt fre­de­lands slet­te! Mager unda pin­jet­re ligg hyr­din­gen med stav sin; ung­gei­ta sida ta sys­ter åt ung­gei­ta gnaf­sar på attkom­ne grø­nin­gar; maid mil­la spir­gla­ne hen­nar shem­tar stem­ors­blo­mar vei­k­leik; him­malopp er af eviggrå. Så, òg, langt aasenåra. Heilt sidan Heber og Hårat­mann pik­ka kva­rand­re hev korn­blo­ma­ne budd i Bal­ly­mun, myr­kus­ro­sa hev valt seg Goat­s­towns tor­ne­hek­kar, två­lip­pe­nar hev saman­s­an­ka­pres­saseg ved skjø­ne Rush, tosmør­krs her­red, kvitt­orn og raud­torn hev sprag­lagd Knock­ma­roons moy­d­a­lar, og, trass ikring dei om, i tida førr ein chi­lia­de peri­heli­gon­gar, hev Formorea­n­ara­ne bri­ti tuath ta Dans­ka­ne og Oxman­nen er vor­te pla­ga ta Bøggsmen­na og Joyt­na­ne hev opp­kas­ta jer­ry­kåk te Keva­ne­sa­ra­ne og Litt­le Grøn­mark­nad er born­far åt Byen (Aur! Aur! Og lat­tå­re­ne!), des­sa pax­førr­se­g­la knapp­ho­la hev kva­dril­ja jøn­na hundreåra og piffar no poff te oss, freskt og ta-alle-smil-laga som, på Killallwhosæftan.

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Nach all die­sem Weit­hör­ge­holl­ten und Durch­streif­ten oder Würg­di­gen oder Klah­rem spit­zen wir unse­re Ohren, Augen der Dun­kel­heit, vor dem Buch des Liber Livi­dus und (süh!), wie früh­de­vol irran­nisch, alle Dün­nen ver­dunn­kehl sich und die Eis­Lüch­ser wer­fen Schat­ten, sel­ban­der vor uns erst­röckt sich unse­res Fra­ter­lan­des Ebbe­ne! Auf hüppsch dün­nem Trau­er­stein liecht der Pas­t­T­hor mit sei­ner Krü­cke; jun­ge Spit­zis­tin vom Spit­zer Schwätz­ter Nib­be­lit auf zurück­er­star­te­tem Grü­nen, ein Mätt­chen mit ihrem Glie­gel Spas zeugt der her­ben Dry­ei­nick­keit Ein­summ­kait, him­mel­huch ist des Ebber­grins. Des­hulp, auch für Ehsells­jar­ri. Seit der Kämp­fe von Heber und Haa­re­mond haben die Korn­blu­men bei Ball­mung gestann­den, die Mock­schuß­ros­se hat Kotz­dunns Hecke aus­ge­wällt, Zwie­lip­pin haben sich durchs süße Rasch zusam­men­ge­präißt, Taun­land des Zwiehlickts, der Wei­hß­Dorrn und der RohtDurrn haben die Schön­Täl­ler von Nock­ma­ro­ne fee­nadert, und, obwoll für Rin­ge sie umg­eb­ben, wäh­rend eines Jack­hund­erz der Sun­nen­Nä­cke, haben die Vorm­irns die Tut­tis de Dan­nar mür­de gemacht, und die Ochs­man­nen wur­den von den Vier­Buggs belös­tigt, und die Rapp­züg­ge haben das Bau­späh­cu­lan­ten­Werk dem Kewan­zen auf­ge­wor­fen und Klei­ner auf dem Grühn ist der Stadt Kinds­Vat­ter (Jor­ch! Jor­ch! Und löschehl!), die­se besieh­gel­ten Knopp­Lö­cher haben über die Jahr­hund­ehr­te qua­dril­liert und pfwei­fen uns nun pfbel­lisch zu, frisch und ganz-aus-löcheln gemacht wie an dem Abend von Killarwehr.

(Ü.: Die­ter Stündel)

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Arne Gar­borg hin­ter­ließ beim jun­gen Leif seni­or einen blei­ben­den Ein­druck. Als alter Mann erin­ner­te sich dar­an, als wäre es ges­tern gewe­sen: wie Gar­borg zu Besuch kam. Knu­daheio, das Som­mer­häus­chen des Dich­ters bei Und­heim, war 1899 fer­tig; Leif wur­de 1910 in der Ort­schaft Pol­lestad gebo­ren, Pod­lest, wie es im loka­len Dia­lekt heißt, und der Dich­ter klopft, sagen wir, 1917 an die Tür; Gar­borg arbei­tet an einer Über­set­zung, einer Nach­dich­tung – und in mei­ner Fan­ta­sie muss er Feder, Papier und Bücher genau aus die­sem Grund ab und an mal auf Sei­te legen und durch die Küs­ten­land­schaft Jæren wan­dern, die er so gut kennt, die Welt sei­ner Kind­heit, und den­noch – nun ja – eine frem­de Welt, und er besucht Leu­te, in Pod­lest ist er will­kom­men, er klopft an, die Tür wird geöff­net; es ist Zeit fürs Mit­tag­essen, man lädt ihn ein, aber er will nichts, kommt mit hin­ein und setzt sich auf einen Stuhl an der Wand, betrach­tet die Wit­we und die Schar ihrer Kin­der, sie essen, reden, und die Klei­nen gucken die­sen Son­der­ling, der da sitzt, ohne auch nur einen Mucks zu sagen, neu­gie­rig an, aber eben das will er ja: ein­fach nur dasit­zen und die Men­schen anschau­en – und sie reden hören; denn will er mit sei­ner Nach­dich­tung vor­an­kom­men, muss er sein Wis­sen über das Leben der klei­nen Leu­te auf­fri­schen und wei­te­re Unter­su­chun­gen zu Gebär­den, Sprech­wei­sen und – am wich­tigs­ten von allem – zum Rhyth­mus der Spra­che anstel­len, ihrer Musi­ka­li­tät … Die Nach­dich­tung wird abge­schlos­sen. Odys­se­uskvæ­det [Die Odys­see] erscheint 1918 bei Asche­houg & Co (W. Nygaard). Endlich. 

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Song­dis, for­tèl meg um man­nen hin raadslø­ge, han som so vide
krin­gum laut flak­ke, daa øydt han had­de det hei­la­ge Troia,
og som bust­ader man­ge fekk sjaa og fol­ke­skikk ymis.

(Ü.: Arne Garborg)

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Sage mir, Muse, die Taten des viel­ge­wan­der­ten Mannes,
Wel­cher so weit geirrt, nach der hei­li­gen Tro­ja Zerstörung,
Vie­ler Men­schen Städ­te gesehn, und Sit­te gelernt hat,

(Ü.: Johann Hein­rich Voß)

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Las­sen Sie uns zum Schluss über Ihre Über­set­zung der „Byg­mes­ter Finnegan“-Passage spre­chen. Wie haben Sie die­sen Satz in Angriff genom­men – und was hat das ganz all­ge­mein über Ihre Arbeit an Fin­ne­gans Wake zu sagen?

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Byg­mes­ter Fin­ne­gan, of the Stut­te­ring Hand, freemen’s mau­rer, lived in the broa­dest way immar­gi­nable in his rushlit too­farback for mes­suages befo­re joshu­an jud­ges had given us num­bers or Hel­vi­ti­cus com­mit­ted deu­te­ro­no­my (one yeasty­day he ster­ne­ly struxk his tete in a tub for to watsch the future of his fates but ere he swift­ly stook it out again, by the might of moses, the very water was evi­pa­ra­ted and all the guen­nes­es had met their exodus so that ought to show you what a pent­schan­jeuchy chap he was!) and during migh­ty odd years this man of hod, cement and edi­fices in Toper’s Thorp piled buil­dung supra buil­dung pon the banks for the livers by the Soangso.

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Byg­mes­ter Fin­ne­gan, von der Stamman­de Hand, fri­kars­maurar, bud­de ved den broa­dest weg ein kan før­stil­lelsæ i si tyriflam­mel­jo­san­de før­gam­me førr bus­tap før jos­vas­ke dom­marar hadd skjen­ke oss den fjer­de ell Hel­vi­ti­cus begåen den fem­te (ein gærs­dag staxk han med eit størn try­net i ein stamp førr der å sljå sin lag­n­ads framt­id men før’n swiftsj støkk det ut igjen, du mil­de moses, var vat­net far­dam­pa og alle guen­ne­sa gådd bort med exodu­sa sine så dét sku gje deg eit klu om åssen pønsj­ta­ju­sisk fyr han var!) og i ein mann­sal­der reis­te den­ni mann ta hud, cement og enn­legg i Toper’s Thorp førr Såogså-broera byld­ning supra byld­ning ved ælvebredden.

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Bau­ger­Meis­ter Fin­ne­gan, von der Schlot­tern­den Hand, Frei­manns Mau­rer, leb­te in der brei­test nur vor­ställ­ba­ren Stra­ße in sei­nem Räuch­licht­schön weit­weg von Bord­schaff­ten, bevor Josu­a­ni­sche Rit­ter uns Num­mern gege­ben hat­ten oder Hel­ve­ti­cus übel­lie­fer­te das Deu­te­ro­no­mi­um (ein­mal hat er jes­törn ster­nig­lich sei­nen Kopp in das Ton­nen­Mätt­chen gestaeckt, um die Zug­cuntft sei­nes Geschick­sells zu sähen, doch hier er es aber­malz schwifft­lich durch und zwar durch die Gerafft von Mos­tes, der wahr­hoff­te Was­se­r­er war ver­dünff­tet und die gan­ze Gui­nes­ses hat­te dort ihren Exodus ange­trof­fen, und das soll­te dich mit der Nase dar­auf sto­ßen, was für ein pen­ta­täuf­li­scher Cairl das war!) und wäh­rend schröck­lich ver­reck­ter Jah­re häuf­te der Mann Hot­tes, Cements und Ebäu­des in Soif­res Dorf Geh­beu­te auf Gebeu­te an den Ufern des Luf­fes von Soangso.

(Ü.: Die­ter Stündel)

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Wie ich die Sache in Angriff genom­men habe? Hier, wie auch sonst über­all auf dem Pla­ne­ten Joy­ce, geht es dar­um, sich dem Rhyth­mus aus­zu­lie­fern. Ein Freund von mir, der mei­ne Sin­gle­aus­kopp­lung gele­sen hat­te, sag­te, der „Inhalt“ berei­te ihm immer noch Kopf­zer­bre­chen; Fin­ne­gans Wake erschei­ne ihm jetzt genau­so rät­sel­haft wie vor­her – aber das Wich­tigs­te, sag­te er, sei der Rhyth­mus, oder wie ihm die Über­set­zung das Gefühl ver­mit­telt hat­te, in ein rhyth­mi­sches „Irgend­was“ ver­setzt wor­den zu sein. Also ja, „der Rhyth­mus bestimmt alles“ – und wir kön­nen genau­so gut zu Kli­schees grei­fen: Der Rhyth­mus ist der Herz­schlag, der Atem­zug; der Rhyth­mus ist die fei­ne Maschi­ne­rie, die den Orga­nis­mus am Leben hält. Das heißt aber natür­lich nicht, dass „alles Form“ ist und „der Inhalt nichts“. Ers­tens: „Rhyth­mus“ und „Form“ sind nicht syn­onym. Zwei­tens: Ein Inhalt kann so beschaf­fen sein, dass der Rhyth­mus irgend­wann zur Spra­che kom­men muss; ja, als päd­ago­gi­sche Übung kön­nen wir uns einen „Inhalt“ vor­stel­len (ein Gesche­hen, eine Bot­schaft, eine The­ma­tik usw.), der nicht zu tren­nen ist von sei­nem Schöp­fer, dem Rhyth­mus. Wer so einen Inhalt deu­tet, muss sich (frü­her oder spä­ter) zur Funk­ti­ons­wei­se, zur Hand­lung die­ses Rhyth­mus äußern (zum Gesche­hen des Rhyth­mus, sei­ner Bot­schaft, sei­ner The­ma­tik usw.). 

Sagen wir, dass sich die Teil­neh­men­den unse­rer Vor­stel­lungs­übung aus­ge­rech­net auf Fin­ne­gans Wake als spre­chen­des Bei­spiel eini­gen: Inhalt­lich ist der Roman ein Herz­schlag, ein Atem­zug … Aber genug hier­von; wir las­sen unse­re fik­ti­ven Leser:innen so vie­le päd­ago­gi­sche Übun­gen machen, wie sie lus­tig sind. Dass der „Rhyth­mus alles bestimmt“ – das ist für mich so selbst­er­klä­rend, dass ich ver­ges­se, mir dar­über „den Kopf zu zer­bre­chen“. Was bedeu­tet es – eigent­lich –, dass „der Rhyth­mus alles bestimmt“? Bedeu­tet es – eigent­lich –, dass das Wis­sen, das über Jahr­hun­der­te zu den Vers­fü­ßen gehört hat, ein Wis­sen, zu dem vie­le Schriftsteller:innen (und Übersetzer:innen) von heu­te kein bewuss­tes Ver­hält­nis mehr zu haben schei­nen, immer noch zu einer Defi­ni­ti­on der Dich­tung imstan­de sein wird? Eine unge­schickt for­mu­lier­te Fra­ge, des­sen bin ich mir voll­kom­men bewusst. Unge­schickt und unrhyth­misch, aber trotz­dem, glau­be ich, in Kon­takt mit dem, was irgend­wann zur Spra­che kom­men muss. 

Wenn wir uns also über den lan­gen „Byg­mes­ter Finnegan“-Satz unter­hal­ten wol­len, die­sen lan­gen Satz, der durch sei­ne weit aus­grei­fen­de Klam­mer zu einer lus­ti­gen Erzäh­lung eines mehr oder min­der miss­glück­ten Ver­suchs gerät, ein Bild der Zukunft her­auf­zu­be­schwö­ren (die unmög­li­che Kunst des Schick­sals und der Weis­sa­gung), ja, wenn wir uns über die­sen Satz unter­hal­ten wol­len, dann soll­ten wir ganz ein­fach auf das ers­te Wort, die ers­te Refe­renz des Sat­zes hin­wei­sen, anstatt die Wir­kung einer Les­art her­vor­zu­he­ben, in der Joy­ce im Ange­sicht sei­nes eige­nen Spie­gel­bilds „the future of his fates“ erken­nen will. Das Wort „byg­mes­ter“, so buch­sta­biert und nicht anders (eine zeit­ge­mä­ße Vari­an­te wür­de „bygg­mes­ter“ lau­ten) bringt uns unmit­tel­bar auf die Spur von Hen­rik Ibsens Bau­meis­ter Sol­ness. Das ist der unmit­tel­ba­re Ver­weis. Unmit­tel­bar. Und wel­chen „Inhalt“ trans­por­tiert die­se Refe­renz? Nun, bestimmt erin­nern wir uns dar­an: wie Ibsens Bau­meis­ter von sei­nem eige­nen Gebäu­de in den Tod stürz­te. Und bestimmt wis­sen wir noch, wie das alte Lied „Finnegan’s Wake“ (mit Apo­stroph) nicht nur den Fall, son­dern auch die Wie­der­auf­er­ste­hung beschreibt. Hier sind die zwei­te und die letz­te Stro­phe im eng­li­schen Ori­gi­nal (der Text ist nicht ins Deut­sche über­setzt, A. d. Ü.): 

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One morn­in’ Tim was rather full
His head felt hea­vy which made him shake,
He fell from the lad­der and bro­ke his skull
And they car­ri­ed him home his corp­se to wake.
They wrap­ped him up in a nice clean sheet
And laid him out across the bed,
With a gal­lon of whis­key at his feet
And a bar­rel of por­ter at his head.

Then Mickey Mal­o­ney ducked his head
When a fla­gon of whis­key flew at him,
It missed, and fal­lin’ on the bed
The liqu­or scat­te­red over Tim.
Tim revi­ves! See how he rises!
Timo­thy rising from the bed
Say­in’: „Whirl your liqu­or around like blazes!
Tha­nam o’n Dhoul! D’ye think I’m dead?“

„Byg­mes­ter Fin­ne­gan“: Natür­lich hat der Ver­weis auf den Bau­meis­ter Sol­ness etwas über Joy­ces gro­ße Bewun­de­rung von Ibsen zu sagen. Aber die­se Ver­qui­ckung von Fin­ne­gan aus dem Lied mit Ibsens „Bau­meis­ter“ bringt ver­mut­lich eben­so eine gelin­de gesagt sar­kas­ti­sche Hal­tung zum Aus­druck: Bau­meis­ter Sol­ness stürzt in den Tod. Fini­to. Bau­meis­ter Fin­ne­gan stürzt in den Tod. Nix fini­to. Ganz anders als Ibsen, der sich damit begnügt, den Herrn Bau­meis­ter ster­ben zu las­sen, führt Joy­ce ein Requi­em auf, in dem sich die Ver­zweif­lung im gal­gen­hu­mo­ris­ti­schen Wie­der­auf­er­ste­hungs­au­gen­blick auf­löst. Die Refe­renz hat sich aus dem unmit­tel­bar vor­lie­gen­den Mate­ri­al erge­ben: Die christ­li­che Wie­der­auf­er­ste­hungs­ge­schich­te haucht die­sem (post-)ibsenschen Cha­rak­ter neu­es Leben ein. Ibsen kam zu kurz – am Ende des Stücks ist der Punkt des Todes ein Fak­tum. Joy­ce hin­ge­gen treibt mit dem Gra­bes­ernst des Lehr­meis­ters sei­ne Spä­ße und lässt den son­der­ba­ren Leich­nam eines soge­nann­ten Bau­meis­ters von den Toten wie­der­auf­er­ste­hen … Ja, hier haben wir wirk­lich einen „Inhalt“, der uns unter Umstän­den Kopf­zer­bre­chen berei­tet. Lan­ge und aus­gie­big. Denn eben­die­ses The­ma – Fall, Tod, Auf­er­ste­hung – hat ja schon viel Kopf­zer­bre­chen bereitet. 

Das Chris­ten­tum ver­kün­det die Bot­schaft; zwei­tau­send Jah­re lang hat man über Fall, Tod und Auf­er­ste­hung gere­det. Ein kolos­sa­ler und bedeu­tungs­vol­ler „Inhalt“ – den Joy­ce hier in Angriff nimmt … Wie­so? Weil er es muss? Weil die christ­li­che Bot­schaft … unver­ständ­lich ist? Hö, hö! Ent­schul­di­gung, dass ich lache, aber genau jetzt tritt der Humor ernst­haft ins Bild „Unser christ­li­ches Kul­tur­er­be“: Die­se Fall-Tod-Wie­der­auf­er­ste­hungs-Ver­qui­ckun­gen haben wir geerbt; wir wer­den alle von die­sen wider­sprüch­li­chen Denk­mus­tern und eben­so wider­sprüch­li­chen Gefühls­re­gis­tern heim­ge­sucht – also wie­so nicht humo­ris­tisch zur Tat schrei­ten und mit einem Lächeln die vie­len selt­sa­men Zei­chen der Heim­su­chung deu­ten? Wer wit­zelt, hat kei­ne Angst vor dem Deu­ten. Wer wit­zelt, hat kei­ne Angst, einen Feh­ler zu machen. Natür­lich kann das Ergeb­nis der deu­ten­den Tätig­keit eine gigan­ti­sche Fehl­lek­tü­re des „Inhalts“ sein, den sie:er geerbt hat – aber na und? Ist es denn nicht sehr wahr­schein­lich, dass der Inhalt bereits falsch­ge­le­sen wor­den ist? Oder: Dass der „Inhalt“ in Wahr­heit eine Fehl­lek­tü­re, Trans­for­ma­ti­on, Ver­zer­rung ist? Ein buch­stäb­li­ches Sam­mel­su­ri­um? Und was, wenn wir die­ses Sam­mel­su­ri­um als … Rhyth­mus bezeich­nen?

Der Humo­rist Joy­ce deu­tet die vie­len merk­wür­di­gen Zei­chen, und in sei­ner lite­ra­ri­schen Welt lässt er den ererb­ten „Inhalt“ in einer rhyth­mi­schen und „unver­ständ­li­chen“, einer traum­ähn­li­chen Spra­che her­vor­tre­ten, die immer wie­der – ja – zwi­schen Gegen­sät­zen von „auf“ und „nie­der“ auf­er­steht. Erneut die weit aus­grei­fen­de Klam­mer: erst die Fres­se in einen Zuber; dann wie­der hoch – und bald zieht uns wie­der etwas mit nach unten. Fol­gen Sie dem Rhyth­mus, und Sie wer­den immer wie­der erfah­ren, wie Fin­ne­gans Wake das ent­schei­den­de christ­li­che Ereig­nis (Got­tes Tod und Wie­der­auf­er­ste­hung) aktua­li­siert. Über Joy­ces Mei­nung zum Chris­ten­tum lässt sich vie­les sagen – aber dar­über müs­sen wir ein ander­mal spre­chen, denn so lang­sam läuft die Sand­uhr ab, nicht wahr?

Leif Høghaug


Leif Høghaug, 1974 gebo­ren, ist ein nor­we­gi­scher Lyri­ker, Ver­lags­lek­tor und Über­set­zer. Er stu­dier­te Lite­ra­tur­wis­sen­schaft in Oslo und ist der­zeit u.a. Gast­do­zent an der Aka­de­mie für Schreib­kunst in Bø. 2012 debü­tier­te er mit dem Gedicht­band Fama, dem bis­lang zwei wei­te­re Gedicht­bän­de folg­ten. Er über­trug u. a. das Kom­mu­nis­ti­sche Mani­fest und Gedich­te von Juli­an Tala­man­tez Bro­la­ski. Für sei­ne noch zu ver­öf­fent­li­chen­de Über­set­zung von James Joy­ces Fin­ne­gans Wake erhielt er 2017 ein Kunst­sti­pen­di­um der nor­we­gi­schen Pro­vinz Oppland.


Die Peri­phe­rie im Zentrum

In Geo­va­ni Mar­tins’ Roman „Via Ápia“, über­setzt aus dem bra­si­lia­ni­schen Por­tu­gie­sisch von Nico­lai von Schweder-Schreiner,… 
Wei­ter­le­sen

Ein klu­ger Vogel erzählt

Zwi­schen hin­du­is­ti­schem Mythos und Bou­le­vard­ko­mö­die: „Das Papa­gei­en­buch“ ist eine Samm­lung indi­scher, auf Sans­krit ver­fass­ter Märchen.… 
Wei­ter­le­sen

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