Als TraLaLit im Sommer 2018 mit den ersten Beiträgen online ging, veröffentlichten wir auch ein kurzes Manifest, das noch immer auf unserer Seite zu finden ist. Das darin erklärte Ziel: Den Blick auf Übersetzungen zu lenken, Übersetzungskritik in die Tat umzusetzen und die laut Denis Scheck „unbesungenen Helden der Literatur“ zu besingen. Fünf Jahre später macht TraLaLit noch immer genau das – wie kein anderes unabhängiges Onlinemagazin besprechen wir die übersetzerische Leistung und stellen sie in den Mittelpunkt.
Unsere Redaktion, die in den letzten Jahren glücklicherweise stetig gewachsen ist, sorgt nun seit fünf Jahren dafür, dass im wöchentlichen Rhythmus neue Beiträge erscheinen und TraLaLit weiterhin existiert. Diejenigen, die in ähnlichen Projekten arbeiten, wissen, wie viel hinter den Kulissen passieren muss, um den redaktionellen Alltag zu bewältigen – und das vorrangig ehrenamtlich. Dieser Beitrag soll daher nicht nur ein Rückblick sein, sondern vor allem auch eine Würdigung der redaktionellen Arbeit.
Wir blicken nun zurück auf über 300 Beiträge, die in unserem Magazin erschienen sind. Bei dieser beachtlichen Menge den Überblick zu behalten, ist schier unmöglich. Deshalb habe ich eine Auswahl getroffen, damit alle, die unser Magazin neu entdecken, einen ersten Einblick erhalten. Aber vielleicht können auch unsere treuen Leser:innen noch einige ungehobene Schätze finden.
Die fünf beliebtesten Beiträge
Einige Beiträge haben den Test der Zeit besonders gut überstanden und erfreuen sich seit ihrer Veröffentlichung großer Beliebtheit. Das sind die TraLaLit-Dauerbrenner:
- Die vielen Übersetzungen von 1984 scheinen vielen Leser:innen Kopfzerbrechen zu bereiten. Zum Glück liefert der Beitrag „Welche Übersetzung soll ich lesen? 1984“ Antworten und steht damit an der Spitze der beliebtesten Beiträge.
- Auch das Sams erfreut sich großer Beliebtheit und wurde dementsprechend rege übersetzt. „Eine Woche voller Wortspiele“ gibt Einblicke in die verschiedenen übersetzerischen Strategien.
- Hanni und Nannis Übersetzungsgeschichte hat es ebenfalls in sich: Die Abenteuer der beiden Schwestern wurden nicht nur stark eingedeutscht, sondern auch als Pseudo-Übersetzungen weitergeschrieben.
- Ähnlich glättend und stark eingreifend war die Vorgehensweise bei den älteren Übersetzungen von Pippi Langstrumpf, die dort nicht ganz so frech daherkommt wie im Original.
- Ebenfalls kontrovers übersetzt wurde ein weiterer Kinderbuchklassiker: Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis Harry Potter neu übersetzt wird. Bis dahin können wir weiter über die Klaus-Fritz-Übersetzung diskutieren.
Fünf lesenswerte Übersetzungskritiken
Seit der Entstehung von TraLaLit sind zahlreiche Rezensionen mit Übersetzungskritik bei uns erschienen. Sowohl Erfahrene als auch Anfänger:innen haben in ihren Besprechungen die übersetzerischen Leistungen genau unter die Lupe genommen. Wer weiter stöbern möchte, findet hier alle bei uns erschienenen Rezensionen. Wir empfehlen die folgenden Besprechungen, die einen eindrücklichen Einblick in die Kunst des Übersetzens und jede Menge Diskussionsstoff bieten:
- Freyja Melsted über Aura Xilonens Gringo Champ, übersetzt von Susanne Lange
- Jan Lukas Kuhn über Haruki Murakamis Die Chroniken des Aufziehvogels, übersetzt von Ursula Gräfe
- Sebastian Fobbe über Joseph Ponthus’ Am laufenden Band, übersetzt von Claudia Hamm und Mira Lina Simon
- Sebastian Raho über Ted Hughes’ Gedichte, übersetzt von Jan Wagner
- Lisa Mensing und Julia Rosche über Marieke Lucas Rijnevelds Mein kleines Prachttier, übersetzt von Helga van Beuningen
Fünf spannende Interviews mit illustren Übersetzer:innen
Übersetzer:innen haben viel zu erzählen und wir hören ihnen gerne zu. Dementsprechend sind in den letzten Jahren auch viele Interviews entstanden. Hier eine Auswahl:
- Freyja Melsted interviewt Pike Biermann
- Felix Pütter im Gespräch mit Frank Heibert
- Lisa Mensing interviewt Stefan Kaiser
- Julia Rosche im Gespräch mit Marion Kraft
- Matthias Friedrich interviewt Stefan Moster
Fünf weitere Texte, die zeigen, wie spannend übersetzerische Debatten sind
Die Diskussionen rund ums Übersetzen hatten es in den letzten Jahren in sich. Die Themen waren komplex, vielfältig und kontrovers: Soll man in Übersetzungen gendern? Gehören die Namen von Übersetzer:innen nicht auch aufs Buchcover? Und was ist eigentlich mit der schlechten Bezahlung?
- Im August 2018 wurde geschlechtergerechte Sprache, die noch immer die Gemüter spaltet, unter Übersetzer:innen heftig diskutiert. Wir haben einige Meinungen (unter anderem von Ulrich Blumenbach und Gabriele Haefs) dazu gesammelt.
- Anfang 2021 beschäftigte uns alle die Debatte um die Übersetzung von Amanda Gormans Gedichten. Als unsere Niederlande-Expertin äußerte sich Lisa Mensing zu dem Fall.
- Die englische Übersetzerin Jennifer Croft forderte im Herbst 2020, dass die Namen von Übersetzer:innen auf den Buchcovern stehen sollten. Wir holten Meinungen von verschiedenen deutschsprachigen Verlagen dazu ein.
- Übersetzer:innen sind unterbezahlt, die Branche ist dabei zweitrangig. Anne Wanders gab Ende 2021 Einblicke in die Squid-Game-artigen Konditionen in der Untertitelbranche.
- Ende 2022 fand in Katar die Fußballweltmeisterschaft statt. Über die Literaturszene ist wenig bekannt, dabei sponsort das Land den höchstdotierten Übersetzerpreis der Welt, schreibt Felix Pütter in seiner Recherche.
Unsere Lieblingsbeiträge der Redaktion
TraLaLit entstand, weil wir nicht nur Übersetzer:innen ins Rampenlicht rücken, sondern auch selbst über Übersetzungen schreiben wollten. Erschienen sind unter anderem die folgenden Beiträge, die zu meinen persönlichen Highlights zählen:
- Freyja Melsted über die wahnwitzige Geschichte der isländischen Dracula-Übersetzung, die eigentlich eine Neuschöpfung ist
- Felix Pütter über Kindertagebücher, die während des Zweiten Weltkriegs entstanden sind und zu Unrecht in Vergessenheit gerieten
- Julia Rosche über die Wirkung von Mr. Darcy in der Übersetzung
- Hanne Wiesner im Gespräch mit dem Übersetzer Helmut Ettinger über die russische Ausnahmeautorin Gusel Jachina
- Lisa Mensing über Anita Djafari, die 2021 mit der Übersetzerbarke ausgezeichnet wurde
- Susana Mogollón Guarín über Sabine Ruflair, die Musicals übersetzt
- Viktoria Wenker und Anna Pia Jordan-Bertinelli über spannende Übersetzungen aus dem Spanischen im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 2022
Fünf Dinge, die es noch bei uns zu entdecken gibt
In der allseits beliebten Rubrik Große kleine Sprache stellen Übersetzer:innen die Sprachen vor, aus denen sie übersetzen. Dabei erzählen sie, wie sie die Sprache gelernt haben, was man unbedingt gelesen haben muss und auf welche Herausforderungen sie beim Übersetzen stoßen. Von Estnisch über Kiswahili bis Ukrainisch: Alle Sprachen haben ihre Besonderheiten und Übersetzer:innen kennen sie am besten.
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – oder auch nicht. Der Einstieg in die Übersetzungsbranche ist bekanntermaßen steinig und unvorhersehbar. Mit der Rubrik Mein erstes Mal versuchen wir Licht ins Dunkel zu bringen und bitten Übersetzer:innen, über ihren ersten richtigen Übersetzungsauftrag zu sprechen und wie es dazu kam.
Wer gerne Rezensionen liest, kann einen Blick in unsere Buchmesse-Beiträge werfen. Seit 2019 besprechen wir jedes Jahr die für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierten Übersetzungen und orakeln, wer gewinnen wird.
Für Begegnungen der besonderen Art sorgt seit Anfang 2021 auch unsere Leserunde TraLaLiest, in der Übersetzer:innen auf unsere Leser:innen treffen, um über ihre Übersetzung zu sprechen. Zu Gast waren bisher unter anderem Katja Busson, Anne Weber, Andreas Donat und Svenja Becker. Weitere Termine geben wir immer auf Social Media oder in unserem Newsletter bekannt.
TraLaLit könnte nicht ohne unsere vielen Gastautor:innen bestehen bleiben. Das Magazin lebt von unaufgeforderten Einsendungen, vorsichtigen Anfragen und dem Engagement freier Autor:innen. Wer Lust hat, sich auszuprobieren: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, bei uns aktiv mitzumachen. Wir suchen regelmäßig nach neuen Gastbeiträgen und neuen Redaktionsmitgliedern.
Unser Dank gilt an dieser Stelle allen fleißigen Leser:innen und unterstützenden Institutionen, zu denen der Deutsche Übersetzerfonds gehört. Ohne Euch wäre aus TraLaLit nicht das geworden, was es ist. Auf fünf weitere Jahre!