Schö­ne über­setz­te Welt

Sally Rooneys neuer Roman bietet Weltschmerz in wohltemperierten Dialogen. Ihre Übersetzerin Zoë Beck findet dafür im Deutschen nicht immer die richtigen Worte. Von

Leichte Kost oder ein reichhaltiger Genuss? Hintergrundbild: Taylor Heery via Unsplash.

Sal­ly Roo­neys neu­er Roman Schö­ne Welt, wo bist du, der kurz nach Erschei­nen wenig über­ra­schend auf Platz eins der eng­li­schen Best­sel­ler­lis­ten lan­de­te, trägt im Ori­gi­nal einen über­setz­ten Titel. Denn die Zei­le „Beau­tiful world, whe­re are you“ ist eine eng­li­sche Über­set­zung des Schil­ler-Ver­ses „Schö­ne Welt, wo bist du?“, der aus dem Gedicht „Die Göt­ter Grie­chen­lands“ stammt. Im Inter­net las­sen sich ande­re, viel pathe­ti­sche­re Über­set­zun­gen die­ser Zei­le fin­den: „Beau­teous world, whe­re art thou gone?“, fragt E. A. Bowring, ein Über­set­zer des 19. Jahr­hun­derts, der aus Schil­ler wohl einen Shake­speare-Ver­schnitt machen woll­te. Noch alter­tüm­li­cher hört sich „Art thou, fair world, no more?“ von Lord Edward Bul­wer-Lyt­ton an, einem wei­te­ren Zeit­ge­nos­sen. Und selbst Richard Wig­mo­res ver­gleichs­wei­se simp­le Über­set­zung „Fair world, whe­re are you?“ lässt Schil­lers Zei­le älter wir­ken als sie in den Ohren deutsch­spra­chi­ger Leser:innen klin­gen mag.

„Beau­tiful world, whe­re are you“ ist eine wort­wört­li­che Über­set­zung von „Schö­ne Welt, wo bist du“ und damit auf den ers­ten Blick die am wenigs­ten krea­ti­ve Wahl. Trotz­dem passt der Titel von Roo­neys neu­em Roman sowohl zu sei­ner Autorin als auch zu deren Spra­che – alt­mo­di­sche For­mu­lie­run­gen und ange­streng­te Wort­akro­ba­tik sind in Roo­neys Pro­sa­tex­ten näm­lich eine Sel­ten­heit. Bereits in ihrem Debüt­ro­man Gesprä­che mit Freun­den, der 2017 auf Eng­lisch erschien und schon damals ein Erfolg war, setz­te Roo­ney auf Spar­sam­keit. Ihre cle­ve­ren, aber nicht abge­brüh­ten Dia­lo­ge bil­den das Zen­trum, alle ande­ren Text­ele­men­te wer­den drum her­um arran­giert. Zu ellen­lan­gen Beschrei­bun­gen oder aus­ufern­den Erzäh­ler­kom­men­ta­ren ließ sie sich auch in ihrem zwei­ten Roman Nor­ma­le Men­schen, ihrem bis­lang größ­ten Erfolg, nicht hin­rei­ßen. Ihr Erzähl­stil ist so „straight­for­ward“, die Dia­lo­ge so auf den Punkt, dass man in der BBC-Ver­fil­mung des Romans vie­le der durch­aus ein­präg­sa­men Dia­lo­ge ein­fach so über­nom­men hat, wie sie im Buch ste­hen. Roo­ney, die am Dreh­buch mit­ge­schrie­ben hat, wird dazu ihren Bei­trag geleis­tet haben – sicher­lich zur Freu­de ihrer vie­len enthu­si­as­ti­schen Fans.

Ihr drit­ter Roman Schö­ne Welt, wo bist du erzählt die Geschich­te einer Freund­schaft. Zwei jun­ge Frau­en, Ali­ce und Eileen, ver­brin­gen einen Groß­teil des Romans damit, ihre Fern­be­zie­hung auf­recht­zu­er­hal­ten. Sie schrei­ben lan­ge Mails, in denen sie sich weni­ger über ihr Pri­vat­le­ben aus­tau­schen, son­dern in einem Schwall Welt­ereig­nis­se anschnei­den, nur um sie genau­so schnell wie­der fal­len zu las­sen. Die gro­ßen Kri­sen der Gegen­wart sind in ihren Mails prä­sent (selbst die Pan­de­mie wur­de in den Roman am Schluss noch kurz ein­ge­ar­bei­tet), aber sie bil­den auf der Lein­wand die­ser bei­den Leben ledig­lich den Unter­grund. Bei­de jun­gen Frau­en ver­sin­ken im Mikro­kos­mos ihrer eige­nen Exis­ten­zen, die sich im Fall von Ali­ce um ihre Schreib­blo­cka­de und ihr Tin­der­da­te Felix, im Fall von Eileen um ihre Bezie­hung mit ihrem Jugend­freund Phil­ipp drehen.

In einer Mail an Eileen schreibt Ali­ce, die selbst Schrift­stel­le­rin ist und stel­len­wei­se wie eine Kari­ka­tur von Roo­ney wirkt (auch wenn sich Roo­ney von die­ser Inter­pre­ta­ti­on bereits distan­ziert hat, wohl­wis­send dass die schar­fe Tren­nung zwi­schen Autor und Text hier zu ihrem Guns­ten aus­ge­legt wird): „Das Pro­blem des euro-ame­ri­ka­ni­schen Gegen­warts­ro­mans besteht dar­in, dass die Grund­la­ge sei­ner struk­tu­rel­len Inte­gri­tät die Ver­drän­gung der geleb­ten Rea­li­tät der meis­ten Men­schen auf der Erde ist“. Wer die­sen Cha­rak­te­ren wenig wohl­wol­lend gegen­über steht, liest Roo­neys Roman viel­leicht als eine Kri­tik an den woken Groß­städ­tern, die in den sozia­len Medi­en zwar zu einem poli­ti­schen Akti­vis­mus auf­ru­fen, sich jen­seits ihres Feeds jedoch ohne viel Feder­le­sen ins Pri­va­te zurück­zie­hen. Eileen ant­wor­tet Ali­ce auf ihre lite­ra­ri­sche und exis­ten­zi­el­le Kri­se: „… wenn Men­schen im Ster­ben lie­gen, spre­chen sie denn dann nicht immer über ihre Lebens­part­ner und ihre Kin­der? Und ist der Tod nicht ein­fach die Apo­ka­lyp­se in der ers­ten Per­son Sin­gu­lar?“. Anders gefragt: Was nützt es da, die schö­ne Welt da drau­ßen zu ret­ten, wenn das eige­ne Leben ver­gäng­lich ist? Die­ses „Pro­blem“ wird im Roman nicht uniro­nisch kom­men­tiert, obgleich Roo­ney für ihre Cha­rak­te­re und deren „First-World-Pro­blems“ viel Ver­ständ­nis auf­bringt, wohl weil sie mit deren Lebens­wel­ten bes­tens ver­traut ist. Im Gespräch mit der Irish Times sag­te sie erst vor Kur­zem, ihre Roman spie­len in einer Welt, die sie ken­ne („I set my books in a world that I know“). Und wei­ter: Sie habe nicht genug Fan­ta­sie, sich eine völ­lig neue Welt aus­zu­den­ken. Dass Roo­neys Welt trotz­dem zu gro­ßen Tei­len stim­mig ist, liegt dar­an, dass die Cha­rak­te­re in Schö­ne Welt, wo bist du über eine kri­ti­sche Selbst­wahr­neh­mung ver­fü­gen, die gepaart mit einer gewis­sen Ernst­haf­tig­keit ihren Erfah­run­gen eine ein­drück­li­che Prä­gnanz ver­lei­hen. Die gro­ße Welt mit ihren Kri­sen ist in Roo­neys Roman drau­ßen vor der Tür, im hei­mi­schen Schlaf­zim­mer ist man davon unbe­trof­fen – das ist in eini­gen Tei­len der Welt nun­mal die Realität.

Auf­grund der augen­schein­lich ein­fa­chen Spra­che – vie­le Haupt­sät­ze, wenig Neben­sät­ze, wenig Fremd­wör­ter – und der dreh­buch­ar­ti­gen Dia­lo­ge wird Roo­ney hin und wie­der als Autorin für die Net­flix-Gene­ra­ti­on bezeich­net. In den wenigs­ten Fäl­len ist die­se For­mu­lie­rung posi­tiv gemeint, und auch die Kri­tik hier­zu­lan­de ist sich unei­nig, ob es sich bei Roo­neys Roma­nen um gro­ße Lite­ra­tur oder tri­via­le Unter­hal­tungs­li­te­ra­tur han­delt. (Obgleich wohl nur hier­zu­lan­de der Stem­pel „Unter­hal­tungs­li­te­ra­tur“ ein Affront ist.) Begeis­ter­te Leser:innen, die im Inter­net berich­ten, sie hät­ten Roo­neys Bücher nicht aus den Hän­den legen kön­nen und die­se regel­recht ver­schlun­gen, haben viel­leicht auch eini­ges zu die­sem Vor­ur­teil bei­getra­gen. Trotz­dem soll­te man Roo­ney sprach­lich nicht unter­schät­zen, zumal das Regis­ter in Schö­ne Welt, wo bist du oft wech­selt, vor allem wenn die Figu­ren ihre Welt­an­sich­ten in lan­gen Mails her­aus­ar­bei­ten. Im Ori­gi­nal klingt ihre Pro­sa, die meist ohne jeg­li­che Affek­tiert­heit daher­kommt, erfri­schend ent­schlackt und ent­fal­tet gera­de dann ihre größ­te Wir­kung, wenn Roo­ney in weni­gen Wor­ten auf den Punkt bringt, wofür ande­re einen gan­zen Absatz brau­chen. Kein Wun­der also, dass sich ihre Sät­ze für Insta­gram und Good­reads anbieten. 

Die Sät­ze in der Über­set­zung Schö­ne Welt, wo bist du, die laut der Süd­deut­schen Zei­tung, „sowohl in der Zeit­schrift Mer­kur als auch in der Bra­vo druck­reif wären“, gehen hin­ge­gen auf das Kon­to ihrer deut­schen Über­set­ze­rin  Zoë Beck, deren Arbeit an Roo­neys Roma­nen von den meis­ten Kritiker:innen im Feuil­le­ton völ­lig igno­riert wird. Dabei hat­te die Autorin und Ver­le­ge­rin bereits die vor­he­ri­gen Roma­ne von Roo­ney über­setzt und es wäre ver­mes­sen anzu­neh­men, dass ihre Über­set­zun­gen kei­ner­lei Aus­wir­kun­gen auf Roo­neys (ins­ge­samt posi­ti­ve) Rezep­ti­on in Deutsch­land gehabt hät­ten. Ihre deut­sche Über­set­zung von Roo­neys neu­em Roman erschien Anfang Sep­tem­ber zeit­gleich mit dem Ori­gi­nal. Für Übersetzer:innen bedeu­tet ein sol­ches Timing in der Regel hohen Auf­wand, gro­ßen Zeit­druck und wahr­schein­lich eini­ge schlaf­lo­se Näch­te. Es ist anzu­neh­men, dass es Zoë Beck bei die­ser Über­set­zung ähn­lich ergan­gen ist. Das Resul­tat: eine ins­ge­samt soli­de, aber stel­len­wei­se durch­wach­se­ne Übersetzung.

Beson­ders gut gelingt es Zoë Beck die Cha­rak­te­re des Romans sprach­lich in der Moder­ne zu ver­ord­nen. Roo­neys Figu­ren unter­bre­chen ihre Arbeit, um den Social Media Feed zu aktua­li­sie­ren und stal­ken ihre Tin­der­da­tes im Inter­net, das Han­dy legen sie sel­ten aus der Hand. Es gibt wohl nur weni­ge Autorin­nen, die so naht­los und unge­küns­telt die Text­for­men unse­re Zeit in einen Roman ein­bet­ten wie Roo­ney. Die Spra­che des Inter­nets über­setzt Beck voll­kom­men sou­ve­rän: In ihrer Über­set­zung wird gescrol­led, ges­wi­ped und geg­hos­tet, die Prot­ago­nis­tin­nen schi­cken sich „Screen­shots“ und haben „Net­flix-Accounts“. Das mag unüber­setzt wir­ken, passt aber zur Spra­che der Ende-Zwan­zig­jäh­ri­gen, die sich zwi­schen Dub­lin, Paris und New York auf­hal­ten und mit dem Inter­net (und damit auch der eng­li­schen Spra­che) auf­ge­wach­sen sind. Hier ein Bei­spiel für eini­ge über­setz­te (bzw. „unüber­setz­te“) Chat-Nachrichten:

In a group chat, someone with the user­na­me Mick repli­ed: Whe­re the fuck are you lad??? Someone with the user­na­me Dave wro­te: Hold on are you in ITALY? what the fuck haha. You not at work this week. Felix typed out a reply. 

Felix: Roma baby

Felix: Lmao

Felix: Here with some girl I met on tin­der, ill tell you when im back

Mick: How are you in rome with someone you met on tinder

Mick: This needs way more expl­ana­ti­on hahaha

Im Grup­pen­chat ant­wor­te­te jemand mit dem User­na­men Mick: Wo zum Teu­fel bist du Alter??? Jemand mit dem User­na­men Dave schrieb: moment bist du in ITALIEN? wtf haha. du bist die­se woche nicht bei der arbeit. Felix tipp­te eine Antwort.

Felix: Roma baby

Felix: Lmao

Felix: Bin hier mit ner frau von tin­der, erzähl ich euch dann später

Mick: wie­so bist du mit jeman­dem von tin­der in rom?

Mick: da gibts ne men­ge zu erklä­ren hahaha

Gut gewählt ist in der Über­set­zung das Akro­nym „wtf“ anstel­le der aus­ge­schrie­be­nen Vari­an­te. Zum einen fügt es sich naht­los in den gän­gi­gen Schreib­stil von Whats­app-Nach­rich­ten ein. Zum ande­ren fin­det das Akro­nym sowohl gespro­chen als auch geschrie­ben in der Jugend­spra­che häu­fi­ger Ver­wen­dung als aus­for­mu­lier­te Vari­an­te. Nicht weni­ger stim­mig ist die freie, aber wir­kungs­äqui­va­len­te Über­set­zung von „whe­re the fuck are you lad“ mit „Wo zum teu­fel bist du Alter“ (obgleich unklar ist, war­um Beck nicht schon bei dem Satz zur Klein­schrei­bung gewech­selt ist).

Wer unter Zeit­druck über­setzt, ver­sucht an bestimm­ten Stel­len Zeit zu spa­ren. Bei Über­set­zun­gen aus dem Eng­li­schen äußert sich das oft dar­in, dass zu nah am Ori­gi­nal über­setzt wird und sich so For­mu­lie­run­gen ein­schlei­chen, die an ein, zwei Stel­len viel­leicht noch akzep­ta­bel sind, nicht aber wenn sie sich durch den gesam­ten Text zie­hen, weil sie nach einer Wei­le dann doch irri­tie­ren. Über­set­zun­gen aus dem Eng­li­schen stel­len in der Hin­sicht also einen Balan­ce­akt dar: Wel­che eng­li­schen Wör­ter sind schon Teil der deut­schen Spra­che, wel­che nicht? Wie vie­le eng­li­sche Begrif­fe kön­nen Übersetzer:innen in einen Satz packen, ohne Leser:innen, deren Eng­lisch nicht so gut ist, zu verprellen?

Die­ses Maß trifft die Über­set­ze­rin Zoë Beck nicht ganz. Wäh­rend ein Ein­schub wie „wtf“ noch natür­lich klingt, weil die­ser Teil der Jugend­spra­che ist, sieht es mit zu wort­wört­lich aber wenig idio­ma­tisch über­setz­ten Aus­drü­cken wie der „mensch­li­chen Popu­la­ti­on“ („human popu­la­ti­on“), dem „fla­chen Ton“ („flat tone“), dem „cha­rak­te­ris­tisch großzügige[n] Geburts­tags­ge­schenk“ („cha­rac­te­risti­cal­ly gene­rous bir­th­day gift“) oder dem „spe­cki­gen Räd­chen ihrer Com­pu­ter­maus“ („greasy rol­ler on the com­pu­ter mou­se“) anders aus. Im bes­ten Fall über­liest man sol­che Stel­len getrost, doch das ist nicht immer mög­lich. Spä­tes­tens gegen Ende der Lek­tü­re haben gewief­te Leser:innen das Pro­blem viel­leicht schon erkannt: Es sind vor allem die Adjek­ti­ve, die hier direkt aus dem Eng­li­schen ins Deut­sche gezo­gen wer­den, obwohl es in den aller­meis­ten Fäl­len stim­mi­ge­re Alter­na­ti­ven gäbe. Aber auch ein­fa­che Sät­ze wie „bist du ok?“ („are you okay?“) oder „Ich bin eine Idio­tin” („I’m an idi­ot“) wir­ken vor allem in den Dia­lo­gen geküns­telt, weil es sich um unty­pi­sche Rede­wen­dun­gen im Deut­schen han­delt. Hier noch ein län­ge­res Beispiel:

All my fili­al duties are not­hing but a series of ritu­als on my part desi­gned to shield mys­elf from cri­ti­cism while giving not­hing of mys­elf away. It was tou­ch­ing what you said in your last mes­sa­ge about our civi­li­sa­ti­on col­lapsing and life going on after­wards. And yet I can’t ima­gi­ne my life that way – I mean wha­te­ver goes on, it won’t be my life any­mo­re, not really. 

Mei­ne töch­ter­li­chen Pflich­ten ver­rich­te ich als eine Abfol­ge von Ritua­len, die mich vor Kri­tik schüt­zen sol­len, wäh­rend ich nichts von mir selbst gebe. Es war bewe­gend, was du in dei­ner letz­ten Nach­richt über den Zusam­men­bruch unse­rer Zivi­li­sa­ti­on geschrie­ben hast und wie das Leben danach wei­ter­geht. Und doch kann ich mir mein Leben so nicht vor­stel­len – ich mei­ne, was immer es auch ist, was dann wei­ter­geht, es ist nicht mehr mein Leben, nicht wirklich. 

Es ist liegt nahe, sich bei einem sol­chen Absatz vor allem auf die Über­set­zung der bedeu­tungs­schwan­ge­ren Wör­ter wie „civi­li­sa­ti­on col­lapsing“ zu stür­zen. Viel inter­es­san­ter sind aber die zunächst unschein­ba­ren Teil­sät­ze. „Wäh­rend ich nichts von mir selbst gebe“ lässt uns stol­pern – lau­tet die im Deut­schen typi­sche Rede­wen­dung nicht „etwas preis­ge­ben“ und hin­ter­lässt die­se For­mu­lie­rung nicht ein viel­leicht unge­woll­tes Fra­ge­zei­chen in den Köp­fen der Leser:innen? Klingt „es war bewe­gend“ nicht selt­sam kit­schig, auch wenn es sich an sich um eine völ­lig kor­rek­te Über­set­zung han­delt? Und was ist mit dem dop­pel­ten Ein­schub „was immer es auch ist, was dann wei­ter­geht“, der auf­grund sei­ner unge­len­ken Struk­tur hervorsticht? 

Nicht in allen Über­set­zun­gen stört es, wenn die Aus­gangs­spra­che noch erkennt­lich ist und For­mu­lie­run­gen ent­ste­hen, die zunächst unge­wöhn­lich klin­gen. Bei weni­ger gän­gi­gen Spra­chen kann eine sol­che Über­set­zungs­stra­te­gie unter Umstän­den funk­tio­nie­ren, weil die Leser:innen in der Regel nicht in der Lage sind, jedes Wort sofort rück­zu­über­set­zen. Bei Über­set­zun­gen aus dem Eng­li­schen ist jedoch meist das Gegen­teil der Fall, denn die eng­li­sche Spra­che hat einen so star­ken Ein­fluss auf die deut­sche, dass sie mit hoher Wahr­schein­lich­keit ohne­hin in irgend­ei­ner Form in der Über­set­zung prä­sent ist (und in einem Roman, der im Inter­net­zeit­al­ter spielt, ist das gege­ben). Wenn unüber­setz­te eng­li­sche Wör­ter ohne­hin schon im Text sind und zusätz­lich noch For­mu­lie­run­gen aus dem Eng­li­schen wort­wört­lich über­nom­men wer­den, die im Deut­schen aber wenig typisch sind, dann wirkt die Über­set­zung schnell über­frach­tet. Wer gut Eng­lisch kann und per­ma­nent den eng­li­schen Satz­bau als Scha­blo­ne vor sich hat, fragt sich beim Lesen von Schö­ne Welt, wo bist du: Ist es nicht bes­ser, den Roman im Ori­gi­nal zu lesen? Wer nicht gut Eng­lisch kann, könn­te sich an so eini­gen Stel­len fra­gen, was damit gemeint ist und ist die Fra­ge ein­mal gestellt, zieht sie sich durch die gesam­te Lektüre.

So natür­lich Becks Über­set­zung an eini­gen Stel­len klingt, so geküns­telt klingt sie wider­um an ande­ren, was sich auch auf die Cha­rak­te­ri­sie­rung der Figu­ren aus­wirkt, deren pseu­do-phi­lo­so­phi­sches Geplau­der im Deut­schen deut­lich ange­streng­ter wirkt. Man möch­te zuge­ste­hen, dass es sich dabei nicht um eine bewuss­te Stra­te­gie han­delt, son­dern der mut­maß­li­che Zeit­druck dar­an Schuld ist, dass eini­ge For­mu­lie­run­gen in den weni­ger ent­schei­den­den Pas­sa­gen has­tig ins Deut­sche über­tra­gen wur­den, in der Hoff­nung, dass sie nie­man­dem auf­fal­len. In dem lei­der gän­gi­gen Fall tra­gen die Übersetzer:innen nicht die allei­ni­ge Ver­ant­wor­tung, son­dern auch die Ver­la­ge. Aus kom­mer­zi­el­ler Sicht mag das zeit­glei­che Erschei­nen von Ori­gi­nal und Über­set­zung Sinn erge­ben. Es besteht wohl immer die Angst, dass das Ziel­pu­bli­kum sonst unter Umstän­den zum Ori­gi­nal greift. Und den­noch: Tut es das nicht auch, wenn die Über­set­zung nicht gänz­lich über­zeugt? Und soll­te die Qua­li­tät der Über­set­zung daher nicht umso wich­ti­ger sein? Der eng­li­sche Titel „Beau­tiful World, Whe­re Are You“ beweist, dass eine wort­wört­li­che Über­set­zung nicht zwangs­läu­fig die unele­gan­tes­te Wahl ist, aber aus die­ser Vor­ge­hens­wei­se soll­te kein Pro­gramm werden. 

Schö­ne Welt, wo bist du

Im eng­li­schen Ori­gi­nal: Beau­tiful World, Whe­re Are You

Cla­as­sen 2021 ⋅ 352 Sei­ten ⋅ 20 Euro


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